Biotope:Kritik an Staatsregierung für Naturschutzpolitik

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Von Christian Sebald, München

Knapp eineinhalb Jahre ist das überaus erfolgreiche "Volksbegehren Artenvielfalt - Rettet die Bienen" her, vor einem Dreivierteljahr hat der Landtag das neue Naturschutzgesetz für einen besseren Erhalt von Flora und Fauna verabschiedet. Aber in der Praxis liegt weiter vieles im Argen. So weiß die Umweltverwaltung nicht einmal, wie viele Biotope es wo in Bayern gibt. Denn in 31 von 71 Landkreisen sind die Kartierungen der Lebensräume von Flora und Fauna mehr als 20 Jahre alt. Dabei sollten die Unterlagen spätestens alle zehn Jahre überarbeitet werden, um auf einigermaßen aktuellem Stand zu sein. So steht es in einem Bericht des Umweltministeriums an den Landtag.

Grüne und SPD üben denn auch scharfe Kritik. "Die Staatsregierung hat offenkundig kein Interesse an ehrlichen Bilanzen über den Zustand der Natur in Bayern", sagt der Grünen-Abgeordnete Patrick Friedl. "Sonst würde sie längst mehr Personal und Geld in die Biotop-Kartierungen stecken. Denn sie sind die Basis für einen wirksamen Naturschutz." Der SPD-Abgeordnete Florian von Brunn greift Umweltminister Thorsten Glauber (FW) direkt an. "Vor einem Jahr hat Glauber die Kartierungen komplett gestoppt, weil Wut-Bauern in seinem Stimmkreis Forchheim dagegen protestiert haben", sagt er. "Seither herrscht Stillstand, obwohl die Erfassung von Tieren und Pflanzen ohnehin Jahrzehnte hinterherhinkt."

Die Versäumnisse sind so groß, dass der Bericht nicht einmal den Versuch einer Beschönigung unternimmt. Gleich in der Einführung wird die zentrale Bedeutung der Kartierungen für den Natur- und Landschaftsschutz betont. Auch für die Umsetzung des Bienen-Volksbegehrens seien sie sehr bedeutsam, heißt es dort. Deshalb will das Landesamt für Umwelt die Arbeiten beschleunigen. Künftig sollen die Kartierungen jedes Jahr für jeweils fünf Landkreise statt wie bisher für nur drei begonnen werden. Gleichzeitig räumt Glauber ein, dass im laufenden Haushalt dafür weder mehr Geld noch mehr Personal beantragt worden ist. Der Grünen-Politiker Friedl glaubt daher nicht daran, dass die Ankündigung umgesetzt werden kann.

Die ausstehenden Biotop-Kartierungen sind längst nicht das einzige Versäumnis des Freistaats im Naturschutz. Bei den Kartierungen für die FFH-Gebiete hinkt Bayern ebenfalls hinterher. FFH-Gebiete sind Schutzgebiete, die nach europäischem Naturschutzrecht ausgewiesen worden sind und für die der Freistaat Managementpläne erlassen muss. Bislang liegen weder die Kartierungen noch die Managementpläne selbst vollständig vor. Die EU droht Deutschland und Bayern deshalb mit einem Strafverfahren und hohen Strafzahlungen. Laut Glaubers Bericht sollen die fehlenden Unterlagen so rasch wie möglich erstellt werden.

© SZ vom 15.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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