Bayerns Gesundheitsminister:Stör-Söder auf Sendung

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Die größtmögliche Nervensäge: Bayerns Gesundheitsminister hat es geschafft, sich in fünf Monaten Schwarz-Gelb zu dem Mann zu machen, gegen den sich alle in Berlin vereinen.

G. Bohsem und K. Stroh

Söder! Schon wieder Söder! In Berlin ist Wolfgang Zöller als ruhiger Vertreter unter den CSU-Abgeordneten bekannt. Der Patientenbeauftragte der Bundesregierung singt gerne und mag es gemütlich. Doch wenn die Sprache auf seinen Parteifreund Markus Söder kommt, verliert Zöller dieser Tage leicht die Contenance. "Ich habe die Schnauze voll", schimpfte Zöller am Montagabend in der Sitzung der CSU-Landesgruppe in Berlin.

Bayerns Umwelt- und Gesundheitsminister Markus Söder hat es geschafft, sich in den fünf Monaten der schwarz-gelben Bundesregierung zu dem Mann zu machen, gegen den sich alle in Berlin vereinen. Er nervt Zöller, er nervt CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich, er nervt Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP), er nervt sogar Bundeskanzlerin Angela Merkel. Er hat sich zur größtmöglichen Nervensäge der Koalition entwickelt, zum Stör-Söder.

Am Montag ist Söder wieder einmal vorgeprescht, diesmal mit einem Konzept, wie die Krankenkassen künftig zu finanzieren seien, und zwar abhängig vom Einkommen.

Ein konkreter Gegenentwurf zur von der FDP gewünschten Kopfpauschale - mit der Folge: wieder einmal Ärger in Berlin. CSU-Chef und Ministerpräsident Horst Seehofer hat Söder zum institutionalisierten Gegenspieler der Bundesgesundheitsminister erkoren - erst der roten Ulla Schmidt, jetzt des liberalen Rösler.

Söder genießt diese Rolle, sie verspricht ihm bundesweit Aufmerksamkeit. Welcher CSUler außer ihm, das fragt er gerne, werde denn in die großen Fernseh-Talkshows geladen? Er muss nur laut genug Krawall schlagen.

Und sei es auf Kosten der eigenen Leute in Berlin. Vor drei Wochen entlud sich schon einmal der Ärger der CSU-Bundestagsabgeordneten über die permanenten "Störfeuer" aus München. Da lasen sie in der Bild am Sonntag, wie Söder die Arbeit der Regierungskommission zur Finanzierung des Gesundheitssystems für praktisch erledigt erklärte, als die nicht mal zu arbeiten begonnen hatte.

Nun wieder: Söders Konzept steht am Montag in der Zeitung, die anderen wussten nichts davon. "Kasperletheater" nennt Zöller das. Dabei hat die CSU eine eigene Kommission zur Gesundheitspolitik gebildet, Söder sitzt ihr vor. Eingebunden war sie nicht in den Vorstoß. Weil er nur altbekannte CSU-Positionen wiederhole, rechtfertigt sich Söder. "Das ist ein Söder-Papier, kein CSU-Papier", giftet hingegen Max Straubinger, der für die Gesundheitspolitik zuständige Vize der Landesgruppe. Deren Chef Friedrich ist am Dienstag bemüht, den Konflikt kleinzureden, sagt aber auch: "Den Kommunikationsprozess finde ich suboptimal."

"Harmloses Leichtgewicht" gegen "destruktiven Rüpel"In Berlin hat Söder seinen Punkt längst klargemacht. Wie Seehofer auch hält er gar nichts von einem zentralen Projekt dieser Regierung, den Einstieg in die Kopfpauschale. Bei diesem System würde der Hilfsarbeiter den gleichen Beitrag zahlen wie der Gruppenleiter, der Unterschied würde durch Steuerzuschüsse ausgeglichen. Diesen Ansatz verfolgt Bundesgesundheitsminister Rösler - und genau diesen Plan will Söder vereiteln. Er sieht die übergroße Mehrheit der Bevölkerung hinter sich.

"Rösler" und "Söder" - die Namen sind nicht ganz ein Anagramm, und wenn man so will, gibt es nicht mal an dieser Stelle etwas, was die beiden verbindet. Seit den Koalitionsverhandlungen verbindet sie jedoch abgrundtiefe gegenseitige Geringschätzung. Während Söder den Liberalen als harmloses Leichtgewicht wahrnahm, erkannte Röser im CSU-Mann Söder einen destruktiven Rüpel. Beide bescheinigten dem anderen, keine Ahnung von Gesundheitspolitik zu haben. Das war damals noch völlig egal. Keiner von ihnen ahnte, dass Rösler Gesundheitsminister werden würde. Jetzt müssen sie zusammenarbeiten.

Damals im Oktober, bei den Koalitionsverhandlungen, traten Rösler und Ursula von der Leyen (CDU) vor die Kameras. Sie gaben ihre Statements und rieten den Journalisten dann zu gehen. Keiner aus der Verhandlungsgruppe Gesundheit werde noch etwas sagen. Das stünde nur ihnen beiden zu. Sie waren keine zwei Minuten weg, als Söder vor die Kameras trat und doch noch etwas sagte.

Dieses Schauspiel führten die drei an allen Verhandlungstagen auf. Als die Regierung gebildet war und die Stänkereien nicht nachließen, nahm man das im Gesundheitsministerium noch auf die leichte Schulter. "Ach, der Söder", hieß es da verächtlich. Im Laufe der Wochen reagierte Rösler zunehmend genervt auf das Störfeuer aus dem Süden. Söder bot ein Gespräch an. Röslers Haus wies ihm einen Termin Mitte Mai an.

Ziel Aufmerksamkeit: erreicht

Erneut fühlte Söder sich nicht ernstgenommen und sprach das an - in der Talkshow "Maybrit Illner". Daraufhin zog man den Termin vor, auf vergangenen Montag. Nach Röslers Willen sollte das Treffen diskret verlaufen, nach Söders Willen nicht. Und so verkündete er die Eckpunkte der CSU-Position zur Gesundheitsreform vor dem Treffen in der Süddeutschen Zeitung.

Ging es ihm um die Aufmerksamkeit, so hatte Söder sein Ziel erreicht. Aus dem diskreten Fachgespräch zweier Amtskollegen wurde ein weiterer Koalitionskrisengipfel zum Thema Gesundheit. Punkt 14 Uhr standen zahlreiche Kamerateams vor Röslers Ministerium.

Zumindest hält Söder Rösler für satisfaktionsfähig, nicht die Herren Zöller oder Straubinger, die sich regelmäßig über ihn beschweren. Sie sind auch für Söders Erfolg oder Misserfolg nicht entscheidend. Das ist allein Seehofer selbst. Und der kritisiert die Kopfpauschale mindestens so scharf wie sein Minister. Zufrieden registrierten Söders Kritiker, dass Seehofer tags zuvor davon gesprochen hatte, die Regierungskommission solle nun in Ruhe arbeiten können - "ohne öffentliche Begleitung". Doch zugleich machte er sich Söders Konzept voll zu eigen.

© SZ vom 24.03.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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