Bayerisches Landesmuseum:Bayerns kollektives Gedächtnis

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Der Historiker Richard Loibl hat einen Entwurf für ein bayerisches Landesmuseum vorgelegt: 2018 soll es eröffnen - gefüllt mit allen Ikonen, die den Freistaat ausmachen.

Hans Kratzer

Das Jahr 2018 könnte für Bayern ein brillantes Datum werden, selbst wenn München die Olympischen Winterspiele nicht ausrichten darf. Immerhin feiert der Freistaat dann seinen 100.Geburtstag, und wenn alles gutgeht, wird aus diesem Anlass sogar ein Museum eröffnet, das europaweit einzigartig sein dürfte. Diese Prognose lässt sich jedenfalls aus dem Konzept erstellen, das Richard Loibl, der Direktor des Hauses der Bayerischen Geschichte, dem Kulturausschuss im Landtag präsentiert hat.

Szene aus der Fernsehserie "Kir Royal" mit Baby Schimmerlos (Franz Xaver Kroetz) und Mona (Senta Berger): Auch die Kultserie soll ihren Platz im Bayerischen Landesmuseum bekommen. (Foto: WDR)

Das neue Haus kann man sich als ein Zentrum des kollektiven bayerischen Gedächtnisses vorstellen, das seine Themen allerdings nicht auf die bisher gewohnte statische Art präsentieren wird. Vielmehr soll das Museum dem modernen Bedürfnis der Menschen nach Events entgegenkommen. Zum Beispiel wird ein Kino integriert sein, in dem die großen Streifen und Serien laufen, die Bayerns Filmindustrie in der Vergangenheit hervorgebracht hat - von der Familiensaga "Löwengrube" über die Krimiserien "Isar 1" und "München7" bis hin zu den Kultserien "Irgendwie & Sowieso", "Monaco Franze", "Kir Royal" und "Königlich Bayerisches Amtsgericht". Auch Musik und Kabarett werden eine Heimstatt erhalten, und nicht zuletzt eine Themengastronomie, in der vergessene Gerichte und regionale Spezialitäten serviert werden.

Das Zentrum des Museums soll eine sogenannte Bavariathek bilden: ein gigantisches Medienarchiv zur Geschichte und zur Kultur des Freistaats Bayern. Freistaat deshalb, weil der thematische Schwerpunkt auf der Entwicklung des modernen Bayern und auf dem Mythos Bayern mitsamt seinen Traditionslinien liegen wird. Auf Großbildflächen werden sich die Besucher je nach Interesse Material zusammenstellen können: Fotos, Plakate, Zeitungsartikel, Zeitzeugeninterviews und Filme. Schulklassen werden überdies auf unkomplizierte Weise Ausstellungen konzipieren können.

Das Konzept des Historikers Loibl sieht vor, dass die Ausstellungsfläche beweglich gehalten wird. So können beispielsweise Inhalte früherer Landesausstellungen in aktualisierter Form gezeigt werden. Nicht zuletzt soll ein Mitmach-Museum für die Bürger entstehen, die hier ihre Geschichten und Erinnerungsstücke herzeigen und vortragen können. "Wir wollen Geschichte nicht staatstragend präsentieren, sondern erzählen, was die Menschen geprägt hat und was sie bewegt haben", sagt Loibl.

Wissenschaftsminister Wolfgang Heubisch zeigte sich von dem Konzept sehr angetan. "Ein typischer Loibl", lobte er den Entwurf jenes Mannes, der sich bereits durch den Aufbau des Bayerischen Textil- und Industriemuseums in Augsburg einen guten Namen gemacht hat. Nach Loibls Plan soll das neue Museum trotz aller Innovationen dem Gedanken der Verschlankung und der Energieeffizienz folgen. "Es soll das erste Energie-autarke Museum Europas werden." Ob nun ein Neubau entsteht oder ob ein denkmalgeschützter Altbau in das Projekt einbezogen wird, steht noch nicht fest. Das wird erst nach der Wahl des Standorts entschieden, die im September erfolgen soll. 32 Städte haben bislang ihr Interesse bekundet, am 15.Juli ist der letzte Bewerbungstermin. Danach wird der Ministerrat eine Entscheidung treffen.

Als Ministerpräsident Horst Seehofer in seiner Regierungserklärung von 2009 ein Museum der Bayerischen Geschichte angekündigt hatte, herrschte selbst in den Reihen der CSU Unverständnis. Fast 1300 Museen gibt es im Freistaat, und den wenigsten geht es gut. Besucherschwund, Finanznöte und Personalmangel prägen den Museumsalltag. Trotzdem verstummten die Kritiker von Seehofers Plan ziemlich schnell, mit Ausnahme der Grünen.

Deren kulturpolitischer Sprecher, Sepp Dürr, bezweifelt den Sinn nach wie vor. Anstatt Geld für neue Museen zu verschwenden, müssten bestehende gesichert und weiterentwickelt werden. Loibls Konzept hält er trotzdem für gut. "Wenn man diesen Fehler schon machen muss, dann wenigstens so, wie es Richard Loibl macht", sagt Dürr, der überdies moniert, dass man bisher über die Finanzierung kein Wort gehört habe.

"Der Freistaat wird sich nicht lumpen lassen", sagt Minister Heubisch, der das Projekt für unverzichtbar hält. Bei der Nobelpreisträgertagung in Lindau habe er soeben wieder erfahren, dass ein Land nur dann international erfolgreich agieren könne, wenn es seine eigene Identität kenne. Über die Motivation für dieses Projekt ließe sich indessen lange spekulieren. Die Stürme der Globalisierung spielen dabei wohl keine geringe Rolle. Der bayerische Löwe ist im wiedervereinigten Deutschland arg zurechtgestutzt worden. Angesichts des föderalen Bedeutungsverlusts dürfte dem Museum vor allem die Aufgabe zukommen, die stets beschworene Eigenstaatlichkeit Bayerns wenigstens museal zu retten.

© SZ vom 06.07.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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