Die Mehrheit schien klar zu sein, hatten doch CSU, Grüne und FDP im Bad Reichenhaller Stadtrat gemeinsam einen Antrag vorgelegt, wonach sich die Stadt nicht schon für 2022, sondern frühestens für 2026 um die Landesgartenschau bewerben soll. Doch dann war der Unternehmer Max Aicher aus dem nahen Freilassing am Abend vor der Ratssitzung in der CSU-Fraktion zu Gast und ergänzte all seine Ideen und Vorschläge um ein gewichtiges, nach überschlägiger Rechnung zwischen vier und viereinhalb Millionen Euro schweres Argument: Er werde für die Hälfte der Kosten geradestehen, die mit einer Bewerbung auf die Stadt zukommen - wenn die sich für 2022 bewirbt.
Damit hat der schwerreiche Bau-, Stahl- und Recyclingunternehmer Aicher ein Angebot gemacht, das die Stadträte nicht ablehnen wollten. Oberbürgermeister Herbert Lackner (CSU) nahm das Thema von der Tagesordnung und beraumte stattdessen eine Sondersitzung für Samstagvormittag an, genau einen Tag vor Einsendeschluss für die Bewerbung. Bis dahin soll seine Stadtverwaltung nun herausfinden, ob und wie sich so ein Geschäft rechtssicher gestalten ließe.
Oberbayern:Streit über Landesgartenschau in Traunstein: Bürger sollen entscheiden
Die Gegner der Veranstaltung haben ein Bürgerentscheid durchgesetzt. Sie warnen davor, sich einer intransparenten Organisation auszuliefern.
Zweifel daran gibt es genug: So blieb bisher offen, ob sich eine solche private Beteiligung - und sei es nur über eine Ausfallbürgschaft für ein mögliches Defizit - überhaupt mit den Regularien für die Landesgartenschauen vereinbaren lässt. Außerdem fragen sich manche Stadträte, ob die Predigtstuhlbahn wirklich potent genug ist, notfalls ein Millionen-Defizit der Gartenschau zu schultern. Aicher hat das chronisch defizitäre Wahrzeichen von Bad Reichenhall vor einigen Jahren zusammen mit einer anderen Familie übernommen und will den Gästebetrieb am Predigtstuhl auf vielfältige Weisen ausbauen.
Für die Predigtstuhlbahn, die zu den Attraktionen einer allerersten alpinen Gartenschau gehören soll, werde sich die Investition über die Jahre auf jeden Fall bezahlt machen, versicherte Aicher am Dienstag. Doch manchen Räten wäre es doch deutlich lieber, wenn die langfristigen Garantien lieber von der Stiftung des 82 Jahre alten Aicher kämen statt von der Predigtstuhlbahn.
Vor allem aber zweifeln viele daran, dass sich Aichers Pläne so schnell verwirklichen lassen. Die Vorbereitungszeit bis zu einer Gartenschau 2022 ist relativ knapp bemessen, weil der Zuschlag dafür schon vor zwei Jahren an das nahe Traunstein gegangen war. Die Traunsteiner haben die Planungen allerdings im vergangenen Frühjahr per Bürgerentscheid durchkreuzt. Gerade darin liege aber auch eine große Chance für Bad Reichenhall, weil sich bisher nur wenige Konkurrenten als Ersatz für Traunstein in Position gebracht haben, sagen die Befürworter einer schnellen Bewerbung.
Der Tunnel muss vor der Gartenschau kommen
Zugleich könnten sich aber Probleme mit einem anderen Vorschlag ergeben, den Aicher den Reichenhallern jüngst gemacht hat. Nachdem in der Stadt 40 Jahre lang ergebnislos über einen großen Tunnel durch das Kirchholz für die ersehnten Umgehungsstraße gestritten wurde, will Aicher eine kleinere Tunnel-Variante von oben entlang der Saalach eingraben lassen - also just dort, wo auch das Gartenschau-Gelände liegen soll. Der Tunnel müsste zumindest an dieser Stelle noch vor 2022 fertig sein, wenn die Errungenschaften der Gartenschau danach nicht gleich wieder den Baggern zum Opfer fallen sollen.
Mehrere Stadträte vermuten, dass Aicher diese Umfahrung durchsetzen will, um am nahen Poschberg seine Pläne für ein Pumpspeicherwerk verwirklichen und die dabei ausgehobenen riesigen Mengen wertvollen Dolomits abtransportieren zu können. Das zuständige Bauamt hat sich klar gegen Aichers "Auentunnel" positioniert, doch der Unternehmer verfügt über beste Beziehungen auf allen Ebenen.
Auf lokaler Ebene hat er den früheren Bürgermeister von Ruhpolding zum Geschäftsführer der Predigtstuhlbahn gemacht, als Aichers rechte Hand in Sachen Gartenschau tritt der frühere Traunsteiner CSU-Landrat Hermann Steinmaßl auf. Aicher selbst hat das Thema Auentunnel zuletzt nicht mehr forciert und konzentriert sich auf die Gartenschau. Dem BR sagte er, der enge Zeitrahmen bis 2022 sei "überhaupt kein Problem". Eine Bewerbung für 2026, wo es für eine Gartenschau doch nur zwei Jahre Vorlauf brauche, kommt für ihn demnach nicht infrage.