Wirtschaft:Bayern hilft den Autobauern

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BMW-Mitarbeiter beladen im Werk im niederbayerischen Dingolfing ein Förderband. (Foto: Günter Schiffmann/Bloomberg)

In einer gemeinsamen Erklärung bekennen sich Politik, Industrie, Verbände und Gewerkschaft zu Maßnahmen, die der kriselnden Branche helfen sollen. Doch der nächste Streit kündigt sich schon an.

Von Maximilian Gerl, München

Vor der Tür der Akademie der Wissenschaften in München parkt, worüber dahinter auch beratschlagt wird: Pkw und SUV bayerischer Hersteller. Auf dem weiteren Weg können Besucher eine Warnung entdecken. In einem Vorsaal kommen sie an einem gewaltigen Holzschrank vorbei, vollgesteckt mit geodätischen Instrumenten. Einst repräsentierten sie den Stand der Technik, heute sind sie von historischem Wert. Hübsch anzuschauen. Doch die Zeit ist eben vorüber gezogen.

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Die Sorge ist groß, dass auch der Automobilbau in seiner heutigen Form ein Fall fürs Museum werden könnte. Bayerns Leitindustrie steht unter Druck. Wie man diesem begegnen könnte, ist am Montag Gegenstand von Beratungen, zu denen die Staatsregierung Vertreter der Wirtschaft eingeladen hat. Sie münden in einer "gemeinsamen Erklärung zum Zukunftsforum Automobil". Zusätzliche 225 Millionen Euro will demnach der Freistaat bereitstellen, um die kriselnde Branche zu unterstützen. Industrie und Gewerkschaft bekennen sich im Gegenzug dazu, den Herausforderungen "im Schulterschluss" zu begegnen. Entsprechend euphorisch äußern sich manche Beteiligte. "Bayern will Autoland bleiben", sagt etwa Ministerpräsident Markus Söder (CSU): Das sichere den Wohlstand des Landes. Von einem "guten Tag für den Automobilstandort" spricht Wolfram Hatz, Präsident der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (VBW) sowie der Arbeitgeberverbände der Metall- und Elektroindustrie. Und BMW-Vorstandsvorsitzender Oliver Zipse lobt "das breite Fundament": "Das gefällt uns sehr."

Tatsächlich spiegelt die Erklärung ein Bündnis wider. Gleich vier der insgesamt 16 Seiten der Erklärung sind Unterschriften vorbehalten: den Vertretern von Staatsregierung, Tarifpartnern und Arbeitsagentur, von Herstellern, Zulieferern und Verbänden. Man darf dies als Bekenntnis verstehen, gemeinsam die Krise meistern zu wollen. Seit Februar hatten Arbeitsgruppen dazu beraten. Denn Bayern braucht das Auto. 30 Prozent der industriellen Wertschöpfung und 60 Prozent der Beschäftigten hingen daran, rechnet Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) vor. Als eine Herausforderung gilt der Wandel weg vom Verbrenner hin zu alternativen Antrieben, weitere sind internationale Handelskrisen, Digitalisierungsprozesse sowie die anhaltende Dieseldebatte. Allein bei den Zulieferern stehen laut Wirtschaftsforschungsinstitut Ifo bis zu 55 000 Arbeitsplätze wegen der zunehmenden "Elektrifizierung der Antriebe" auf dem Spiel. Einige wie Schaeffler oder Continental haben bereits Stellenabbau und Werksschließungen angekündigt. Generell nimmt Kurzarbeit zu und Zeitarbeit ab, in Kombination ein Zeichen sinkender Nachfrage. Zusätzlich kompliziert macht die Lage, dass die Autobauer verschiedene Antriebs- und Automodelle vorhalten müssen, um weltweit unterschiedliche Kundenwünsche bedienen zu können.

Helfen soll zunächst mehr Geld. Insgesamt umfasst das Paket neue und alte Maßnahmen in Höhe von rund 300 Millionen Euro. So sollen 50 Millionen Euro für neue Mobilitätslösungen bereitgestellt werden, also unter anderem den Bau neuer Ladesäulen vorantreiben. 115 Millionen sind für die Technologieförderung und damit die Forschung reserviert. Weitere 77,7 Millionen Euro gehen in Weiterbildung. Vor allem die Beschäftigten kleiner und mittlerer Unternehmen sollen hier profitieren. Die Mittel werden schon an diesem Dienstag in den Nachtragshaushalt einfließen. Der Förderzeitraum gilt über fünf Jahre.

Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Mitte) und Ministerpräsident Markus Söder trafen sich in München mit Vertretern der Autobranche. (Foto: imago)

Vielleicht wichtiger als der monetäre ist der psychologische Effekt. Viele Beteiligte scheinen sich nun einen Ruck für die Branche zu erhoffen. Der Gewerkschaftschef der IG Metall in Bayern etwa, Johann Horn, nennt die Erklärung ein klares Signal "pro Auto" und "pro Beschäftigung". Auch Hatz sieht in der Vereinbarung ein positives Zeichen. Das Paket werde die Unternehmen "im laufenden und bevorstehenden Wandel" wirkungsvoll unterstützen. Söder wünscht sich für die Zukunft mehr "Spirit" und weniger "Dämmerschlaf". Die Erklärung sei erst als Anfang, gar als "Blaupause für Deutschland" gedacht. Allerdings hat Baden-Württemberg schon 2017 ein ähnliches Format ausgerufen, den "Strategiedialog Automobilwirtschaft".

Alle Beteiligten wollen das bayerische Zukunftsforum fortsetzen. Doch bei manchen Themen droht Streit, etwa bei der Weiterbildung. Im Kern besteht die in der Erklärung genannte "Qualifizierungsoffensive" aus Maßnahmen, die Anfang November mit der High-Tech-Agenda verabschiedet wurden. In ihrem Rahmen sollen 50 000 Menschen von Weiterbildungsprogrammen profitieren. Diese Idee wiederum ist als eine Fortentwicklung des "Pakts für berufliche Weiterbildung" zwischen Staatsregierung, VBW und Arbeitsagentur zu sehen, einer Übereinkunft aus dem Sommer 2018. Auch die Forderung der Industrie nach mehr "Flexibilität in den Betrieben" ist angesichts der wirtschaftlichen Lage nachvollziehbar, aber für Gewerkschafter in der Regel ein rotes Tuch.

So ist es an IG Metall-Chef Horn, sich am Montag vergleichsweise wenig euphorisiert zu zeigen. In der Pressekonferenz deutet er "zähe Verhandlungen" an. In einer Mitteilung, die ein Mitarbeiter gleichzeitig im Saal verteilt, wird Horn noch deutlicher: Das Zukunftsforum Automobil bewerte er als "durchwachsen", insbesondere der Aspekt der Qualifizierung komme in der Vereinbarung zu kurz. Stattdessen seien größtenteils bereits bestehende Förderungen zusammengefasst worden. Es müsse sich noch zeigen, ob daraus "echte Lösungen für die Beschäftigten erwachsen" - oder ob das Zukunftsforum "nur Symbolpolitik ist".

© SZ vom 26.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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