"Aus allen Rohren schießen":Aiwanger bläst zum Angriff

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Hubert Aiwanger wirft der CSU Versagen auf breiter Linie vor - so etwa auch beim Thema Bildung. (Foto: David Ebener/dpa)

Im neuen Jahr wollen die Freien Wähler ihre oft hausgemachten Probleme endlich hinter sich lassen - das Hauptziel ihrer Offensive ist dabei einmal mehr die CSU

Von Wolfgang Wittl, München

Man muss kein Prophet sein, um Hubert Aiwangers Vorsätze für das junge Jahr zu erahnen, dazu reicht ein Blick auf seine jüngsten Äußerungen. Dass an Bayerns Schulen mit Flüchtlingskindern mangels Lehrer "nicht vernünftig Deutsch unterrichtet" werde: "Das ist die CDU/CSU-Realpolitik." Thema Mindestlohn: Da dämmere "jetzt auch der CSU, welch wirtschaftsfeindlichen Blödsinn" sie beschlossen habe. Und wenn CSU-Chef Horst Seehofer eine Stärkung der Bundeswehr fordert: Die sei doch erst durch einen CSU-Verteidigungsminister "ruiniert" worden. Mittlerweile gebe es kaum noch funktionsfähige Transportflugzeuge, "dafür haben wir Gewehre, die um die Ecke schießen. Dank CSU". Zum Thema Zuwanderung meint Aiwanger: "Völlig aus dem Ruder gelaufen" - ein "Versagen" der Berliner Koalition, natürlich mit CSU-Beteiligung.

Die Christsozialen waren schon immer der Lieblingsgegner der Freien Wähler (FW), erst durch deren Absturz bei der Wahl 2008 zogen sie in den Landtag ein. Aiwanger hat nie ein Blatt vor den Mund genommen, wenn es den bürgerlichen Rivalen zu attackieren galt. Doch so angriffslustig wie jetzt zeigte sich der FW-Chef selten. Die Marschroute für 2016 ist klar: "Wir müssen die Profilierung gegenüber der CSU suchen und finden", fordert Aiwanger und geht mit Eifer voran, um aus der Defensive wieder in die Offensive zu kommen.

Das vergangene Jahr lief nicht gut für die Freien Wähler. Beim allseits dominierenden Flüchtlingsthema fiel es ihnen schwer, mit eigenen Positionen Gehör zu finden. In Umfragen stürzten sie Richtung fünf Prozent ab. Dazu kamen hausgemachte Probleme: Fraktionsvize Bernhard Pohl fiel nicht zum ersten Mal wegen eines Verkehrsdelikts auf, der inzwischen zurückgetretene unterfränkische Bezirkschef Günther Felbinger steht unter Verdacht, Abgeordnetenmittel unerlaubt für seine Partei und eigene Zwecke verwendet zu haben. Im Februar werden die Freien Wähler ihre Fraktionsposten turnusgemäß neu besetzen. Dass Pohl einer von Aiwangers Stellvertretern bleiben darf, gilt nach seiner Bewährungsstrafe als unwahrscheinlich. Seine Funktion als haushaltspolitischer Sprecher könnte Pohl indes behalten, wie auch Felbinger seine in der Bildungspolitik.

Unangenehme Dinge seien das gewesen, sagt Aiwanger. Aufhalten will er sich damit nicht mehr. Die Stimme der Bürger müssten die Freien Wähler wieder sein, wohl auch deshalb, um von den Bürgern wieder mehr Stimmen zu bekommen. Beim Hauptthema Flüchtlinge will Aiwanger der CSU den Spiegel vorhalten. "Seehofer schimpft dauernd, doch nix passiert" - schon jetzt stelle er beim CSU-Chef einen Glaubwürdigkeitsverlust fest, sagt Aiwanger. In der Bevölkerung wachse der Frust, weil die CSU nicht imstande sei, den Worten Taten folgen zu lassen oder die Probleme gar zu lösen. Auch andere bekannte Themen will Aiwanger wieder mehr in den Fokus rücken: Beim Freihandelsabkommen TTIP denkt er an eine Bürgerbefragung, schließlich sei die Mehrheit der Bayern gegen eine solche Vereinbarung. Bei den Stromtrassen kündigen die Freien Wähler massiven Widerstand an, sie plädieren für eine regionale Energiewende. Die Rückkehr zum neunstufigen Gymnasium wollen sie noch stärker forcieren, die dritte Startbahn am Münchner Flughafen mit aller Macht verhindern. An den richtigen Inhalten mangele es den FW nicht, ist ihr Chef überzeugt, eher an der Präsentation.

All diese Themen werden von diesem Montag an bei der Winterklausur im oberbayerischen Laufen eine Rolle spielen. Bis Mittwoch wird die Landtagsfraktion mit Gästen diskutieren und etwa den Wartebereich für Flüchtlinge in Freilassing besuchen. Das Profil der Freien Wähler, Anwalt der Kommunen zu sein, soll geschärft werden. "Der Begriff Heimat ist mir besonders wichtig", sagt Aiwanger. Ein Feld, auf dem die FW an die CSU an Boden verloren haben, seitdem Heimatminister Markus Söder mit Förderbescheiden durch Gemeinden und Landkreise zieht. In der CSU ist man der Ansicht, dass die Strategie im Kampf gegen die Freien Wähler gut aufgeht - erklärter Hauptgegner der Regierungspartei ist inzwischen die AfD.

Aiwanger hingegen ist überzeugt, dass die AfD den Einzug in den Landtag 2018 verpassen wird. Um sich in Bayern eine gute Ausgangsposition zu verschaffen, verstärken die FW auch die Bemühungen im Bund. Soeben haben sie in Köln und Berlin zwei Mitarbeiter eingestellt, sie sollen die Bekanntheit steigern helfen. In Aiwangers Worten klingt das mit Blick auf 2018 so: "Wir müssen aus allen Rohren schießen." Der Kampf gegen den Negativtrend hat begonnen.

© SZ vom 11.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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