Bluttat in Töging:Schwere Vorwürfe gegen Justiz und Zypries

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"Unverzeihlicher Fehler": Nach der Messerattacke auf ein Mädchen im bayerischen Töging hat Innenminister Herrmann die Justiz und Bundesministerin Zypries scharf kritisiert.

Nach der versuchten Vergewaltigung und Messerattacke auf eine 16-Jährige im oberbayerischen Töging hat der Innenminister des Freistaats, Joachim Herrmann (CSU), die vorangegangene Entlassung des mutmaßlichen Täters aus der Psychiatrie scharf kritisiert.

"Ich begreife nicht, wie man bei dieser negativen Prognose die dauerhafte Unterbringung beenden kann": Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (Foto: Foto: dpa)

"Ich habe null Verständnis für die Entscheidung des Landgerichts Saarbrücken, das im Jahr 2006 die dauerhafte Unterbringung von Matthias A. in der Psychiatrie für erledigt erklärt hat", sagte Herrmann in München.

"Matthias A. war als hochgefährlich und hoch rückfallgefährdet eingestuft." Seine Entlassung sei deshalb ein schwerer Fehler gewesen. Der 40 Jahre alte Täter hatte die 16-Jährige am Dienstag in Töging am Inn (Landkreis Altötting) überfallen, mit einem Messer auf sie eingestochen und sie schließlich mit Benzin übergossen.

"Schärfere Gesetze"

"Ich begreife nicht, wie man bei dieser negativen Prognose die dauerhafte Unterbringung beenden kann", sagte der Innenminister. Wenn die gesetzlichen Grundlagen für eine dauerhafte Unterbringung dieses Verbrechers nicht ausgereicht haben sollten, könne es nur eine Antwort geben: schärfere Gesetze.

Es gehe hier nicht um Strafe, sondern um den Schutz der Bevölkerung. "Weder die engmaschige Überwachung noch die Führungsaufsicht mit einer täglichen Meldeauflage bei der Polizei konnten diese Tat verhindern", betonte Herrmann.

Es sei ein "unverzeihlicher Fehler" von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD), dass vom BGH festgestellte Gesetzeslücken noch nicht geschlossen worden seien.

Landgericht verteidigt sich

Die Vize-Sprecherin des Landgerichts Saarbrücken wies Herrmanns Vorwürfe zurück und erklärt, die Strafvollstreckungskammer des Gerichts habe seinerzeit gar nicht anders entscheiden können. Mangels einer gesetzlichen Handhabe habe sie den Mann "im Bewusstsein der bestehenden Gefährlichkeit" "sehenden Auges" in den Strafvollzug schicken müssen, damit er seine Restrafe absitzt.

Die Strafvollstreckungskammer habe die Unterbringung des 40-Jährigen für erledigt erklärt, weil ein Gutachter die Auffassung vertreten habe, dass die dissoziale Persönlichkeitsstörung des Mannes diese Maßnahme nicht rechtfertige.

Neues Gutachten

Nach dem brutalen Messerüberfall auf das Mädchen soll nun ein Psychiater ein weiteres Gutachten zu dem gefährlichen Sexualtäter erstellen. Auch deshalb würden die Ermittlungen sicher erst in einigen Monaten abgeschlossen, sagte ein Sprecher der zuständigen Staatsanwaltschaft in Traunstein.

Kurz nach dem grausamen Überfall am frühen Dienstagabend war der mehrfach einschlägig vorbestrafte Tatverdächtige bei einer Ringfahndung festgenommen worden. Am Mittwoch war gegen den gebürtigen Mainzer, der Ende 2008 nach Töging gezogen war, Haftbefehl erlassen worden.

Schwere Verletzungen

Den Ermittlungen zufolge hat der Mann der Schülerin auf einem Feldweg aufgelauert. Die 16-Jährige fuhr dort mit dem Fahrrad von einer Reitstunde nach Hause. Mit einem Messer in der Hand zwang der Mann das junge Mädchen, abzusteigen und ihm in ein Maisfeld zu folgen.

Dort versuchte er die 16-Jährige zu vergewaltigen, dann stach er mit dem Messer etliche Male auf sie ein. Danach übergoss er sie aus einer Flasche mit Benzin und flüchtete mit ihrem Fahrrad. Der 40-Jährige hat die Tat gestanden, aber keine weiteren Angaben dazu gemacht.

Die aus Töging stammende 16-Jährige erlitt eine Vielzahl von Stichverletzungen am Oberkörper sowie an Kopf und Hals. Mit letzter Kraft konnte das blutüberströmte Opfer noch per Handy einen Verwandten benachrichtigen.

"Das Handy dürfte dem Mädchen das Leben gerettet haben", sagte Sprecher Fritz Braun vom Polizeipräsidium Oberbayern Süd in Rosenheim dem Trostberger Tagblatt. "Das Mädchen ist gerade noch so am Tod vorbeigeschrammt." Die 16-Jährige liegt in einem Krankenhaus, ist aber nicht mehr in Lebensgefahr.

Suche nach Tatwaffe

Dem mutmaßlichen Täter werden versuchter Mord, versuchte Vergewaltigung, Freiheitsberaubung und gefährliche Körperverletzung vorgeworfen. Die Tatwaffe wurde bisher noch nicht gefunden, obwohl auch Taucher im Inn danach gesucht hatten. Auch das Fahrrad des Mädchens ist noch verschwunden.

Der 40-Jährige war in der Vergangenheit nach Angaben der Traunsteiner Staatsanwaltschaft immer wieder als Sexualtäter aufgefallen. Wegen versuchter sexueller Nötigung in zwei Fällen wurde er 1991 zu einer neunmonatigen Bewährungsstrafe verurteilt. Nach der Vergewaltigung einer Frau wurde er 1992 vom Landgericht Hildesheim zu drei Jahren Haft und zur Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus verurteilt.

Aufgrund dieses Urteils war er fast 14 Jahre - von Juni 1992 bis Februar 2006 - in der Psychiatrie. Während eines Ausgangs in dieser Zeit überfiel er im Jahr 2000 wieder eine Frau und wurde deshalb zu 18 Monaten Haft und weiterer Unterbringung in einer psychiatrischen Anstalt verurteilt.

Im Februar 2006 erklärte das Landgericht Saarbrücken die Unterbringung für erledigt, daraufhin befand der Mann sich in Strafhaft. Im Oktober 2008 kam er wieder auf freien Fuß, blieb aber unter sogenannter Führungsaufsicht - unter anderem mit polizeilicher Meldepflicht. Kurz nach seiner Freilassung zog er nach Töging.

© dpa/AFP/plin - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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