Naturschutz:Rechtsstreit um Gamsabschüsse

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Gämsen gibt es auch im Nationalpark Berchtesgaden - manchen sind es sogar zu viele, andere wollen sie noch besser geschützt sehen. (Foto: mauritius images)

Eine Wildbiologin will in Auseinandersetzung mit dem Chef des Nationalparks Berchtesgaden bis vor den Bundesgerichtshof ziehen. In der Wald- und Jagdszene in Bayern wird die Sache aufmerksam beobachtet.

Von Christian Sebald, Berchtesgaden

Zuallererst ist es eine große Genugtuung für Roland Baier, den Chef des Nationalparks Berchtesgaden. Der Verein "Wildes Bayern" mit seiner Vorsitzenden Christine Miller hat seine Berufung gegen einen Spruch des Landgerichts Traunstein zurückgezogen. Die Traunsteiner Richter hatten dem Verein in einem einstweiligen Verfügungsverfahren zwei Aussagen verboten. Sie lauten: "Nationalpark erlegt in der Schonzeit Gämsen (...)" und "Der Nationalpark Berchtesgaden erlegt nicht nur fleißig Gams (...), er erlegt sie auch noch am liebsten während der Schonzeit". Miller, die beide Aussagen in einem Blog auf der Vereinshomepage geäußert hatte, hatte gegen das Verbot vor dem Oberlandesgericht (OLG) München Berufung eingelegt. Nach intensiver Prüfung beabsichtigten die dortigen Richter, die Berufung abzuweisen und teilten dies Miller mit. Darauf zog der Verein "Wildes Bayern" die Berufung zurück.

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Der Streit ist aber nicht ausgestanden. Miller strebt ein neues Gerichtsverfahren über ihre Aussagen an, in dem "alle Argumente vertieft ausgetauscht" werden, wie sie sagt. Außerdem geht sie davon aus, dass "sich auch der Bundesgerichtshof mit dieser Sache befassen wird". Für die aktuelle Rücknahme der Berufung nennt sie Kostengründe. "Eine abwegige Entscheidung des OLG München nach einer mündlichen Verhandlung hätte nur weitere Kosten verursacht", sagt sie. Die Richter am OLG waren einstimmig der Auffassung, dass die Berufung keine Aussicht auf Erfolg gehabt hätte, sie folgten der Entscheidung der Traunsteiner Richter.

Junge Tannen und Buchen sind Leckerbissen

So abseitig sich die Sache anhören mag, in der Wald- und Jagdszene in Bayern, aber auch in den einschlägigen Verwaltungen und Ministerien wird sie aufmerksam beobachtet. Denn in dem Streit geht es ja nicht nur um kernige Formulierungen einer streitbaren Wildtierbiologin über einen Nationalparkchef. Sondern es geht ganz grundsätzlich um den Umgang mit der Gams in Bayern und damit um den Bergwald und dessen natürliches Nachwachsen. Die Triebe vor allem der jungen Tannen und Buchen sind Leckerbissen für Gämsen und andere Wildtiere. Gerade im nahrungsarmen Winter richten die Tiere große Schäden in den Bergwäldern an. Der Verein "Wildes Bayern" und seine Vorsitzende Miller verstehen sich als Anwalt der Gämsen. Aus ihrer Sicht werden vor allem in den staatlichen Wäldern aus falsch verstandenem Waldschutz viel zu viele Gämsen geschossen.

Ein besonderes Ärgernis für Miller ist die sogenannte Aufhebung der Schonzeit. Grundsätzlich dürfen Gämsen nur zwischen 1. August und 15. Dezember gejagt werden, die übrige Zeit des Jahres herrscht Schonzeit, also Jagdruhe. In einigen besonders empfindlichen Wäldern ist das anders. Um diese Wälder vor Fressschäden durch Gämsen zu bewahren, dürfen die Tiere dort auch außerhalb der Schonzeit gejagt werden. Die Regelung gilt für knapp zehn Prozent der Bergwälder in Bayern, darunter sind auch einige wenige Flächen im Norden des Nationalparks Berchtesgaden.

Die Aussagen sind schlicht falsch

Die Jagd auf Gämsen in einem Waldstück, in dem die Schonzeit aufgehoben ist, ist aber etwas komplett anderes als eine Jagd in der Schonzeit. Erstere ist legal und im Jagdgesetz vorgesehen. Letztere ist verboten und illegal. Mit ihren Aussagen hat Miller deshalb nach Überzeugung des Nationalpark-Chefs Baier die Unwahrheit über die Jagdpraxis in dem Schutzgebiet gesagt und ihm als dessen obersten Verantwortlichen einen gravierenden Gesetzesverstoß vorgeworfen - ohne einen Grund dafür zu haben. Deshalb klagte Baier gegen Miller. Die Traunsteiner Richter gaben dem Nationalpark-Chef recht, das OLG München teilt die Überzeugung des Landgerichts.

Der Grund für das Verbot der Aussagen ist dabei nicht, dass Miller in ihrem Blog den Nationalpark kritisiert. Kritik, das haben die Gerichte in den beiden Instanzen des einstweiligen Verfügungsverfahrens ausdrücklich erklärt, muss sich der Nationalpark-Chef gefallen lassen. Der Grund für das Verbot der Aussagen ist vielmehr, dass sie falsch und deshalb eine schwere Verletzung von Baiers Persönlichkeitsrechten sind. Miller erwecke den Eindruck, dass Baier als oberster Verantwortlicher für den Nationalpark und damit für die Jagd dort gegen gesetzliche Vorschriften verstoße und gesetzwidrige Maßnahmen anordne. Das sei nicht der Fall, deshalb müsse Baier die Aussagen nicht hinnehmen.

Miller akzeptiert diese Argumentation nicht. "Wir sind nach wie vor überzeugt, dass der Leiter des Nationalparks Berchtesgaden durch unseren Bericht nicht persönlich betroffen ist", sagte sie. "Deswegen kann er gegen die Veröffentlichung auch nicht im eigenem Namen vorgehen." Sie äußerte sich zuversichtlich, mit ihrer Überzeugung in dem neuen Verfahren erfolgreich zu sein. Nationalpark-Chef Baier äußerte sich nicht.

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