Ausweichrouten:Fahrverbot auf Landstraßen für Urlaubsverkehr

Lesezeit: 2 min

Tirol verhängt Straßensperren, damit keiner von mautpflichtigen Autobahnen abfährt. Bayerns Verkehrsminister ist verärgert

Die einen weichen einem Stau aus, die anderen wollen sich die Maut sparen. Das alles erzeugt neben den Autobahnen Verkehrsströme, die dann im österreichischen Bundesland Tirol die Landstraßen verstopfen. Nach dem Willen der Österreicher soll damit vorerst Schluss sein. Tirol hat deshalb am Donnerstag ein Fahrverbot auf jenen Landstraßen verhängt, die Urlauber zur Umfahrung von Staus oder zur Vermeidung der Maut auf den österreichischen Autobahnen nutzen. Auf Hunderttausende Transitreisende kommen damit in Tirol während der Ferienzeit erhebliche Einschränkungen zu.

"Eine außergewöhnliche Situation erfordert außergewöhnliche Maßnahmen", begründete der Tiroler Regierungschef Günther Platter (ÖVP) diesen Schritt. Die Regelung soll bis zum Ende der Sommerferien gelten, also bis Mitte September, und zwar an allen Wochenenden von Samstag, 7 Uhr, bis Sonntag, 19 Uhr. Betroffen sind die Abschnitte entlang der Inntal- und der Brenner-Autobahn, darunter die Ausfahrten zwischen Hall und Zirl auf der Inntalautobahn (A 12), sowie bei Patsch und bei Gries am Brenner auf der Brennerautobahn (A 13). Die Brennerstraße selbst soll von den Verboten nicht betroffen sein.

Das Fahrverbot gelte jedoch nicht für jene Autofahrer, die direkt nach Innsbruck oder in die umliegenden Dörfer wollen, versichert Platter. Die Fahrverbote gelten im Übrigen für den gesamten Verkehr, ob Auto, Laster oder Motorrad. Auf diese Weise sollen die vom Transitverkehr betroffenen Dörfer auf der Strecke zwischen Deutschland und Italien entlastet werden.

Die Entscheidung der Tiroler Landesregierung fiel nur wenige Tage, nachdem der Europäische Gerichtshof (EuGH) einer Klage Österreichs folgte und die geplante deutsche Pkw-Maut stoppte. Bayerns Staatsregierung reagierte mit Empörung und Unverständnis auf die Pläne. Verkehrsminister Hans Reichhart (CSU) bezeichnete das Tiroler Verhalten am Donnerstag als "unsäglich, reine Schikane und eindeutig rechtswidrig". Reichhart sagte, er erwarte, "dass die EU-Kommission dieses Verhalten sehr schnell unterbindet und für freien Reiseverkehr in Europa sorgt". Reichhart stellte auch eine baldige Reaktion in Aussicht, denn einseitige Maßnahmen zulasten der deutschen Autofahrer seien kein guter nachbarschaftlicher Umgang. Reichhart spekulierte, die Tiroler Argumentation am Ende auch auf Bayern zu übertragen. "Sollte die EU-Kommission dieses Verhalten durchgehen lassen, dann muss es auch für die stark belasteten bayerischen Autobahnen und Landstraßen in der Grenzregion gelten", sagt er.

Laut Reichhart wurden Gespräche mit Tirol vereinbart. Bayern werde seine Reaktion letztlich vom Ergebnis dieser Gespräche abhängig machen. Wie ernst das Vorgehen Tirols ist, zeigt sich daran, dass bereits Vorkehrungen getroffen wurden, in deren Folge die Navigationsgeräte die Umfahrungen nicht mehr anzeigen. Dazu seien den Navi-Betreibern die aktuellen Verkehrsdaten in Zusammenhang mit dem Verbot zur Verfügung gestellt worden, zitierte die Nachrichtenagentur APA den Leiter der Tiroler Verkehrspolizei, Markus Widmann. Da aber nicht sicher sei, dass die Navi-Anbieter die neuen Daten auch einspeisen, sollen an den gesperrten Ausweichrouten Polizeistreifen kontrollieren.

Die österreichischen Beamten stehen vor der schwierigen Aufgabe, an den betroffenen Straßen Mautflüchtlinge von Tirol-Besuchern zu unterscheiden. Wie es heißt, liege die Einordnung im Ermessen der Polizisten an Ort und Stelle. Nach Angaben der Tiroler Wirtschaftskammer fahren jährlich mehr als elf Millionen Pkw und 2,5 Millionen Lkw über den Brenner.

© SZ vom 21.06.2019 / dpa, hak - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: