Ausstellung in Nürnberg:Die Marke Cranach

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Die ganze Bandbreite der Arbeiten aus der Cranach-Werkstatt zeigt sich in Gemälden wie "Luther als Augustinermönch". (Foto: Germanisches Nationalmuseum Nürnberg)

Das Germanische Nationalmuseum in Nürnberg zeigt mit seiner Cranach-Ausstellung eine umfassende Schau aus der wichtigsten Image-Manufaktur der deutschen Renaissance - und kommt dabei ganz ohne Leihgaben aus. Das zeugt von großem Selbstbewusstsein.

Von Olaf Przybilla, Nürnberg

Vielleicht beginnt man den Rundgang durch das Cranach-Werk genau dort, wo es im Germanischen Nationalmuseum normalerweise beschaulicher zugeht als in den großen Repräsentationsräumen des Hauses. Es ist Cranach-Jahr, gefeiert wird die produktive Werkstatt der deutschen Renaissance an einer kaum zu überblickenden Zahl von Orten. Nürnberg steuert nun einen eigenen, selbstbewussten Beitrag bei. Leihgaben? Brauche man doch gar nicht, sagt der Generaldirektor des Museums, Ulrich Großmann. Man hält sich so ziemlich für das einzige Haus, das einen Cranach-Überblick auch so bieten kann. So was bespielt das Nürnberger Nationalmuseum aus dem Bestand.

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Das ist noch kein so ungewöhnlicher Ansatz. Ungewöhnlicher ist es schon, dass der Kern der Ausstellung "Zwischen Venus und Luther. Cranachs Medien der Verführung" einfach so in der Dauerausstellung präsentiert wird, wie sonst auch. Versehen mit hervorgehobenen Nummern für den Audioguide. Kann man merkwürdig finden. Ist aber wohl auch ein Zeichen dieses Nürnberger Selbstbewusstseins.

Wie Luther ein Image verpasst wird

Zunächst also in einen der Seitentrakte, wo am besten zu sehen ist, wie die Medienwerkstatt der Frühen Neuzeit gearbeitet hat. Martin Luther ist ihr Thema und der Vergleich mit einer modernen Werbeagentur drängt sich förmlich auf. Da wird einem Mann ein Image verpasst und dieses wird der jeweiligen Zeit und den Ansprüchen der Politik angepasst. Bevorzugtes Mittel ist der Kupferstich, das verspricht Verbreitung. Man versteht sich auf das Anfertigen von Profilbildern. Oft sind es Profilbilder im Wortsinn, um den Schein der zur Ikone stilisierten Figur - Luther - am wirksamsten ins Bild zu setzen.

Man kann die einzelnen Schritte der medialen Luther-Inszenierung gut mitgehen: Da wird zunächst ein scharf konturierter Rebell in Szene gesetzt, ein Mann, mit dem nicht zu spaßen ist und nicht zu spaßen sein soll. Dieser Probedruck eines radikalen Rebellen wird dann je nach Anlass und politischer Großwetterlage abgelöst: vom frommen Mönch, dem väterlichen Reformator, dem ins Amt eingeführten Sachwalter der neuen Konfession. Der tritt zwischendurch als streitbarer "Junker Jörg" auf, als er aus dem politischen Exil zurückkehrt auf die Bühne der Neuzeit. Weltgeschichte von der Wartburg, in Szene gesetzt vom Markenunternehmen Cranach.

Gearbeitet wird dabei offenbar mit Schablonen, denn der Begriff von Junker Jörg machte erst einige Jahrzehnte nach Luthers Exilgeschichte die Runde. Es geht also nicht um die authentische Abbildung eines Reformers, sondern um die richtige Inszenierung. Die Unterscheidung der einzelnen Arbeiten in Cranach der Jüngere und Cranach der Ältere verwischen im Lauf der Zeit zusehends. Ziel war die unverkennbare Marke einer Werkstatt, nicht der autonome Entwurf eines Künstlers.

"Ungleiches Paar". (Foto: Germanisches Nationalmuseum Nürnberg)

Noch klarer wird das in der Studioausstellung, im gesonderten Teil dieser Cranach-Präsentation. Hier werden 40 druckgrafische Blätter und Zeichnungen gezeigt, die sonst nicht zu sehen sind im Haus. Flugschriften sind darunter, die dokumentieren, wie Cranachs Werkstatt politisch agierte und agitierte, es wird denunziert und gespottet auf Teufel komm raus. Cranach der Ältere soll etwa für das Flugblatt "Frauen vertreiben Geistliche" verantwortlich sein. Entstanden wohl um 1537 bildet das Blatt ab, wie Mönche und Kardinäle ohne Unterschied mit dem Dreschflegel bearbeitet werden. Und wie sich diejenigen, die am härtesten betroffen zu sein scheinen von der moralischen Verwahrlosung des Klerus, wie die sich am wirksamsten wehren: Da schmeißen Kinder mit Steinbrocken nach Würdenträgern, verfolgen Frauen ihre religiösen Peiniger und reißen am Ordensgewand.

Die Marke Cranach wird also gezeigt als Image-Manufaktur: einmal zur Luther-Profilierung, einmal zur Verspottung seiner Widersacher. Und schade ist es da eben schon, dass Cranachs "Bildnis des Nürnberger Humanisten Christoph Scheurl" etwas vereinzelt hängt und nicht dort zu sehen ist, wo auch die politischen Arbeiten der Werkstatt ausgestellt sind. Denn das Scheurl-Porträt illustriert, wie die Cranachs auch in eigener Sache Politik machten, respektive ihre Werkstatt ins rechte Licht zu setzen wussten. Der Austausch mit dem Denker Scheurl war marketingstrategisch eine runde Sache. Denn der war einer der Netzwerker seiner Zeit und einer der bedeutenden Lobredner Dürers. Und da war es für die Cranachs umso wichtiger, mit diesem Mann in Kontakt zu kommen.

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Scheurl belobigte dann auch die unvergleichliche Schnelligkeit, mit der Cranach Jagdszenen am Hof festzuhalten vermochte, in hohen Worten. Der wiederum setzte den Humanisten entsprechend ins Bild, in Herrschaftspose und mit kostbaren Ringen an der Hand. Eine fruchtbare Symbiose zwischen Schreiber und Künstler. Die thematische Klammer der Ausstellung wirkt etwas bemüht, aber natürlich geht es auch im "Ungleichen Paar" um Verführung. Eine Frau unter der Haube, sie ist offenbar verheiratet, bandelt an mit einem deutlichen älteren Mann: eine Variation Cranachs auf das zeitgenössisch überaus beliebte Motiv des Ehebruchs. Anders als bei vielen anderen Darstellungen aber fixiert die Frau den Betrachter. Cranach macht diesen zum Komplizen, eine Spezialität dieser Werkstatt.

Zwischen Venus und Luther. Cranachs Medien der Verführung , Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg, bis 22. Mai 2016

© SZ vom 20.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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