Schwandorf:Perfekte Kulisse im Felsenkellerlabyrinth

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Das Felsenlabyrinth unter der Stadt Schwandorf, das heute 60 Kellerräume umfasst, ist etwa einen Kilometer lang und stellenweise bis zu drei Stockwerke tief. (Foto: Peter Hofmann/oh)

Die unterirdischen Gänge werden von November an Drehort für einen düsteren Film aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Dafür soll das 500 Jahre alte Gewölbe geflutet werden.

Von Helena Ott, Schwandorf

Das Licht ist gedämpft, die Atmosphäre schummrig, es hat gerade einmal acht Grad: der perfekte Ort für ein Drama. Und das soll sich dort auch abspielen. Denn die 130 Keller, die unter der Stadt Schwandorf liegen, werden von November an Drehort für einen düsteren Film aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Dabei hat die Geschichte dieses bis zu dreistöckigen unterirdischen Felsenlabyrinths gar nichts Dramatisches: Entstanden sind die Keller im Sandsteinfels um das Jahr 1500, dort wurde Bier gebraut und gelagert, urkundlich erwähnt sind sie erstmals 1521. Mit Hammer und Pickel schlugen gut 400 Jahre später drei jugendliche Diebe Löcher in die Felswände und Trennmauern. Durch ihre Beutezüge wurden 60 der 130 Keller zu einem riesigen Untergrund-Labyrinth verbunden.

Für die deutsch-israelische Kinoproduktion im November sollen die Felsenkeller von der Schwandorfer Feuerwehr geflutet werden. Eine heikle Angelegenheit, könnte man meinen, denn die Keller stehen unter Denkmalschutz. Doch der Leiter des örtlichen Touristenbüros, Johannes Lohrer, wiegelt ab: "Wir hatten hier unten schon einmal Wasser, bei einer anderen Filmproduktion, und der Stein hat es gut vertragen", sagt er. Zudem sei der Fels härter als gewöhnlicher Sandstein. "Es handelt sich um Eisensandstein, dessen Härte grenzt teilweise an Granit", sagt Karin Mager, der Ausbau der Keller sei eine "echte Schinderei" gewesen. Mager ist gebürtige Schwandorferin und führt seit sechs Jahren Touristen durch das Labyrinth. Mit kleinen Gruppen läuft die 55-Jährige durch das fast ein Kilometer lange Kellernetz. Sie erzählt dabei vom Handwerk der Kommunbrauer, welche die Keller bis Ende des 19. Jahrhunderts für die Gärung und Lagerung nutzen.

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Bald müssen die Besucher für ein paar Tage draußen bleiben. Dann werden die Keller von Kameraleuten, Tonmännern und Darstellern bevölkert. Die Hauptrolle spielt der deutsche Schauspieler August Diehl, unter anderem bekannt aus "Inglourious Basterds" von Quentin Trentino. Diehl verkörpert den jüdischen Partisanen Abba Kovner, dessen Geschichte auf wahren Begebenheiten basiert. Nach dem Zweiten Weltkrieg rekrutiert Kovner eine Gruppe von Mitkämpfern, er will Rache nehmen für die Gräueltaten des Naziregimes. Millionen Deutsche, so der Plan, sollen an vergiftetem Trinkwasser sterben. Kovner bunkert große Mengen Arsen und macht sich auf den Weg Richtung Deutschland.

Diesen Stoff wollen die Filmemacher einer Berliner Produktionsfirma nun unter anderem im Schwandorfer Felsenkeller drehen. Bei der Inspektion sei das deutsch-israelische Filmteam begeistert gewesen von dem geheimnisvollen Gewölbe, sagt Tourismusbüroleiter Lohrer.

Unheimlich waren die Keller den Schwandorfern schon zu Zeiten der "Kellerdiebe" in den 1930er-Jahren. "Die drei Jugendlichen waren lokale Insider in den Gewölben", sagt Karin Mager. Sie schlugen sich durch den blanken Fels und gemauerte Abtrennungen. Das Licht war knapp dort unten, und so konnten sie sich bestens versteckt halten. Sie stahlen Kaffee, Spirituosen und Kramerwaren von örtlichen Händlern. Ihre illegalen Bergbauarbeiten verursachten einen solchen Lärm, dass er bis in viele Schwandorfer Häuser zu hören war. Bis die drei im Alter zwischen 15 und 17 Jahren 1932 geschnappt werden konnten, verbreitete sich die Mär, dass "Klopfgeister" in den Felsenkellern ihr Unwesen trieben. Aus Angst vor ihnen hatten sich die Kellerbesitzer wochenlang nicht mehr in ihre Lagerräume getraut - ein willkommenes Schauermärchen für die Diebe.

Auch nach dem Zweiten Weltkrieg waren die Keller lange ein "Tabuthema", sagt Mager. Zu traumatisch waren die Erinnerungen an die Tage, an denen sich die Schwandorfer dort unten vor Bombenangriffen verschanzten. In der Nacht vom 17. April 1945 retteten sich dort 6000 Menschen vor dem Angriff eines britisch-kanadischen Geschwaders. Als die Felsenkeller zum Denkmal hergerichtet werden sollten, mussten sie zunächst von tonnenweise Bauschutt und Müll befreit werden.

Fremdenführerin Mager ist fasziniert davon, wie die Keller vor 500 Jahren mit "echter Manpower aus dem Stein herausgeschlagen" wurden. Mit den Führungen, die sie neben ihrem Job bei der Agentur für Arbeit gibt, erfüllt sie sich auch einen Jugendtraum. Nach der Schule wollte die Schwandorferin Geschichte studieren. Aber der Vater starb früh, die Familie hatte vier Kinder, und so musste die junge Frau eine Ausbildung machen. Ihr "Faible" für Historisches blieb bestehen.

© SZ vom 23.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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