Flüchtlingspolitik:Security in bayerischen "Ankerzentren" kostet mehr als 100 Millionen Euro pro Jahr

Lesezeit: 2 min

Für die Sicherheitsdienste in sogenannten Ankerzentren gaben die Bezirksregierungen im vergangenen Jahr rund 111 Millionen Euro aus. (Foto: Stefan Puchner/picture alliance/dpa)

Die Bezirksregierungen rechnen mit einem Anstieg der Kosten wegen der zunehmenden Zahl an Geflüchteten sowie der Eröffnung weiterer Unterkünfte. Spitzenreiter bei den Kosten ist Oberbayern.

Bayern gibt pro Jahr mehr als 100 Millionen Euro für Sicherheitsmitarbeiter in seinen "Ankerzentren" aus. Das ergab eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur bei den sieben Bezirksregierungen des Freistaats. Demnach lagen die Kosten für Security im Jahr 2022 bei rund 111 Millionen Euro. Für das laufende Jahr rechnen die Bezirksregierungen mit einem Anstieg auf rund 128 Millionen Euro - unter anderem wegen der Eröffnung weiterer Unterkünfte für eine steigende Zahl von Geflüchteten.

Wie viel in den Regierungsbezirken für Sicherheitsdienste in "Ankerzentren" ausgegeben wird, ist vor allem von der Zahl der Standorte und der eingesetzten Mitarbeiter abhängig. Spitzenreiter bei den Kosten ist Oberbayern als größter Regierungsbezirk mit insgesamt neun Einrichtungen, rund 300 Mitarbeitern pro Tag und voraussichtlichen Kosten von etwa 42 Millionen Euro im laufenden Jahr. Dahinter folgt Schwaben mit ebenfalls neun Einrichtungen, bis zu 167 Mitarbeitern am Tag und fast 34 Millionen Euro.

Deutlich weniger geben Regierungsbezirke mit einer zentralen Einrichtung aus: Unterfranken, Oberfranken, die Oberpfalz und Niederbayern. Dort wird dieses Jahr mit Ausgaben zwischen neun und elf Millionen Euro gerechnet - unter anderem, weil nur etwa 45 bis 65 Mitarbeiter pro Tag im Einsatz sind. Ein Sonderfall ist Mittelfranken: Dort geht man von rund 10,3 Millionen Euro Kosten dieses Jahr aus - obwohl es dort neben dem Hauptstandort in Zirndorf (Landkreis Fürth) sechs weitere Einrichtungen gibt, in denen für Sicherheit gesorgt werden muss. Im Einsatz sind aber insgesamt nur bis zu 65 Mitarbeiter pro Tag.

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Viele der Unterkünfte sind seit einiger Zeit entweder am Rande ihrer Kapazitäten oder deutlich überbelegt. So waren im "Ankerzentrum" in Unterfranken Anfang November 1794 Menschen untergebracht - fast 300 mehr als die reguläre Kapazität erlaubt. In Niederbayern lebten fast 100 Menschen mehr in der Einrichtung als vorgesehen. In Oberfranken war das "Ankerzentrum" nach Angaben der Bezirksregierung voll ausgelastet, Oberbayern meldete eine Auslastung von 97 Prozent.

Obwohl die Gebäude teils so voll sind, dass zusätzlich Zelte aufgestellt werden müssen, haben die Regierungsbezirke nur wenige körperliche Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitsmitarbeitern und Bewohnern erfasst. Ausnahme ist Oberfranken mit 19 Verletzten im laufenden Jahr. So waren allein bei einer Schlägerei Mitte September sieben Menschen in der Einrichtung in Bamberg verletzt worden. Zuletzt ermittelte die Polizei zudem wegen eines versuchten Tötungsdelikts nach einem Streit zwischen zwei Bewohnern und einem Security-Mitarbeiter in Regensburg. Die beiden Männer sollen am Mittwoch mit schweren Gegenständen auf den Mann geworfen haben, sodass dieser zu Boden ging.

Das Sicherheitspersonal wird auf Zuverlässigkeit überprüft

Genaue Übersichten zu Vorfällen mit Verletzten führen aber die meisten Bezirksregierungen nicht und verweisen stattdessen auf die Polizei. Das Landeskriminalamt konnte laut einer Sprecherin jedoch keine bayernweite Auswertung für Körperverletzungen in "Ankerzentren" vornehmen. In Unterfranken monierte zuletzt aber der Bezirkschef der Deutschen Polizeigewerkschaft, Thomas Grimm, eine Überlastung der Beamten durch Einsätze in der "Anker"-Einrichtung in Schweinfurt - wegen "einer Vielzahl von Einsätzen" pro Tag.

Das Sicherheitspersonal in sämtlichen "Ankerzentren" wird nach Angaben der Bezirksregierungen von Behörden auf seine Zuverlässigkeit überprüft. In mehreren Regierungsbezirken werden die Mitarbeiter zudem zu speziellen Themen wie Deeskalation, interkulturelle Kompetenz und Umgang mit Drogenmissbrauch geschult - entweder in Regie der beauftragten Firmen oder durch die "Anker"-Einrichtungen selbst.

In "Ankerzentren" werden in Bayern neu angekommene Flüchtlinge untergebracht. Dort sollen die Arbeit des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, der Bundesagentur für Arbeit, der Jugendämter, Justiz- und Ausländerbehörden gebündelt werden. Das soll Asylverfahren und die Abschiebung derjenigen beschleunigen, die kein Bleiberecht bekommen. Um in den Einrichtungen immer wieder Platz zu schaffen, werden Menschen nach einem bestimmten Schlüssel auf die Kommunen verteilt - und entweder in Gemeinschaftsunterkünften oder dezentral in Wohnungen untergebracht.

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