Augsburg:"Dramatische Zustände"

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Personalratschefin beklagt Kostendruck im Klinikum Augsburg

Von Stefan Mayr, Augsburg

Dort ein riesiger Autokran, hier eine Baugrube. Das Klinikum Augsburg zeigt jedem Besucher schon von Weitem: Achtung Großbaustelle. Das gilt auch für das Innenleben. Je näher die Übergabe des 1700-Betten-Hauses von Stadt und Landkreis in die Hände des Freistaates rückt, desto größer werden die Sorgen der Mitarbeiter. Ende 2018 soll das chronisch unterfinanzierte kommunale Krankenhaus zur Uniklinik umgewandelt werden, schon jetzt schlägt die Personalratsvorsitzende Hildegard Schwering Alarm: "Uns fehlen alleine im Pflegebereich weit mehr als 100 Stellen." Es gebe Stationen, "die wissen nicht, wie sie die Schichten besetzen sollen".

Erst im August hatten 450 der etwa 600 Ärzte mit ihren Unterschriften Schlagzeilen gemacht. Sie drohten damit, einen Brandbrief ans bayerische Wissenschaftsministerium zu schicken, in dem sie gegen die befürchtete Streichung von 50 Arztstellen protestieren wollten. Dieses Schreiben wurde zwar nie abgeschickt und die Diskussion ist inzwischen auch wieder ruhiger geworden. Dennoch sagt Personalrätin Schwering: "Auch bei den Ärzten gibt es nach wie vor massive Engpässe." Viele von ihnen müssten "drei Wochenenden pro Monat" arbeiten und "mindestens acht Nachtdienste machen". Schwering: "Die können nicht mehr und das ist so unattraktiv, das wir eine große Fluktuation haben." Die Stimmung sei sowohl unter den Ärzten als auch Pflegemitarbeitern "sehr angespannt". Hierfür nennt Schwering drei Gründe: "Die wahnsinnige Arbeitsbelastung, die ständige Rechnerei um die Kosten und die Unsicherheit, ob die Tarifgehälter auch nach dem Übergang zum Uniklinikum gleich bleiben." Schwering spricht von "dramatischen" Zuständen und beteuert, von den 100 geforderten zusätzlichen Pflegestellen könne sie "jede einzelne" belegen.

Die Diskussion um Sparpläne und Personalausstattung schwelt am Augsburger Klinikum seit Jahren, wenn nicht seit Jahrzehnten. Das Problem besteht seit Eröffnung des Großkrankenhauses, weil es quasi mit einem Geburtsfehler startete: Es ist das einzige Krankenhaus der höchsten Versorgungsstufe in ganz Schwaben, wird aber lediglich von Stadt und Landkreis getragen. Die 250 000 Patienten pro Jahr kommen aus dem gesamten Regierungsbezirk und darüber hinaus, die Kosten blieben aber stets an Stadt und Landkreis hängen. Das Ergebnis sind bis heute jährliche Millionen-Defizite. Umso größer war der Jubel der Politiker im Großraum Augsburg, als Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) ihnen plötzlich eine Uniklinik versprach.

Doch die Freude ist inzwischen erheblich getrübt. Denn der Freistaat drängt das Management des Klinikums, das Haus bis zur Übergabe doch bitte so aufzustellen, dass es keine roten Zahlen mehr schreibt. Der Vorstandsvorsitzende Alexander Schmidtke trimmt das Klinikum schon seit Jahren auf Effizienz und hat das Minus kontinuierlich abgebaut. Doch zuletzt entstand immer noch ein Minus von 3,3 Millionen Euro - und das Personal ächzt angesichts der bereits umgesetzten und noch bevorstehenden Sparmaßnahmen mehr denn je. "Ich bin ratlos", sagt die Personalrätin. Dabei betont sie, dass Klinikumschef Schmidtke nur bedingt verantwortlich für die Misere sei. "Ihm bleibt ja gar nichts anderes übrig, als die Vorgaben vom Gesetzgeber und vom Wissenschaftsministerium umzusetzen", sagt Schwering, "wie soll er es denn anders machen?"

Am Freitag besuchte Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) das Klinikum. Der Personalrat nutzte die Gelegenheit, um von ihm eine Gesetzesänderung zu fordern: "Wir wünschen uns eine gesetzliche Mindestbesetzung von Pflegekräften, wie es sie auch in Kindertagesstätten gibt", sagt Schwering. Klinikumsvorstand Alexander Schmidtke war am Freitag nicht zu erreichen.

Der Augsburger Stadtrat befasste sich unterdessen mit einem mächtigen Bebauungsplan, der für den Campus der Uniklinik quasi einen neuen Stadtteil an der westlichen Stadtgrenze vorsieht. Auf einer Fläche von 19 Fußballfeldern, etwa 13,5 Hektar neben dem Klinikum, sollen 1500 Studenten und mehrere Hundert Mitarbeiter Platz finden. Um einen zentralen Platz herum sollen sieben Lehr- und Forschungsgebäude entstehen, die bis zu acht Etagen hoch sind. Dazu sind noch viele weitere Gebäude geplant, in denen auch Wohnungen, Restaurants und Kindertagesstätten vorgesehen sind. Die Stadt wird von dieser Entwicklung zweifellos profitieren. Wie es den 5500 Mitarbeitern des Klinikums bis dahin ergehen wird, ist dagegen nach wie vor offen.

© SZ vom 15.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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