Ausbildung:"Ich muss die nicht wie Sauerbier anbieten"

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Josefine Steiger, 64, leitete zuletzt den Bereich Ausbildung bei der IHK Schwaben. Anfang 2015 startete dort eines der ersten Ausbildungsprogramme für Flüchtlinge. Nach 40 Jahren IHK-Tätigkeit geht Steiger nun in Rente. (Foto: IHK)

Josefine Steiger hat Tausende junger Menschen in Ausbildung vermittelt - darunter zuletzt allein 2000 Flüchtlinge

Interview von Maximilian Gerl, Augsburg

Sie war so etwas wie die Spinne im Ausbildungsnetz: Für die Industrie- und Handelskammer (IHK) Schwaben hat Josefine Steiger 40 Jahre lang jungen Menschen geholfen, eine Ausbildung zu finden. In der Zeit baute die IHK Vermittlungsstrukturen auf, um Betriebe und Azubis zusammenzubringen. Später startete ein Programm für Flüchtlinge, das zum Vorbild wurde. Nun geht Steiger in den Ruhestand - offiziell zumindest.

SZ: Frau Steiger, Sie haben Tausende junger Menschen durch die Ausbildung begleitet. Hört man da nicht irgendwann immer die gleichen Geschichten?

Josefine Steiger: Da gibt es natürlich die Einzelschicksale - Menschen mit Behinderung zum Beispiel. Aber ganz oft sind es junge Menschen, denen es ein bisschen an Selbstbewusstsein fehlt. Oder die sich nur bei großen Unternehmen beworben hatten, mit Hunderten anderen Bewerbern. Oder die unrealistische Berufswünsche haben. Da rede ich dann Tacheles.

Wie muss man sich das vorstellen? "Junge, hör mal zu, so geht's nicht?"

So in der Art. Neulich habe ich zu einem jungen Mann gesagt: "Jetzt ist Schluss mit Chillen. Gechillt wird daheim!" Manche haben keinen Plan, die brauchen klare Ansagen. Sanfter, nachhaltiger Druck.

Das erinnert an ein Klischee: Die Jugend von heute ist verwöhnt, wir dagegen haben uns noch selber um alles gekümmert.

Die Jugendlichen sind nicht anders als früher. Das Umfeld ist anders. Früher musste ich eine Ausbildung machen, um Geld zu haben. Heute wachsen viele junge Menschen behütet auf. Und sie wollen trotz Arbeit genug Zeit für ihre Hobbys haben. Bei jungen Geflüchteten ist das übrigens oft anders. Ich kenne einen, der radelt jede Nacht fast 40 Kilometer zur Arbeit. Das ist ein Extremfall, aber unabhängig davon sind die meisten Geflüchteten sehr motiviert, bei uns eine Ausbildung zu beginnen.

Unter Ihrer Leitung hat die IHK Anfang 2015 damit begonnen, Ausbildungsprogramme für Flüchtlinge aufzusetzen. Was hat sich seit damals getan?

In Schwaben haben wir rund 2000 Geflüchtete in Ausbildung. Die ersten knapp 200 sind inzwischen fertig, viele haben gleich einen unbefristeten Arbeitsvertrag bekommen. Ich muss die nicht wie Sauerbier anbieten, die Betriebe suchen dringend Leute. Die haben deshalb auch wenig Verständnis dafür, wenn einer ihrer Azubis keine Duldung erhält. Aber leider ist die Situation in Bayern weiter angespannt.

Was meinen Sie damit?

Das Ziel der Politik war, Asylverfahren zu beschleunigen, was ja auch richtig ist und weitgehend gelungen. Das Problem ist: Wir können manchmal gar nicht so schnell eine Stelle vermitteln, wie die Geflüchteten von den Behörden abgelehnt werden. Das betrifft vor allem Afghanen. Darum setzen wir uns für eine Stichtagsregelung ein, bis das Fachkräftezuwanderungsgesetz in Kraft tritt. Wenn abgelehnte Asylbewerber nichts verbrochen haben und gut integriert sind, dann sollten wir sie auch hier behalten. Wir haben ja schon so viel in sie investiert.

Vor allem die Betriebe.

Täglich ruft eine Firma an, die sich Sorgen um ihren Azubi oder Bewerber macht. Letztlich stecken sie viel Zeit und Geld in diese jungen Menschen. Den Betrieben geht es aber nicht nur um Fachkräftesicherung, sie möchten auch gesellschaftliche Verantwortung übernehmen. Und auch viele Geflüchtete wollen etwas zur Gesellschaft beitragen. Doch anstatt zu arbeiten, werden sie zum Nichtstun verdammt.

Sie vermitteln auch als Rentnerin weiter. Warum tun Sie sich das an?

Ich kann nicht anders. Es ist ein Gewinn, wenn die jungen Menschen ihre Ausbildung schaffen. Das ist mein Lohn.

© SZ vom 23.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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