Nürnberg:Durchsuchung wegen Verdachts auf Abrechnungsbetrug im Rettungswesen

Lesezeit: 3 Min.

  • In Bayern haben Beamte mehrere Anwesen des Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB) durchsucht.
  • Hintergrund sind Ermittlungen gegen die Organisation wegen Betrugs. Sie soll Krankenkassen mit "Fantasiezahlen" getäuscht haben.
  • Die rechtliche Ausgangslage ist hoch kompliziert.

Von Dietrich Mittler

In einer konzertierten Aktion haben Polizei und Staatsanwaltschaft am Mittwoch beim Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) Akten und Dokumente sichergestellt. Wie ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth am Donnerstag erklärte, besteht der Verdacht "auf Betrug in einem besonders schweren Fall". Beschuldigt werden ein ehemaliger Geschäftsführer sowie sein enger Mitarbeiter. In vertraulichen Mails war vor Monaten bereits der Vorwurf lautgeworden, über Jahre hinweg habe sich der ASB-Landesverband durch Abrechnungen "mit Fantasiezahlen" im Bereich Rettungsdienst "mehrere Millionen" Euro erschlichen. Am Mittwochvormittag schlugen Polizei und Staatsanwaltschaft zu: Um Unterlagen zu sichern, wurden "die Geschäftsräume des ASB-Landesverbands in Erlangen, die Räume des ASB-Regionalverbands München sowie die Wohnräume der beiden Beschuldigten untersucht. "Zudem noch weitere Wirtschaftsprüfungsgesellschaften", teilte die Staatsanwaltschaft mit.

Der ASB-Landesverband hat die Durchsuchung durch Polizei und Staatsanwaltschaft bestätigt und zugleich den Behörden "entsprechende Kooperationsgemeinschaft" signalisiert. Ziel sei die "transparente Aufarbeitung der erhobenen Vorwürfe". Christian Boenisch, der Geschäftsführer des ASB-Regionalverbands München, stellte unterdessen klar: "Wir sind nur als Zeugen betroffen, nicht als Beschuldigte."

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Um den Vorwürfen auf den Grund zu gehen, hat der ASB-Landesverband die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Rödl & Partner mit der Überprüfung der Verdachtsmomente beauftragt. Auf deren Ergebnisse wollte die Staatsanwaltschaft aber nicht warten. Die Hausdurchsuchung in der Erlanger Zentrale sei nicht angekündigt gewesen, sagte der ASB-Landesvorsitzende Hans-Ulrich Pfaffmann. "Es wurde kurz vorher Bescheid gesagt, und dann waren die auch schon da", berichtete er über die Blitzaktion. Und: "Die haben gewusst, welche Unterlagen sie brauchen."

Hintergrund der Ermittlungen sind massive Vorwürfe, die auch den Medien zugespielt wurden. Nach diesen Informationen, die auf fundierte Kenntnisse über interne Vorgänge im ASB-Rettungsdienst schließen lassen, sollen Krankenkassen durch manipulierte Kostenabrechnungen um erhebliche Beträge betrogen worden sein. "Der ASB hat durch diese Praxis über die Jahre mehrere Millionen Euro Gelder im Rettungsdienst zusätzlich abgerechnet", heißt es in einem Schreiben, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt. So etwa seien zusätzliche, gar nicht zustande gekommene Ausgaben abgerechnet worden - etwa unter der Rubrik "Diensträume". Derart erzielte Beträge seien als Sonderposten "eingepflegt" worden.

Wie dem vorliegenden Schreiben überdies zu entnehmen ist, soll es beispielsweise für das Jahr 2015 einen vom damaligen Geschäftsführer abgezeichneten Buchungsbeleg geben, in dem "zusätzlich abgerechnete Gelder" aufgeführt sind. An die Zentrale Abrechnungsstelle für den Rettungsdienst Bayern GmbH (Zast) seien hingegen Abrechnungen mit "nachträglich bearbeiteten" Ausgabensummen gegangen.

Das habe Konsequenzen für die kommenden Jahre gehabt: "Die Abrechnungen waren in der Regel Grundlage für die folgenden Haushaltsverhandlungen mit den Sozialversicherungsträgern." Jarno Lang, erst seit Kurzem Geschäftsführer des ASB-Landesverbandes Bayern, hatte Anfang April die Vorwürfe umgehend zurückgewiesen. Von unrechtmäßigen Überschüssen könne nicht die Rede sein. Und wenn Überschüsse erzielt würden, die über den mit den Kassen vereinbarten Budgets liegen, so flössen "diese vertragsgemäß stets in andere rettungsdienstliche Leistungen wie zum Beispiel den Bevölkerungsschutz".

Aber genau hier könnte nun, wie es der ASB-Landesvorsitzende Pfaffmann formuliert, "der Knackpunkt" liegen. Mit Blick auf erste Erkenntnisse von Rödl & Partner, sagt er: "Es ist in der Tat wohl so, dass wir höhere Abrechnungsbeträge erhalten haben, als sie der reine Rettungsdienst hergibt." Und diese Beträge, die über den für den ASB-Rettungsdienst veranschlagten Ausgaben liegen, seien wohl für den Bevölkerungs- und Katastrophenschutz verwendet worden. "Wenn sich das bestätigt, ist das zumindest fragwürdig", sagt Pfaffmann - auch wenn es sich hier eher nicht um eine Millionensumme handele, sondern um "ein paar Hunderttausend Euro" - über die Jahre hinweg.

Die Angelegenheit birgt hohe Brisanz: Die Finanzierung des Katastrophenschutzes ist nicht Sache der Krankenkassen, sondern des Freistaats Bayern. Hat also letztlich der ASB-Landesverband Versichertenbeiträge der Kassen rechtswidrig verwendet? Auch Pfaffmann will das nicht mehr völlig ausschließen. Aber, so sagt er, mit "persönlicher Bereicherung" habe das nach derzeitiger Erkenntnis nichts zu tun. Im ASB besteht immer noch die Hoffnung, dass die Investitionen in den Katastrophenschutz am Ende doch straffrei bleiben. Es gebe einen Vertrag, so Pfaffmanns Informationsstand, nach welchem die Kassen dem ASB hierzu "ihr Einverständnis" gegeben haben sollen. Die rechtliche Ausgangslage sei aber in der Tat hoch kompliziert. "Wir gehen letztlich davon aus, dass das alle Rettungsorganisationen so machen", sagte er.

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