Katholische Kirche:Zwei Missbrauchsbeauftragte im Bistum Augsburg kündigen Rücktritt an

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Bertram Meier, Bischof der Diözese Augsburg, im Hohen Dom. (Foto: Karl-Josef Hildenbrand/picture alliance/dpa)

Kein Einblick in wichtige Personalakten, Desinteresse und Misstrauen: Zwei Missbrauchsbeauftragte machen der Bistumsleitung in einem Zeitungsinterview schwere Vorwürfe. Die Kirche weist diese zurück. Die Betroffenen-Initiative "Eckiger Tisch" spricht von einem einmaligen Vorgang.

Zwei der drei Missbrauchsbeauftragten im Bistum Augsburg haben ihren Rücktritt angekündigt. Die Diplom-Psychologen Angelika Hauser und Rupert Membarth warfen der Bistumsleitung in der Augsburger Allgemeinen mangelnden Aufklärungswillen vor. Die beiden wollen ihre Ämter Ende April niederlegen. Das Bistum wies die Vorwürfe in dem Bericht zurück. "Leider habe ich bis heute nicht erkennen können, dass die Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch im Bistum Augsburg, die Bischof Bertram einmal als seine "Herzensangelegenheit" bezeichnete, mit der notwendigen Ernsthaftigkeit und echtem Aufklärungswillen betrieben wird", zitierte die Zeitung aus einem Schreiben der beiden Sachverständigen an die Bistumsleitung.

Auf Anfrage der Zeitung äußerte sich das Bistum überrascht und bedauerte, dass keine klärenden Gespräche hätten geführt werden können. "Das Bistum Augsburg bedauert den Rücktritt von Frau Hauser und Herrn Membarth und dankt ihnen für die bisher geleistete, außerordentlich anspruchsvolle Arbeit." Weiter erklärte es: "Den Vorhalt, dem Bistum Augsburg würde es an echtem proaktivem Aufklärungswillen mangeln, weisen wir allerdings entschieden zurück." Jeder Einzelfall werde von den verantwortlich handelnden Menschen "sehr ernst genommen und akribisch bearbeitet".

Membarth sagte in dem Zeitungsinterview: "Noch immer wird versucht, Dinge auszusitzen. Auf der anderen Seite stehen Betroffene und ihr langes Leid." Und weiter: "Bilanzierend muss ich sagen: Uns wurde die Arbeit erschwert." So hätten sie keinen Einblick in Personalakten beschuldigter Kleriker bekommen, sagte Hauser und erklärte weiter, sie habe keinen echten und entschlossenen Aufklärungswillen feststellen können. In ihrer Arbeit sei sie bei der Bistumsleitung auf Misstrauen und Desinteresse gestoßen. "Ich habe den Glauben daran verloren, dass sich an den bestehenden Rahmenbedingungen etwas ändert."

Das Bistum betonte, die "neuen datenschutzrechtlichen Hürden" beträfen nicht allein das Bistum Augsburg, sondern alle deutschen Bistümer. Nach dem Gesetz über den kirchlichen Datenschutz (KDG) hätte nach Angaben der Diözese eine schriftliche Vereinbarung über die Aufgabenverteilung abgeschlossen werden müssen. Darüber seien Hauser und Membarth mehrfach informiert worden, Gesprächsangebote seien aber vergebens gewesen. Dem Bistum sei darüber hinaus "kein Fall bekannt, in welchem die Aktenauskunft versagt worden wäre". "Den Vorhalt, dem Bistum Augsburg würde es an echtem proaktiven Aufklärungswillen mangeln, weist das Bistum allerdings entschieden zurück. Jeder Einzelfall wird hier von den verantwortlich handelnden Personen sehr ernst genommen und akribisch bearbeitet", teilte das Bistum mit.

"Das ist in der Tat einmalig", sagte der Sprecher der Betroffenen-Initiative "Eckiger Tisch", Matthias Katsch, der Deutschen Presse-Agentur. "Der Vorgang zeigt, Aufarbeitung in Eigenregie kann nicht funktionieren und ist für Betroffene eine Zumutung. Betroffene haben das seit Jahren gesagt. Es wird Zeit, dass die Politik endlich ins Handeln kommt." Er forderte "eine Wahrheitskommission in der katholischen Kirche". Dafür sei es "noch nicht zu spät".

Der dritte Missbrauchsbeauftragte, Andreas Hatzung, bedauerte in der Augsburger Allgemeinen den Rücktritt seiner Kollegen, sagte aber auch, dass er den Schritt im Wesentlichen nachvollziehen könne. "Ich sehe mich dennoch weiter in der Lage, meine Aufgabe als unabhängige Ansprechperson auszuüben." Hauser und Membarth wurden im September 2022 als neue Missbrauchsbeauftragte vorgestellt. Seither berieten sie laut der Zeitung nach eigenen Angaben knapp 20 Betroffene. Zu ihren Aufgaben gehörte es, Hinweise auf Missbrauchsfälle anzunehmen, eine erste Bewertung ihrer Plausibilität vorzunehmen und Betroffene über Hilfestellungen zu informieren.

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