Bayreuth:Vorläufiges Ende der Hügel-Schlacht

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In Bayreuth ist alles immer kompliziert: Selbst bei einem Prozess mit Urteil können sich beide Seiten irgendwie als Sieger fühlen. (Foto: Johannes Simon/Getty)

Eine Seite der Wagner-Dynastie unterliegt vor Gericht. Der Langzeitmietvertrag fürs Festspielhaus muss akzeptiert werden

Von Olaf Przybilla, Bayreuth

Als es losging mit dem juristischen Kampf um die Macht am Hügel, war es spektakulär zugegangen in Bayreuth. Maßgebliche Teile der Wagner-Dynastie und Kläger-Anwalt Gregor Gysi sahen sich im Oktober 2014 plötzlich auf der Straße wieder, eines Feueralarms am Landgericht wegen. Aber wie das so ist mit dem Alarm im verminten Sondergebiet namens Bayreuth: Die Ursache ist oft genug winzig, die Wirkung enorm. Der Grund für den Rauch damals: In der Gerichtskantine war das Essen angebrannt. Falscher Alarm also.

Nach dem zumindest vorläufigen Ende des Gerichtsstreits gäbe es nun gute Gründe, diese Bayreuther Küchendunstgeschichte für symptomatisch zu halten. Natürlich hatte der Gütetermin am Gericht vor zwei Jahren nichts gebracht, Güte und Hügel gehen traditionell nicht gut zusammen, wenn Wagnerianer um die Macht in Bayreuth ringen. Also brauchte es eine Entscheidung des Gerichts. Am Donnerstag kurz nach Sonnenaufgang benötigt der Richter kaum fünf Minuten dafür, seinen Urteilsspruch vorzutragen - und im Tenor erinnert dieser doch sehr an einen Großalarm wegen angebrannter Kohlrouladen. Die eine Seite der Dynastie, bekannt als die Wieland-Wagner-Seite, soll per unbotmäßigem Mietvertrag auf Dauer von der Macht entfernt worden sein am Mythoshügel? Nicht wirklich, findet das Gericht.

Im Detail sind die Dinge natürlich komplex, aber auch das ist immer so in Bayreuth. Im Kern sieht sich die Wieland-Wagner-Seite elegant ausgebootet durch einen Mietvertrag, der mehr als 25 Jahre laufen soll. Eigentlich darf die Mehrheit der Mitglieder des Wagner-Clans einen verbindlichen Vorschlag machen, wer die Leitung der Festspiele übernimmt. Durch den Langzeit-Mietvertrag allerdings sieht die Wieland-Seite - mit den prominentesten Vertreterinnen Daphne und Nike Wagner - ihr verbrieftes Hügelprivileg akut bedroht. Zumal die Verworrenheit der Machtverhältnisse am Hügel diesem Mietvertrag eine tatsächlich pikante Note verleiht: Abgeschlossen hat ihn die Stiftung der Festspiele mit der Festspielgesellschaft. Hier wie dort dominieren Bund und Land, was die Anmutung eines In-Sich-Geschäfts zumindest nahelegt. Als hätten da zwei ein Geschäft mit sich selbst abgeschlossen und die als zänkisch verrufenen Bekannten genüsslich vom Spiel ausgeschlossen.

Ein Langzeitvertrag also zwischen öffentlichen Trägern mit sittenwidriger Zusatzvereinbarung, um private Erben für möglichst lange Zeit ins Abseits zu stellen? Nein, sagt der Richter in womöglich bewusst beiläufigem Ton, das Gericht sehe sich nicht zu der Annahme veranlasst, dass hier ein Teil der Hügel-Hausmieter "geschädigt" werden solle. Es gebe eben große Aufgaben am Hügel, das Haus muss renoviert werden, da hätten die Gesellschafter ein berechtigtes Interesse, "eine dauerhafte Durchführung sicherzustellen".

Das ist ein Erfolg, könnte man sagen, für die in der Neuzeit dominierenden Herrscher am Hügel: Bund und Land. Aber weil in Bayreuth immer auch das Gegenteil wahr ist und dies gerne auch kurios ausfallen darf, können sich Daphne und Nike Wagner sowie ihr Anwalt Gysi schon auch als Sieger fühlen, zumindest ein wenig. Tatsächlich ist der inkriminierte Mietvertrag laut Gericht vorläufig nämlich so, wie sich Nicht-Wagnerianer mitunter angesichts des Bedeutungs-Gewummers am Hügel fühlen mögen: "schwebend unwirksam".

Warum? Auf einer Zusatzvereinbarung fehlt eine Unterschrift. Diese regelt, dass der Mietvertrag selbst dann nicht außerordentlich gekündigt werden darf, wenn das Votum des Wagner-Clans bei etwaigem Streit am Hügel komplett ignoriert würde. Bund und Land könnten somit unbeschwert bestimmen, wer irgendwann die Nachfolge Katharina Wagners als Hügel-Chefin antreten soll. Auch das ist wie immer in Bayreuth: der Vorhang zu und viele Fragen offen. Er sehe, sagt dann auch Hügel-Geschäftsführer Holger von Berg auf dem Gerichtsgang, keinen Anlass für spontane Freudentänze.

© SZ vom 16.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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