BR-Moderator in Sri Lanka vor Gericht:Wenn das Lächeln gefriert

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Die Familie von Michael Kreitmeir hat es aufgegeben, ihn zur Rückkehr aus Sri Lanka zu bewegen - selbst jetzt, da er dort wegen angeblichen Drogenbesitzes vor Gericht steht.

Susanne Klaiber

Elke Kreitmeir hätte ihren Mann Michael beknien können, endlich heimzukommen, nach all den Jahren und vor allem den letzten vier Wochen in Sri Lanka. Damit sie wieder ruhig schlafen kann. Damit sie ihren Mann öfter sieht als einen Monat im Jahr. Aber die 43-Jährige sagt nur: "Er würde kaputtgehen."

Jahrelanger Bürgerkrieg und der Tsunami im Jahr 2004 haben Sri Lanka arg mitgenommen. Michael Kreitmeir betreibt im schwer zugänglichen Hinterland mehrere Waisenhäuser und engagiert sich für das Wohl der Armen. (Foto: Catherina Hess)

Vor elf Jahren hat Michael Kreitmeir aus Eichstätt angefangen, mit eigenem Geld und Spenden in den Bergen Sri Lankas zwei Waisenhäuser zu bauen, dort, wo sonst kaum Hilfe hinkommt. Damals arbeitete er noch beim Bayerischen Rundfunk, als Regisseur und Moderator der Sendung Kunst und Krempel. Doch nach und nach vergrößerte Kreitmeir sein Hilfsprojekt Little Smile in Koslanda auf sechs Kinderhäuser, eine Ausbildungswerkstatt und ein Naturschutzgebiet.

Er kaufte Plantagen für Pfeffer, Vanille, Zimt, Reis und Gemüse, um finanziell unabhängiger zu werden. In anderen Orten baute er eine Schule und ein Krankenhaus. Im Jahr 2000 gab er seine Arbeit für Kunst und Krempel auf, seit dem Tsunami Ende 2004 lebt der heute 53-Jährige fast das ganze Jahr in Sri Lanka.

"Es war meine Schuld", sagt Elke Kreitmeir und scheint diesen Satz sehr ernst zu meinen. "Ich sollte im Oktober 1994 am Münchner Flughafen einen Last-Minute-Flug aussuchen." Mexiko und Sri Lanka standen zur Wahl. Sie hat Sri Lanka gewählt, die Insel südlich von Indien, auf der von 1983 bis 2009 der Bürgerkrieg zwischen Tamilen und Singalesen etwa 100.000 und der Tsunami vor sechs Jahren 38.000 Menschen das Leben kostete.

Die Insel, die mit ihren wunderbaren Stränden, Bergen, tropischen Tieren und Pflanzen und ihren buddhistischen Heiligtümern wirbt. Und mit dem steten Lächeln ihrer Bewohner. Wie falsch, wie traurig dieses Lächeln sein kann, hat die Familie erst später gelernt.

Immer wieder habe Kreitmeir bei seiner Arbeit in Sri Lanka Probleme mit Neidern gehabt, sagt der 23-jährige Manuel, der ältere seiner beiden Söhne. Bisher habe man sie aussitzen können. Vor sechs Monaten aber hat Michael Kreitmeir zufolge ein tamilischer Provinzminister insgesamt 200.000 Euro von ihm gefordert - Bargeld für sich selbst und Dachbleche für seinen Onkel. Dieser habe der Staatsregierung angehört und die Bleche im Wahlkampf verschenken wollen.

Kreitmeir soll sich trotz Drohungen geweigert haben zu zahlen, stattdessen erstattete er nach eigenen Angaben Anzeige und beschwerte sich bei der Deutschen Botschaft in der Hauptstadt Colombo.

Der ehemalige BR-Moderator Michael Kreitmeir hat in Sri Lanka mehrere Hilfsprojekte initiiert. (Foto: oh)

Am 17. August passierte dann, was Michael Kreitmeir als "Rache des Ministers" bezeichnet: Ein Sonderkommando der Polizei hielt Kreitmeirs Wagen an. Im Auto saß unter anderem Sohn Manuel, der zu Besuch war. Angeblich fanden die Polizisten 1,8 Gramm Heroin. "Untergeschoben, auf Anweisung des Ministers", sagen die Kreitmeirs. Der Vater wurde wegen Drogenbesitzes angeklagt. Der Prozess gegen ihn soll an diesem Freitag fortgesetzt werden.

Vertreter anderer Hilfsorganisationen zeichnen ein widersprüchliches Bild der Situation in Sri Lanka. Die Deutsche Botschaft in Colombo und Rainer Lang von der Diakonie Katastrophenhilfe sagen, ihnen sei kein Fall zu Ohren gekommen, der mit Kreitmeirs vergleichbar wäre. Bei der Diakonie wundert man sich, warum jemand sich so große Mühe machen sollte, Kreitmeir aus dem Weg zu räumen, wenn man ihm einfach das Visum verweigern könne.

Andere Helfer haben aber offenbar so ernste Probleme, dass sie aus Angst allenfalls reden, wenn ihr Name nicht in der Zeitung genannt wird. Einer sagt: "Es kann jederzeit vorkommen, dass die Polizei bei missliebigen Personen Drogen versteckt." Von erfolgreichen Ausländern würden lokale Größen oft Geld verlangen. Wer sich Forderungen von Regierungsmitgliedern widersetze, sei seines Lebens nicht mehr sicher. Viele Gerichte seien korrupt.

Dass Schmiergeldforderungen gängig sind, bestätigt auch die für Korruptionsbekämpfung zuständige Organisation Transparency International. Human Rights Watch prangert an, dass humanitäre Helfer in dem Land widerrechtlich verhaftet würden.

Kreitmeirs Sohn kam einen Tag nach der Festnahme frei, der Vater nach neun Tagen unter "unwürdigen Bedingungen" im Gefängnis - eine kurze Haftdauer angesichts des Vorwurfs. Außerdem musste er keine Kaution zahlen, nur lokale Bürgen benennen. Kenner Sri Lankas gehen davon aus, dass die Regierung oder deren Umfeld eingegriffen hat, aus Sorge, der Fall könnte dem Image des Landes schaden. Denkbar wäre, dass Kreitmeir nun bald freigesprochen wird und seinen Pass zurückbekommt. Der Prozess könnte sich aber auch über Monate hinziehen.

Sicher scheint nur zu sein, dass Kreitmeir ein Problem nicht loswird: den Provinzminister. Denn dieser hat durch das Bekanntwerden des Falls schon jetzt sein Gesicht verloren - das gilt in Sri Lanka als fatal. Kreitmeir ist sich deshalb sicher, dass ihm dieser Mann noch gefährlich wird, wenn sich die Aufmerksamkeit gelegt hat. "Sollte mir etwas zustoßen, ist davon auszugehen, dass dieser Minister dahintersteckt." Kreitmeir denkt dabei an einen Autounfall oder einen Brand im Kinderheim.

Am Telefon soll es Morddrohungen gegeben haben. Einige seiner Mitarbeiter hätten sich schon von ihm abgewendet, aus Angst. Kreitmeir sagt, er vertraue jetzt noch weniger Menschen als vorher. Ein Lächeln heißt eben gar nichts. Deswegen will auch Elke Kreitmeir nicht in dem Land leben, sagt sie.

Aber zum Heimkommen will sie ihren Mann, der an Multipler Sklerose erkrankt ist, auch nicht überreden. "Er sagt immer, uns kann er allein lassen." Anders als die Kinder in Sri Lanka. Kreitmeir befürchtet, dass ihnen und seinen Projekten Gefahr droht, wenn er weggeht. Zumal die Polizei nach seinen Angaben Kinder und Betreuer unter Druck gesetzt hat, während er im Gefängnis saß. "Ich bin die Achillesferse des Projekts", sagt er.

Weil er so nicht weitermachen kann, will er jetzt mehr Einrichtungen als geplant an andere Träger übergeben, an die Karmeliterinnen zum Beispiel. Doch gleichzeitig plant er neue Projekte, will den Strafgefangenen helfen, die eingepfercht und ohne Anwalt im Gefängnis sitzen.

Elke Kreitmeir kümmert sich indessen weiter von Deutschland aus um Little Smile. Die Sorge um ihren Mann ist Alltag für sie geworden. Und wird es wohl noch eine Weile bleiben.

© SZ vom 17.09.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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