Natur in Bayern:Ein Parasit bedroht das bayerische Rotwild

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Hirsche sind die imposanteste Wildtierart in Bayern. Im Bayerischen Wald droht ihnen jetzt Gefahr durch den Leberegel. (Foto: imago)

Der Große Amerikanische Leberegel befällt vor allem Hirsche, Hirschkühe und deren Kälber. Vor vier Jahren ist er erstmals im Bayerischen Wald nachgewiesen worden. Inzwischen hat er dort ein Fünftel der Population infiziert.

Von Christian Sebald

Das Rotwild ist Bayerns imposanteste Wildtierart. Und zwar nicht nur, weil das männliche Rotwild, der Hirsch also, ein oft prächtiges Geweih trägt. Sondern auch wegen der schieren Körpergröße. Die Schulterhöhe eines ausgewachsenen Hirschen beträgt durchaus eineinhalb Meter, er kann bis zu fünf Zentner schwer werden. Und dann ist da natürlich die Hirschbrunft mit dem legendären Röhren. Laut der Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF) leben ungefähr 30 000 Hirsche, Hirschkühe und Hirschkälber in Bayern. Im zurückliegenden Jagdjahr wurden ungefähr 13 700 Stück erlegt.

Im Bayerischen Wald und im angrenzenden Böhmerwald, einem traditionellen Rotwild-Lebensraum, macht den Hirschen jetzt der Große Amerikanische Leberegel zu schaffen. Der Parasit, der im Lauf des frühen 20. Jahrhunderts durch den Import amerikanischer Hirsche nach Europa eingeschleppt wurde, wurde dort erstmals 2019 nachgewiesen. Inzwischen hat sich auf bayerischer Seite ein Fünftel der Hirschpopulation infiziert, auf tschechischer Seite ist es sogar mehr als ein Viertel. Das hat jetzt eine Studie der LWF in Kooperation mit den Nationalparks Bayerischer Wald und Šumava sowie regionalen Forstbetrieben gezeigt.

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"Dieser hohe Befall hat uns überrascht", sagt Marco Heurich, Leiter des Besuchermanagements und Nationalparkmonitorings am Nationalpark Bayerischer Wald und Professor für Wildtierökologie und Naturschutzbiologie an der Uni Freiburg. "Damit hatten wir nicht gerechnet." Der Große Amerikanische Leberegel oder Fascioloides magna ist ein Saugwurm, der bis zu zehn Zentimeter lang werden kann. Damit ist der Parasit etwa doppelt so groß wie der heimische Große Leberegel, der hauptsächlich Rinder und Schafe befällt. Ansonsten ähneln sich die beiden Leberegelarten sehr. Die Wirtstiere infizieren sich damit beim Fressen von Gras und anderen anderen Pflanzen mit den Larven. Die Saugwürmer schädigen die inneren Organe ihrer Endwirte, vor allem die Leber.

Rotwild steckt den Befall freilich eher gut weg. "Was die Bewegungsmuster, die Gewichte und die Darmflora anbelangt, haben wir bei unseren Forschungen keine großen Unterschiede zwischen befallenen und gesunden Hirschen festgestellt", sagt Heurich. "Allerdings können stark befallene Hirsche durchaus beeinträchtigt sein." Von Rehen weiß man, dass schon eine mäßige Infektion tödlich verlaufen kann. Allerdings ist die Verbreitung unter Rehen im Bayerischen Wald offenbar gering, zumindest bisher. Im Rahmen der Studie wurden auch 150 Rehe untersucht, nur eines davon war befallen. Und von den 500 Wildschweinen, deren Lebern ebenfalls für die Forschungen begutachtet wurden, hatte kein einziges den Parasiten in sich.

Zwischenwirte ins Visier

Die Studie nahm sich aber nicht nur auf das Rotwild und andere Endwirte des Parasiten vor. Sondern auch zwei besondere Wasserschneckenarten in der Region. Sie sind nämlich wichtige Zwischenwirte für den Großen Amerikanischen Leberegel, in ihnen vermehren sich die Larven des Parasiten. "Diese Zwischenwirte können durchaus ein wichtiger Faktor für die künftige Ausbreitung des Leberegels sein", sagt Heurich. Unter den bisherigen klimatischen Verhältnissen im Bayerischen Wald kamen die beiden Wasserschneckenarten nämlich nur in den Tallagen des Bayerwalds vor. Mit der Klimaerwärmung breiten sie sich nun auch in die höheren und hohen Lagen aus - wo das Rotwild vor allem lebt. Damit steigt das Infektionsrisiko.

Auch die sogenannten Wintergatter spielen laut Heurich ein Rolle für die Ausbreitung des Parasiten. Das sind weitläufige, eingezäunte Waldstücke, in denen das Rotwild in großer Zahl über den Winter gefüttert wird, damit es im übrigen Wald keine Fraßschäden anrichtet. "Sie stellen potenzielle Infektionshotspots dar, weil infizierte Tiere hier über den ganzen Winter auf enger Fläche Parasiteneier ausscheiden", sagt Heurich. Die Eier können die kalte Jahreszeit überdauern, im Frühjahr entwickeln sich in ihnen die Larven der Parasiten, die dann über den Zwischenwirt Wasserschnecken an den Fütterungen gesundes Hirschwild anstecken kann. Deshalb empfiehlt Heurich, Wintergatter im Sommer unbedingt zu schließen.

Und wie sieht es mit der Ausbreitung des Großen Amerikanischen Leberegels im übrigen Bayern aus? Bisher weiß man nur, dass er auch in der oberpfälzisch-oberfränkischen Grenzgebiet vorkommt, im Veldensteiner Forst zum Beispiel. Ansonsten dürfte Bayern noch weitgehend frei von dem Parasiten sein. Und womöglich noch länger weitgehend frei bleiben, wie Heurich sagt. Denn Rotwild kommt in Bayern in der Hauptsache nur in sogenannten Rotwildgebieten vor. Sie erstrecken sich auf die weitläufigen Wälder und Mittelgebirge im Freistaat und die bayerischen Alpen. In den Regionen dazwischen lebt kein oder kaum Rotwild. Das beugt der schnellen flächendeckenden Ausbreitung des Parasiten vor.

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