Klimakrise:Das Leiden der Laubbäume

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Hoffnungsträger: Die Eiche gilt als der Laubbaum, der mit der Klimakrise und ihren Folgen vergleichsweise gut zurechtkommt. (Foto: Volker Rauch/Imago)

Der Hitzesommer hat Buche, Birke, Linde und Ahorn sehr geschadet. Nur die Eiche trotzt der Trockenheit. Wie es zum Herbstbeginn um die bayerischen Wälder steht.

Von Christian Sebald, München

Der Sommer war sehr hart für Barbara Ernwein und ihre Förster. "Seit Anfang März hat es kaum geregnet", sagt die Chefin des Staatsforstbetriebs Ebrach. "Ab Juli waren die Böden hier bei uns im Steigerwald so vertrocknet, dass den Buchen das Wasser gefehlt hat." Und dann die Hitze. Der August war im Steigerwald vier Grad heißer als im langjährigen Mittel. Die Folgen für die weitläufigen Laubwälder waren dramatisch: Ab Mitte Juli haben sich die Blätter der Buchen vorzeitig herbstlich verfärbt und sind kurz darauf abgefallen.

"Das ging quer durch alle Altersklassen", berichtet Ernwein, "junge Buchen sind genauso betroffen wie mittelalte und die uralten in den Naturwaldreservaten." Das ist insofern erstaunlich, als die Förster vor gar nicht langer Zeit davon ausgegangen sind, dass gerade Buchen mit Hitze und Trockenheit und damit mit der Klimakrise gut zurechtkommen.

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Den anderen Regionen in Franken, dem Spessart zum Beispiel, ist es nicht besser ergangen. Auch in Oberbayern, wo auch dieses Jahr deutlich mehr Regen gefallen ist als im Norden des Freistaats, sieht man allenthalben an den Straßenrändern und in den Wäldern Buchen, Birken, Linden, Ahorne und andere Laubbäume, deren Blattwerk schon seit Wochen wie im Herbst gelb-rötlich gefärbt und völlig vertrocknet an den Ästen hängt. Die Phänomene sind die gleichen wie in den Trockenjahren 2003, 2015 und 2018 bis 2020. Mancherorts haben die Bäume ihre Blätter sogar grün abgeworfen.

"Die Trockenheit kam dieses Jahr zu schnell und zu heftig"

"Die Trockenheit kam dieses Jahr zu schnell und zu heftig", sagt Lothar Zimmermann von der Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF). Das sofortige Abwerfen des Laubs sei offenbar die einzige Möglichkeit für viele Bäume gewesen, die Verdunstung zu stoppen und nicht komplett zu vertrocknen. Dabei hätten sie nicht einmal mehr die Zeit gehabt, Nähr- und wertvolle Mineralstoffe aus den Blättern zurückzuziehen.

Letzteres hat Konsequenzen weit über den zurückliegenden Hitzesommer hinaus. "Wenn der Rückzug von Nährstoffen und Mineralien nicht vollständig ablaufen kann, fehlen sie dem Baum im folgenden Jahr", sagt Zimmermann. Besonders betroffen sind Phosphor und Kalium, Stickstoff und Magnesium, die in normalen Jahren in der Rinde und den Wurzeln eingelagert werden. Die Laubstreu der vorzeitig abgefallenen Blätter wird zwar im Lauf der Jahre am Boden zersetzt, die Nährstoffe darin können von den Wurzeln der Bäume wieder aufgenommen werden. "Aber das bedeutet eine Kraftanstrengung für die Bäume", sagt Zimmermann.

Eichen profitieren von ihren tief reichenden Pfahlwurzeln

Das vorzeitige Abwerfen der Blätter schmälert außerdem die Energiereserven der Bäume. "Weniger Blätter bedeutet eine geringere Leistung bei der Photosynthese", sagt Zimmermann. "Und das heißt weniger Energie und Wachstum." Untersuchungen der LWF haben gezeigt, dass sich das Baumwachstum in den zurückliegenden Hitzejahren in den bayerischen Trockenregionen deutlich verlangsamt hat. "Die Schutzfunktion der Laubbäume gegen das akute Verdursten führt also zu ihrem Hungern in den Folgejahren", sagt Zimmermann.

Die bisher einzige heimische Laubbaumart, die vergleichsweise resistent ist gegen all diese Phänomene, ist die Eiche. Zimmermann und andere Wissenschaftler prognostizieren ihr denn auch eine deutlich größere Stabilität in der Klimakrise als den Buchen.

Forstbetriebschefin Ernwein beobachtet ebenfalls, dass die Eichen im Steigerwald mit dem aktuellen Hitzesommer besser zurechtkommen als die Buchen. "Sie profitieren von ihren starken und tief reichenden Pfahlwurzeln", sagt sie. "Damit erreichen sie tief liegende Bodenschichten, die sehr viel länger Wasser führen, an die Buchen aber nicht mehr herankommen." Ernwein und ihre Förster pflegen und fördern die Eichen im Steigerwald denn auch sehr. Aber auch die Buchen werden sie auf keinen Fall aufgeben. "Denn die jungen Buchen, die jetzt nachwachsen, sind von klein an Hitze und Trockenheit gewöhnt", sagt sie. "Sie werden dagegen deutlich resistenter sein als ihre Vorgänger."

Die Schwarzkiefer ist mediterranes Klima gewohnt. Doch in Bayern sind die Bäume, die um das Jahr 1880 im Landkreis Würzburg gepflanzt wurden, zum größten Teil geschädigt. Schuld daran ist ein Pilz. (Foto: Heiko Becker/dpa)

Womöglich kommt es aber auch anders. Denn die immer stärkeren Trocken- und Hitzeperioden setzen inzwischen sogar Baumarten zu, die nach wie vor den Ruf haben, der Klimakrise zu widerstehen. Der Schwarzkiefer zum Beispiel, die von Ostspanien über Südfrankreich, weite Teile Mittel- und Süditaliens, des Balkans bis in die westliche Türkei verbreitet ist. Der nördlichste natürliche Schwarzkiefernwald steht im österreichischen Wienerwald. Die Schwarzkiefer gilt eigentlich als Hoffnungsträger für die hiesigen Wälder. Nun sind in Bayerns größtem Schwarzkiefernwald bei Erlabrunn (Landkreis Würzburg) drei Viertel der Bäume beschädigt oder abgestorben. Die Bäume sind um 1880 von Menschenhand gepflanzt worden. Der Grund für ihr jetziges Absterben ist ein Pilz, der bei Trockenheit besonders gut gedeiht. "Die Situation versetzt mich in größte Sorge", sagt Förster Wolfgang Fricker.

Fricker will den Erlabrunner Schwarzkiefernwald eigentlich zu einem Mischwald umbauen. Entsprechende Versuche waren bisher aber oft nicht erfolgreich. Außerdem gefällt die Idee nicht allen Einheimischen. Der Schwarzkiefernwald verströmt mit seinem weichem Nadelboden und -geruch eine mediterrane Atmosphäre, die viele sehr mögen. Nun gibt es neue Hoffnung. Schwarzkiefer ist nicht gleich Schwarzkiefer. Experten haben herausgefunden, dass die Kalabrische Schwarzkiefer und die Korsische Schwarzkiefer besser gegen die Klimakrise gewappnet sind als die hierzulande vor allem verbreitete Österreichische Schwarzkiefer. In Unterfranken werden nun Tausende Korsische und Kalabrische Schwarzkiefern gepflanzt.

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