Bier:Kreatives Brauen in Bayern unerwünscht

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Wenn das Reinheitsgebot ihn weiterhin ausbremst, will der Truchtlachinger Bräu nach Österreich umziehen.

Von Matthias Köpf, Truchtlaching

Der Bräu gilt etwas in Bilderbuch-Bayern. Im dortigen Bilderbuch-Wirtshaus sitzt er mit dem Bürgermeister und dem Pfarrer am Tisch, und manchmal darf der Lehrer auch dazu. Markus Lohner ist so ein Bräu. 2008 hat er in einer Mühle an der Alz die Camba Bavaria eröffnet, und seither kennt ihn jeder in Truchtlaching, das längst keinen eigenen Bürgermeister mehr hat und zum Pfarrverband Seeon gehört.

Und wenn es so weiter geht, dann hat Truchtlaching bald auch einen Bräu gehabt, sagt Lohner. Dann will er in Salzburg weiterbrauen, vom Chiemsee sind es nur 60 Kilometer. Denn im echten Bayern sieht sich der Bräu inzwischen behördlichen Pressionen ausgesetzt. Ein Baustopp lege die Arbeiten am Brauhaus lahm, und das Reinheitsgebot bremse ihn auch noch aus.

Experimentierfreudige Brauer haben es schwer in Bayern

Denn ein Brauherr alter Schule ist der 48-jährige Lohner nicht. In seiner Lehre habe es stets geheißen, dass man das immer schon so gemacht habe, aber er macht es nun eben anders. Vor zehn Jahren hat er als Projektleiter für das Hofbräuhaus Lizenz-Brauereien in den USA aufgebaut und dabei erstmals in die dortige Craft-Beer-Szene hineingeschmeckt. In den USA haben experimentierfreudige Handwerks-Brauer den Konzernen schon zehn Prozent des Bierausstoßes und 20 Prozent des Umsatzes abgenommen.

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Lohner hat dann in Truchtlaching erst einmal seine Firma BrauKon aufgebaut, die kleinere bis mittlere Brauanlagen in die halbe Welt liefert und damit an die 30 Millionen Euro Jahresumsatz macht. Die 4000 Hektoliter der Camba Bavaria fallen da kaum ins Gewicht, aber laut Lohner könnten es von der Nachfrage und vom Personal her ja bald 15 000 sein, wenn nicht das Verwaltungsgericht vor ein paar Tagen die Genehmigung für den Neubau im Gewerbegebiet in Seeon aufgehoben hätte, weil ein Anwohner auch für seine Hausnummer ein Lärmgutachten verlangt. Der Großteil der geplanten 8,5 Millionen Euro ist aber schon verbaut, jetzt kostet der Stillstand.

Fast möchte Lohner glauben, dass auch das mit dem Reinheitsgebot zu tun hat, das er lieber förmlich "Vorläufiges Biergesetz" nennt. Das VorlBierG stammt auch nicht von 1516, sondern von 1993. Und in den 477 Jahren zuvor wurde weit mehr erlaubt als "Gerste, Malz und Wasser". Denn die großen Brauer hätten eben Einfluss, sagt Lohner, der als kleiner auf Anordnung des Landratsamts 2000 Liter seines Milk Stout wegschütten musste, weil er Milchzucker mitgebraut hat.

Probleme mit dem Coffee Porter

Nun gibt es Probleme mit dem Coffee Porter, denn das Brauwasser durch Kaffeebohnen strömen und Aromen aufnehmen zu lassen, geht auch nicht. Hinterher Kaffee ins fertige Bier kippen, das ginge, so wie beim Flaschenradler der Konzerne. Gleich mitbrauen? Reinheitsgebot.

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Das größte Problem für Lohner ist dabei, dass Bayerns Behörden das VorlBierG enger auslegen als andere Länder. Während er hier auf manche Flasche keinesfalls "Bier" schreiben dürfe, so müsse er dies anderenorts sogar, sonst verstoße er jeweils gegen das Lebensmittelrecht. Bleibt Salzburg, wo man ihm schon mehrere Grundstücke angeboten habe. Denn was anderswo als Bier gebraut wird, das darf in Bayern als solches verkauft werden. Reinheitsgebot hin oder her.

© SZ vom 07.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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