Bamberg:"Komm Peter, wir gehen spazieren"

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Nora Gomringer ist Direktorin des internationalen Künstlerhauses Villa Concordia in Bamberg und erhielt 2015 den Ingeborg- Bachmann-Preis. (Foto: ORF)

Bachmann-Preisträgerin Nora Gomringer verließ angewidert vom Redner die Trauerfeier Brauns

Von Olaf Przybilla, Bamberg

Nora Gomringer war am Sonntag nur etwa zehn Minuten auf der Trauerfeier für Peter Braun. Für die Bachmann-Preisträgerin war der Schriftsteller ein sehr wichtiger Mensch in Bamberg. Einer, mit dem sie wunderbar diskutieren konnte, über das Leben und die Literatur. "Streitbarer Streiter" nannte sie Braun, es war nicht immer einfach mit ihm. Aber als Schriftsteller schätzte sie ihn so sehr, dass sie ihm noch eine Woche vor seinem plötzlichen Tod im Alter von 55 Jahren als Jurymitglied ein Stipendium zusprach. Braun wollte ein Buch für einen Film über E.T.A. Hoffmann schreiben, Gomringer teilte ihm die Sache mit dem Preis per SMS mit. Große Freude.

Am 30. Januar dann der Tod, wie man so sagt: aus heiterem Himmel. Und am Sonntag die Trauerfeier, die Gomringer allerdings fluchtartig verließ. Die Leiterin der Villa Concordia kennt in Bamberg so ziemlich jeder und nicht erst, seit sie im Juli in Klagenfurt den Bachmann-Preis gewonnen hat. Da braucht es schon Mumm, um einfach so aufzustehen. Gomringer machte es aber, einem verspäteten Trauergast raunte sie im Gehen noch zu, wie unerträglich das sei, was da ein von Freunden engagierter Trauerredner erzähle. "Schauriges Zeug", sagt Gomringer, in einer furchtbaren Plastiksprache. Sie habe ihren Antipoden und Freund nicht wiedererkannt. "Komm, Peter, wir gehen spazieren", habe sie zu sich selbst gesagt. Und ist gegangen.

Am Mittwoch, nach der Zeitungslektüre, hat Gomringer gepostet. "Lieber Peter", schrieb sie, "ich bin zu Deiner Trauerfeier am Sonntag und bin 10 Minuten später angewidert rausgegangen. Der Mann, der da sprach für Dich zu uns, der war mir . . . widerlich. Das Unangenehme lag im Ton, in der Art, im Wesen. Ich hab Dich da nicht gesehen und gehört, Peter. Mit keiner Silbe. Das konnte ich ja bis jetzt niemandem sagen, weil ich dachte . . . privat engagiert, vielleicht ein Freund der Familie." Nach der Zeitungslektüre wisse sie nun, wen Freunde Brauns da unwissentlich engagiert haben: einen Mann, der bei Pegida in Dresden auftritt. Und dort solche Sätze ins Mikro sagt: "Wir wehren uns gegen eine Politik, die die eigenen Bürger entmündigt und aussaugt, und das eigene Land gegen geltendes Recht zum Freiwild für Asyltouristen erklärt, die so tun, als gehöre ihnen Deutschland bereits." Oder den: "Diese Leute lassen sich zu Hunderttausenden hier bei uns den Hintern wärmen und trinken gemütlich Kaffee, während unsere Soldaten in Syrien und Afghanistan den Kopf für deren Heimat hinhalten sollen."

Dieser Mann, sagt Gomringer, sprach für Peter Braun, der, so formuliert sie es, "heftigst links war", bei "jeder Aktion für Flüchtlinge vorn dran". Sie sei entsetzt. Auch der Bamberger Schriftsteller Martin Beyer ist verstört: "Das tut mir wahnsinnig leid für Peter Braun, für Angehörige ist das ein Gau." Auch Bambergs OB Andreas Starke äußert sich erschüttert: "Das hat Peter Braun nicht verdient." Die Ausrichter der Trauerfeier erklären, sie hätten eine private Empfehlung bekommen und sich kurzerhand, ohne zu recherchieren, für den Trauerredner Ernst Cran entschieden. Sie stünden unter Schock, nach dem Tod Brauns empfänden sie dies als zweiten schweren Schlag.

Cran sagt, seit seinem erzwungenen Rücktritt als Vorstand im Verband der Trauerredner hätte man wissen können, dass er bei Pegida-Veranstaltungen auftritt. Er könne sich zwar vorstellen, dass die Situation für Freunde Brauns nun womöglich schwer erträglich sei. Er könne aber nicht ständig die Fahne "Achtung Pegida" hissen.

© SZ vom 11.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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