Polizistenmord von Augsburg:"Bis an die Zähne bewaffnet"

Der Verdacht der Ermittler erhärtet sich: Im Fall des Augsburger Polizistenmords belastet eine DNA-Spur vom Tatort einen der zwei festgenommenen Verdächtigen. Zudem entdeckten die Ermittler in Verstecken zahlreiche Waffen. Offenbar planten die beiden Brüder aus Augsburg schon den nächsten Raubüberfall.

Susi Wimmer

Am Haupteingang des Polizeipräsidiums Schwaben-Nord ragt ein Denkmal empor, das an die im Dienst getöteten Polizisten erinnern soll - drei an der Zahl. Der Leitende Augsburger Oberstaatsanwalt Reinhard Nemetz geht davon aus, dass zwei der Polizistenmorde auf das Konto eines Mannes gehen: des 56-jährigen Augsburgers Rudolf R.

Augsburger Polizistenmord

Auf einer Pressekonferenz zum Augsburger Polizistenmord zeigen die Ermittler die Waffen, die sie in Verstecken der Tatverdächtigen gefunden haben.

(Foto: dpa)

Er, der bereits im März 1975 einen Polizisten erschossen hatte, soll zusammen mit seinem 58-jährigen Bruder am 28. Oktober 2011 im Siebentischwald in Augsburg den 41-jährigen Polizeihauptmeister Mathias Vieth getötet haben. In dieser Nacht, so glauben die Ermittler, plante das Brüderpaar "bis an die Zähne bewaffnet" einen Raubüberfall. Am Treffpunkt allerdings waren zufällig Mathias Vieth und seine Kollegin auf die beiden Männer aufmerksam geworden.

Am Donnerstagmittag zogen Spezialkräfte einer Sondereinheit den überraschten Haupttäter Rudolf R. an einer roten Ampel in der Augsburger Innenstadt aus seinem Auto und nahmen ihn fest. Fast zeitgleich klickten die Handschellen bei seinem Bruder Raimund M. in Friedberg. Außerdem nahm die Polizei noch einen weiteren Verwandten der Brüder in München unter die Lupe, Letzterer allerdings war völlig ahnungslos.

Haupttäter Rudolf R. sei laut Nemetz "immer massiv auffällig" gewesen, ein "schießwütiger, sozial unangepasster Waffennarr". Er hatte 1975 an der Raststätte Augsburg-Nord als 19-Jähriger einen Polizisten erschossen und war nach Erwachsenenstrafrecht zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Nach 19 Jahren kam er auf Bewährung frei, landete 2003 erneut hinter Gittern, weil er bei einem Ladendiebstahl zwei Detektive mit einem Pfefferspray angegriffen hatte. Erneut saß er bis August 2006 ein, und stand dann fünf Jahre unter Führungsaufsicht. Die endete am 10. August 2011. Zwei Monate später soll der Arbeitslose einen Polizisten erschossen haben.

"Wir haben alles getan, was damals rechtlich möglich war", sagte Justizministerin Beate Merk auf einer Pressekonferenz am Freitagnachmittag in Augsburg. Sie forderte, dass eine vorzeitige Entlassung bei lebenslanger Haftstrafe erst ab 20 Jahren möglich sein sollte, und bei besonderer Schwere der Schuld erst ab 25 bis 28 Jahren. Innenminister Joachim Herrmann erklärte, sollte Rudolf R. tatsächlich auch für den zweiten Polizistenmord verantwortlich sein, "soll er für den Rest seines Lebens nicht mehr auf die Menschheit losgelassen werden".

Ein Schnellfeuergewehr und zwei großkalibrigen Pistolen

Vor der Tat hatten die Brüder ein Motorrad und ein Kennzeichen gestohlen, waren mit mindestens einem Schnellfeuergewehr und zwei großkalibrigen Pistolen bewaffnet - und sie planten einen Raubüberfall. Rudolf R. hatte sich wie immer von seinem Münchner Verwandten das Auto geliehen.

Er, der im Stadtteil Hochzoll aufgewachsen war und sich dort bestens auskannte, traf sich mit seinem 58-jährigen Bruder auf einem Parkplatz nahe des Kuhsees. Den Wagen ließ er in etwa 100 Meter Entfernung stehen. Auf dem Parkplatz allerdings wurden Mathias Vieth und seine Kollegin gegen 2.50 Uhr auf die Männer aufmerksam und wollten sie kontrollieren. Die beiden flüchteten auf dem Motorrad über den Staudamm und schließlich in einen Waldweg hinein. Dort stürzten sie. Vieth, der am Steuer des Wagens saß, hielt an und stieg aus. Seine Kollegin folgte ihm. Am Polizeiauto brannte das Licht, die beiden Täter eröffneten sofort aus der Dunkelheit heraus das Feuer auf die hell erleuchteten Polizisten. Mathias Vieth schoss zurück, war aber bereits mehrmals tödlich getroffen worden.

Auf der Flucht verloren die Täter eine Waffe, einen Motorradsichtschutz und andere Gegenstände. Unter anderem wurden DNS-Spuren gesichert, die am Freitag eindeutig Raimund M. zugeordnet werden konnten. Gegen beide Männer erging Haftbefehl unter anderem wegen Mordes und versuchten Mordes. Beide schweigen. Raimund M. ist Rentner und war laut Polizei bis dato unauffällig.

Ein Schlüssel zur Aufklärung war das geliehene Fahrzeug. Die Polizei entdeckte es in der Tatnacht auf dem Parkplatz - mit warmem Motor. Allerdings war das Auto auf den Münchner Verwandten zugelassen, der polizeilich völlig unauffällig war. Im Laufe der Ermittlungen kam man auf das Verwandtschaftsverhältnis und auch darauf, dass in Augsburg ein Mann lebt, der vor 36 Jahren einen Polizisten getötet hatte. Wochenlang überwachte die Polizei die Telefone der Brüder, folgte ihren Bewegungen. "Sie gingen konspirativ vor", sagte Bayerl.

Durch die enge Überwachung führten die Brüder die Ermittler zu diversen Bunkern, etwa einem Anwesen von Verwandten in Friedberg, wo sie Waffen versteckt hatten. Die Polizei stellte an die 20 Waffen sicher, darunter eine funktionsfähige Uzi, eine Scorpion-MP und Pistolen. Man habe am Donnerstag zugreifen müssen, sagte Bayerl. Denn die Täter planten offenbar bereits den nächsten Raubüberfall. Ob und wie oft das Brüderpaar in der Vergangenheit bereits auf Raubzug war, sollen die Ermittlungen zeigen.

Nach dem "achtwöchigen Ausnahmezustand" soll jetzt bei der Augsburger Polizei langsam wieder Normalität einkehren. Man freue sich über den "durchschlagenden Ermittlungserfolg", sagte Polizeipräsident Gerhard Schlögl. Aber der Fall habe "tiefe Spuren hinterlassen".

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