Bad Reichenhall:Dank an zwei Rivalen

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Das neue "Reichenhall Museum" profitiert vom Streit zwischen einem Metzger und einem Juristen im Staatsdienst. Sie sicherten dem Ort einen festen Platz in der Archäologie. Und der Ausstellung einige wichtige Stücke

Von Matthias Köpf, Bad Reichenhall

Einiges von dem, was hier zu sehen ist, haben die Reichenhaller der Rivalität zwischen einem gelernten Metzger und einem Juristen im Staatsdienst zu verdanken. Wo der eine selber zur Hacke griff, da ließ der andere Gehilfen für sich graben, und wo der eine wohl das bessere Gespür für Fundorte hatte, da pachtete ihm der andere die guten Grundstücke praktisch unter der Schaufel weg. In ihrem einzigartigen Gegeneinander haben Josef Mauer und Max Anton Beat von Chlingensperg-Berg um die vorletzte Jahrhundertwende viel freigelegt, was Bad Reichenhall einen festen Platz in der Archäologie und der Frühgeschichtsforschung gesichert hat. Jetzt stehen beider Abbilder - immer noch einander gegenüber - gemeinsam Pate vor einem der Ausstellungsräume im neuen "Reichenhall Museum".

In dem mit Ausstellungsmobiliar aus geschichtetem Holz modern gestalteten Raum schweben gleich daneben in einer Vitrine an der Wand einige der Fundstücke aus der Umgebung - genau vor den Typentafeln, die der Prähistoriker und bayerische Landesarchäologe Paul Reinecke Anfang des 20. Jahrhunderts nach ihrem Bild angefertigt hat. Diese Typentafeln werden teils bis heute benutzt, um neue Fundstücke durch Stilvergleiche zu datieren. Der heutige Reichenhaller Stadtteil Karlstein war schon in der Bronzezeit ein wichtiges Zentrum. Hier hat es offenbar reiche Menschen gegeben, wie zwei regelrechte Schätze nahelegen: Ein Hort aus 750 bronzenen Ösenringbarren wurde 1970 am Fuße des Fuderheubergs ausgegraben, vier Depots mit 300 Spangenbarren 1995 unterhalb des Hochstaufen. Solche Barren dienten vor vier Jahrtausenden als Währung, der Wert dieser vergrabenen Schätze muss gewaltig gewesen sein. Jetzt liegen sie in Bodenvitrinen im Reichenhall Museum.

Auch ein großer Hammerschmiede-Hammer ist im neuen "Reichenhall Museum" ausgestellt. (Foto: Matthias Köpf)

Das entspricht seit seiner Wiedereröffnung vor einigen Wochen viel eher der Bedeutung des Ortes und seiner Funde für die bayerische Geschichte, als es das alte, in den 1960-er Jahren vom örtlichen Heimatkundeverein eingerichtete Stadtmuseum getan hatte. Das war ein Heimatmuseum, wie es die Heimatmuseen vielerorts immer noch sind: ein Sammelsurium von Ausstellungsstücken jeglicher Art, alle irgendwie alt, aber die meisten weder von historischer Bedeutung noch von großer Aussagekraft. Dieses alte Museum musste vor 13 Jahren schließen, weil es in dem ehemaligen Getreidespeicher für die Reichenhaller Salzknechte Probleme mit der Statik gab. Heute ist das 500 Jahre alte Haus, das eigentlich aus mehreren älteren Vorgängerbauten besteht, selbst eines der Ausstellungsstücke. Unverputzte Stellen gewähren Einblicke ins Gemäuer, und in der Eingangshalle zeichnen Steinplatten die Gasse nach, die einst hier entlang führte. In dem mächtigen Querbalken darüber fehlt noch das Stück, dass die Leute vom Bauhof einst kurzerhand herausgesägt hatten, um ihren Unimog hier unterstellen zu können.

Die Sanierung und Neugestaltung des Museums hat insgesamt 6,4 Millionen Euro gekostet, knapp 1,4 Millionen davon erhielt die Stadt aus dem bundesweiten Kulturförderprogramm nach der Finanzkrise, die sich für Reichenhall so fast als Glücksfall erwiesen hat. Für die Ausstellung zeichnet der habilitierte Historiker Johannes Lang verantwortlich. Lang ist in Reichenhall aufgewachsen, seit 1996 Stadtarchivar und er konnte für das neue Museum auf die Recherchen zu seiner 2009 erschienenen, ziegeldicken "Geschichte von Bad Reichenhall" bauen. Eine Lücke konnte freilich auch er nicht schließen: So gut die keltische Besiedlung in der Bronzezeit dokumentiert ist, so wenig wisse man um die Zeit zwischen 800 und 150 vor Christus, sagt Lang. Die Ausstellung zeigt selbst diese Lücke, und zwar in Form einer Vitrine mit nichts als Fragezeichen.

Für die Ausstellung zeichnet der habilitierte Historiker Johannes Lang, der in Bad Reichenhall aufgewachsen ist, zusammen mit seiner Mitarbeiterin Eva Kanus-Reinecker verantwortlich. (Foto: Matthias Köpf)

Dann jedoch kamen die Römer und nach ihnen die Bajuwaren: Bei Bad Reichenhall wurde das erste große bajuwarische Gräberfeld überhaupt ausgegraben, sagt Lang. Doch weil der König in München zu sparsam für einen Ankauf der Funde war, griff stattdessen der Kaiser zu. Die Funde landeten laut Lang in Berlin und nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in der Eremitage in Sankt Petersburg. Im Reichenhaller Museum musste sich Lang deshalb mit Funden aus der Umgebung behelfen, doch auch die sind einen Besuch wert.

Die Solequellen, an denen das salzhaltige Wasser hier von selbst aus dem Boden drang und immer noch dringt, sind schriftlich erst seit dem Jahr 696 belegt, doch Lang gehört zu denen, die schon die offenkundige Bedeutung der Siedlungen in der Bronzezeit auf diese Solequellen zurückführen. Das Salz hat indirekt auch die mächtige Stadtkasse gefüllt, die ebenfalls ausgestellt ist und über viele Riegel und vor allem über zwei Schlüssellöcher verfügt, damit nicht ein Einzelner alleine hineingreifen konnte.

Zu sehen ist unter anderem bajuwarischer Schmuck. (Foto: Matthias Köpf)

Die Stadt war lange in der Hand einiger einflussreicher Patrizierfamilien, die sich als Zeichen ihrer Macht dickwandige Türme erbaut hatten. Von denen ist im Stadtbild nach mehreren Bränden freilich nichts mehr zu sehen. Zuletzt ist das kurz zuvor vom durchreisenden Botaniker Franz de Paula von Schrank als "gar nicht hübsche Stadt" beschriebene Reichenhall im Jahr 1834 großflächig niedergebrannt. 450 Familien standen ohne Hab und Gut da, doch danach war auch Platz für all die Bäder und Villen, welche die 1890 auch namentlich zum Bad erhobene Stadt bis heute prägen. Auch diese Teile der Stadtgeschichte sind im neuen Museum ausgiebig dokumentiert, und selbst für Freunde althergebrachter Bauernschrank-Musealität gibt es noch eine Ausstellungskoje. Geöffnet ist das "Reichenhall Museum" derzeit von Donnerstag bis Sonntag jeweils von 10.30 Uhr bis 16 Uhr.

© SZ vom 16.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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