Augsburger Polizistenmord:Strafe und Vollzug

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Als er 1975 einen Polizisten tötete, wurde über die Wiedereinführung der Todesstrafe diskutiert. Nun gilt Rudolf R. als Hauptverdächtiger des Augsburger Polizistenmords. Reflexartig wird der Ruf nach Strafverschärfung laut. Dabei reicht der gesetzliche Rahmen aus. Offen bleibt allerdings, warum der Mann 1994 auf Bewährung freigelassen wurde.

Sebastian Beck

Es gibt einige schreckliche Analogien zwischen den beiden Augsburger Polizistenmorden vom März 1975 und Oktober 2011. Nicht nur, dass es womöglich derselbe Täter war, wenngleich auch für die Verdächtigen Rudolf R. und dessen Bruder Raimund M. nach der Verhaftung am Donnerstag die Unschuldsvermutung gilt. Doch die Umstände bis hin zur Uhrzeit gleichen sich auf verblüffende Weise: Der Haupttäter war beide Male nachts mit einem Komplizen und einem gestohlenen Fahrzeug unterwegs, als er zufällig in eine Polizeikontrolle geriet. Und beide Male schoss er ebenso gezielt wie hinterhältig auf die Beamten, weil er so eine andere Straftat verdecken wollte.

"Wir haben alles getan, was damals rechtlich möglich war", sagt die Justizministerin Beate Merk auf einer Pressekonferenz zum Fall des ermordeten Polizisten. Nun werden auch Rufe nach Strafverschärfungen laut. (Foto: dapd)

Zwischen den Morden liegen fast 37 Jahre, wovon Rudi R. insgesamt 21 Jahre im Gefängnis verbrachte. Sollte sich seine Schuld am neuerlichen Mord tatsächlich erweisen, stünde damit auch fest: Die Gewalttätigkeit ist offensichtlich ein fester Bestandteil seines Charakters geblieben. Bereits nach dem Polizistenmord 1975 war die Forderung nach härteren Strafen laut geworden, zumal wenige Wochen zuvor Terroristen den Berliner CDU-Vorsitzenden Peter Lorenz entführt hatten.

Damals wurde noch allen Ernstes nach der Wiedereinführung der Todesstrafe gerufen. Franz Grosser, der bayerische Landesvorsitzende der Polizeigewerkschaft GdP, sprach von einer "Humanitätsduselei", mit der die "Kriminalität unserer Tage" nicht in Griff zu bekommen sei. Diese Zeiten sind zum Glück vorbei. Doch auch der neuerliche Mord dürfte ein politisches Nachspiel haben, zumal der reflexartige Ruf nach Strafverschärfungen geblieben ist, wie die Äußerung von Justizministerin Beate Merk zeigen: Sie will die Haftdauer verlängern.

Seit einigen Jahren dreht sich die Diskussion aber vor allem um die Sicherungsverwahrung von besonders gefährlichen Wiederholungstätern. Einem zweifachen Polizistenmörder droht zu Recht lebenslange Haft und anschließende Sicherungsverwahrung. Der gesetzliche Rahmen reicht jetzt bereits völlig aus, um die Bevölkerung vor Gewaltverbrechern zu schützen. Einige Fragen aber werden aber in den nächsten Wochen noch zu beantworten sein: Mit welcher Begründung wurde Rudi R. 1994 zur Bewährung entlassen? Und warum konnte er seine kriminelle Karriere fortsetzen, obwohl er unter Führungsaufsicht stand?

© SZ vom 31.12.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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