Augsburg:Hochspannung in Augsburg

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Bürger entscheiden über künftige Energie-Versorgung. Der Ausgang ist offen.

Von Stefan Mayr, Augsburg

Es ist der Kampf David gegen Goliath. Auf der einen Seite Bruno Marcon, selbstständiger Psychologe und Kopf einer Bürgerinitiative, voller Idealismus, aber ohne Geld. Auf der anderen Seite Kurt Gribl, Oberbürgermeister der Stadt Augsburg, unterstützt von seiner CSU, der Stadtwerke GmbH und seiner Leib- und Magen-Agentur, Geld spielt da fast keine Rolle.

Seit Monaten schon ringen sie um die Zukunft der Energie-Versorgung in Bayerns drittgrößter Stadt. Am Sonntag fällt die Entscheidung. 210 000 Wahlberechtigte sind zum Bürgerentscheid aufgerufen, die Frage lautet: Soll die Energiesparte der Stadtwerke Augsburg (SWA) mit dem Privat-Unternehmen Erdgas Schwaben (EGS) fusionieren oder nicht? Der Ausgang gilt als offen. Nicht zuletzt deshalb laufen beide Lager in den Tagen vor der Abstimmung förmlich heiß.

Kein Abend ohne Info-Veranstaltung. Keine Straße ohne Plakate. Kein Morgen ohne Artikel in der Lokalzeitung. Bei einer Podiumsdiskussion trafen David Marcon und Goliath Gribl und zwei weitere Teilnehmer vor 500 Menschen im vollbesetzten Saal aufeinander. Es ging hoch her: Jubel, Buh-Rufe, beide Seiten hatten etliche Claqueure mitgebracht. Zeitweise drohte das Gespräch auszuarten, auch auf dem Podium gab es Geschrei.

"Wir müssen die Stadtwerke im Energiebereich für die knallharten Veränderungen am Markt rüsten, damit sie wettbewerbsfähig bleiben und mehr Rendite erzielen", sagte Oberbürgermeister Gribl. Er betonte, dass der defizitäre öffentliche Nahverkehr in der Stadt seit jeher durch die Gewinne der Energie-Sparte querfinanziert wird, das solle auch künftig so bleiben. Dies gehe aber viel besser ohne Fusion, betonte dagegen Kontrahent Marcon: "Die Stadtwerke müssen in der Hand der Bürger bleiben, die Daseinsvorsorge darf nicht privatisiert werden", forderte er.

Sein Hauptkritikpunkt: Durch den Zusammenschluss bekäme die Thüga AG knapp ein Drittel der Anteile an der Stadtwerke-Tochter. In den Augen der Fusionskritiker ist die Thüga ein Konzern - und mit dessen Einstieg wäre der Zugriff von profitorientierten Privatinvestoren auf die Stadtwerke möglich. OB Gribl betont dagegen, die Thüga sei ein Energie-Netzwerk von etwa 100 kommunalen Stadtwerken, von diesem könne Augsburg enorm profitieren.

Bruno Marcon und seine Initiative hatten die Bürgerbefragung angestoßen, sie sammelten 15 000 Unterschriften. Der Stadtrat brachte daraufhin unter dem Motto "Gemeinsame Energie - Starke Stadtwerke - Sichere Arbeitsplätze" ein Ratsbegehren auf den Weg. Seitdem trommeln die Stadt, die Stadtwerke und die Parteien für ihre Positionen.

Dabei ist das Meinungsbild alles andere als eindeutig: Die regierenden Parteien CSU und SPD sind dafür, die Linken und Freien Wähler sind dagegen. Bei den mitregierenden Grünen tobt ein heftiger Streit: Während die Parteibasis Plakate mit dem Slogan "Keine Fusion" installierte, warben prominente Spitzenkräfte in einem offenen Brief für die Fusion.

Unterzeichner sind unter anderem Landtags-Abgeordnete Christine Kamm und Bundestags-Vizepräsidentin Claudia Roth, die ihren Wahlkreis in Augsburg hat. Wenig später kam die Replik der Gegenseite. Eine Partei zerlegt sich in aller Öffentlichkeit selbst, die Rede ist von Spaltung, Aufstand und Parteiausschlussverfahren. Ob und wie Augsburgs Grüne diesen Streit überstehen werden, ist ein spannender Nebenaspekt des Bürgerentscheids.

Auch die Stadtwerke-Mitarbeiter sind sich nicht einig. Zwar sprechen sich die Betriebsräte für den Zusammenschluss aus. Eine Befragung des Personals ergab allerdings ein eher diffuses Bild: 54 Prozent sind dafür, 46 dagegen. Dennoch werben die Stadtwerke flächendeckend mit Plakaten, auf denen SWA-Mitarbeiter selbstbeschriftete Sprechblasen hochhalten. "Ja zu Zukunft + Fortschritt", steht auf einem dieser Schilder. Die Kampagne löst bei den Bürgern keine Begeisterung aus. "Wer gibt jenen 46 Prozent eine Stimme, die gegen die Fusion sind?", fragte Bruno Marcon.

Eine Machbarkeitsstudie besagt, eine Fusion bringe langfristig pro Jahr 11,5 Millionen Einsparpotenzial. "Wir sollten aus der Situation der Stärke heraus handeln, so lange wir nicht mit dem Rücken an der Wand stehen", appelliert Oberbürgermeister Gribl.

© SZ vom 09.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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