Bildung:Stockend ins digitale Schulzeitalter

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Der gute Wille ist da, die technische Ausstattung fehlt. Lehrer beklagen zu wenig Unterstützung beim modernen Unterricht

Von Markus Mayr, München

Bayerische Lehrer denken digital. Sie wollen moderne Medien pädagogisch sinnvoll im Unterricht einsetzen. Das geht aus einer vom Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV) dazu durchgeführten Studie hervor. Doch dieser Anspruch und die Wirklichkeit an den Schulen klaffen offenbar zuweilen weit auseinander. Der BLLV forderte deshalb am Dienstag im Vorfeld des von ihm organisierten Kongresses "Digitalisierung und Schule" ein umfassendes Konzept für den digitalen Wandel des Unterrichts. Da damit tief greifende Veränderungen einhergingen, sagt Präsidentin Simone Fleischmann, "müssen alle am Schulleben Beteiligten mitgenommen werden". Daran fehle es derzeit aber noch. Mit einem Blick auf die Digitalisierungsoffensive der Staatsregierung sagt Fleischmann, dass es ein solches Konzept zwar in der Hochglanzbroschüre des Kultusministeriums gebe, aber noch nicht in Wirklichkeit.

Das Staatsministerium kontert prompt und teilt mit: "Schulen in Bayern begleiten Kinder und Jugendliche dabei, sich in der digitalisierten Welt zurechtzufinden." Eine Sprecherin verweist auf die "umfassende Strategie" des Ministeriums, die Kultusminister Ludwig Spaenle und Staatssekretär Georg Eisenreich Anfang dieses Jahres vorgestellt haben. An bayerischen Schulen sei "die Digitalisierung sowohl Gegenstand von Bildung als auch Werkzeug im Bildungsprozess", sagte Eisenreich damals.

Der BLLV-Präsidentin ist die Debatte um eine Digitalreform dennoch zu ungeordnet, der digitale Status quo an den Schulen nicht tragbar. Fleischmann zufolge mangelt es an der technischen Ausstattung und an schneller Hilfe bei technischen Fragen. Lehrer und Schulen würden mit ihren Problemen häufig allein gelassen. Deshalb brauche es ein "passgenaues Konzept", was die Grundausstattung für jede einzelne Schule anbelangt. Konkret: eine Antwort auf die Frage, wie viele Whiteboards (interaktive, digitale Tafeln), Schulcomputer, Tablets oder Klassenräume mit Wlan die entsprechende Schule braucht. Der Freistaat müsse zudem darüber nachdenken, wie er die Kommunen unterstützen kann, die als Sachaufwandsträger für diese außerordentlichen Anschaffungen zuständig sind. Je nach Wohlstand der Kommune stemmt sie diese Zusatzkosten derzeit recht locker, mit großen Anstrengungen oder eben gar nicht.

Sepp Hoffmann ist Lehrer an einer kleinen Mittelschule im Regensburger Umland, BLLV-Mitglied und steht sinnbildlich für die Probleme, die bayerische Schulen trotz des vielerorts vorhandenen guten Willens mit der Digitalisierung des Schulalltags haben. Hoffmann bezeichnet sich weder als Technik-Muffel noch als Technik-Freak. Trotzdem wurde er von seinen Kollegen dazu auserkoren, das IT-System an seiner Schule zu betreuen. Deshalb pflegt Hoffmann die 50 Computer in den zwei Computerräumen der Schule und arbeitet die Wunschzettel seiner Kollegen ab, die mit den Problemen an den interaktiven Tafeln zu ihm kommen. Diesen zeitaufwendigen Aufgaben kommt Hoffmann neben seiner Arbeit als Lehrer nach. Derzeit bereitet er Neuntklässler auf den Qualifizierten Abschluss vor. "Ich mache das gerne", sagt Hoffmann. "Aber lieber wäre es mir, wenn es einen IT-Beauftragten in Vollzeit an meiner Schule gäbe." Einen, der den Umgang mit digitalen Medien gelernt hat anstatt ihn sich selbst angeeignet zu haben. Der BLLV-Studie zufolge haben nahezu alle Lehrer "ihre technischen Kompetenzen vorwiegend privat" erlernt.

Die Digitalisierung sei nicht einfach mal nebenbei zu meistern, sagt Verbandspräsidentin Fleischmann. Die Situation der Systembetreuer, wie Hoffmann einer ist, müsse verbessert werden. Medienkompetenz müsse ein fester Bestandteil der Lehrerbildung sein. Es brauche "einheitliche Standards zur Sicherung der Qualität von Lernprogrammen und Unterrichtsmaterialien." Fleischmann betont trotz aller Möglichkeiten und Chancen, die digitaler Unterricht mit sich bringt, dass im Fokus die Lehrerpersönlichkeit und ihre Beziehung zu den Schülern stehen müsse. "Das sind die beiden Garanten für einen gelungenen Unterricht."

© SZ vom 05.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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