Bayreuth:Aus für Ermittlung wegen "Phantom"

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Fall eines angeblich weggesperrten Mittvierzigers juristisch beendet

Von Olaf Przybilla, Bayreuth

Der Fall hatte große Aufmerksamkeit erzeugt, auch internationale Medien hatten über ein vermeintliches "Phantom" aus der Fränkischen Schweiz berichtet. Zumindest der Grund für die Einleitung von Ermittlungen gegen ein hochbetagtes Elternpaar aus Oberfranken, das im Verdacht stand, den erwachsenen Sohn über Jahre weggesperrt zu haben, war tatsächlich spektakulär: Ein Hobbykletterer, der mehrmals in der Fränkischen Schweiz zu Gast war, hatte von einem angeblichen "Dorf-Phantom" gehört und die Polizei verständigt. Diese ermittelte wegen des Verdachts gemeinschaftlich begangener Freiheitsberaubung gegen die Eltern. Zwei Jahre nach Beginn der Ermittlungen in dem Fall wird dieser nun zu den Akten gelegt. Zwar hat die Staatsanwaltschaft Anklage erhoben, das Schöffengericht Bayreuth aber lehnte die Eröffnung des Hauptverfahrens ab. Dagegen hätte die Staatsanwaltschaft Beschwerde einlegen können, hat dies aber nicht getan. Damit ist der Fall strafrechtlich ergebnislos abgeschlossen.

Die Anwältin Doris Benker-Roth zeigt sich zufrieden. Sie hatte schon im März in der SZ die Vorwürfe als "völligen Unfug" bezeichnet. Zwar habe der Sohn ihrer Mandantin - ein Mann Mitte 40 - tatsächlich kaum das Haus der Eltern verlassen. Die Anklage aber sei "abstrus" gewesen, sagt Benker-Roth. Der Sohn ihrer Mandantin habe schlicht zu verstehen gegeben, sich außerhalb des Elternhauses nicht wohlzufühlen. Als Jugendlicher habe er dieses noch verlassen, nach Mobbing-Erfahrungen sei er aber zusehends unsicher geworden und habe zurückgezogen leben wollen. Der Vorwurf, er sei weggesperrt worden, sei "komplett falsch". Vielmehr habe das angebliche "Phantom" sehr wohl im Garten Hasen gefüttert, auch auf dem Balkon habe er sich aufgehalten. Das hätten Zeugen auch so bestätigt. Dass sich die Eltern kaum um ihren Sohn gekümmert hätten, sei ebenfalls Unsinn. Die Mutter sei nach den belastenden Erfahrungen, die ihr Sohn im Dorf habe machen müssen, ihm zuliebe sogar für kurze Zeit in eine Stadt gezogen. Dort sei es aber nicht besser geworden. Fast bedauere ihre Mandantin, sich nicht in einem Prozess gegen die erhobenen Vorwürfe verteidigen zu können. "Wir hatten uns gut vorbereitet und hätten viel dazu zu sagen gehabt", sagt Benker-Roth.

Für Oberstaatsanwalt Herbert Potzel war das aufwendige Verfahren trotzdem berechtigt. Es habe sich herausgestellt, dass der Mittvierziger "in vielfacher Hinsicht betreuungsbedürftig" sei. Deshalb lebe er nicht mehr bei den Eltern, sondern in einer Einrichtung. Trotzdem halte die Staatsanwaltschaft die Nichteröffnung des Hauptverfahrens für "vertretbar" und habe keine Beschwerde eingelegt.

Nach Angaben von Gerichtssprecher Clemens Haseloff hat das Schöffengericht seine Entscheidung aufgrund eines Gutachtens getroffen. Ein Sachverständiger ging davon aus, dass der Mittvierziger schon deshalb als Zeuge vor Gericht nicht in Betracht komme, weil er nicht in der Lage sei zu verstehen, dass er ein Zeugnisverweigerungsrecht habe - gegebenenfalls also nicht gegen sein Eltern aussagen müsste. Da ein Prozess ohne die Aussage dieses Mannes aber von vornherein nicht erfolgversprechend sei, habe man das Hauptverfahren nicht eröffnet.

© SZ vom 30.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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