Amtsende:Unabhängig und unbequem

Lesezeit: 3 min

Abschied: Nach zwölf Jahren an der Spitze verlässt der 64 Jahre alte Heinz Fischer-Heidlberger den Obersten Rechnungshof. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Heinz Fischer-Heidlberger wird als Präsident des Obersten Rechnungshofs verabschiedet

Von Wolfgang Wittl, München

Ist das nun eine besonders elegante letzte Gemeinheit? Oder einfach nur einer von Horst Seehofers Scherzen, mit denen er seine Reden gerne beginnt? Ob man eigentlich in einem derart prunkvollen Saal feiern dürfe, wenn es um Sparsamkeit gehe, will der Ministerpräsident am Donnerstag wissen. Der Ort: Max-Joseph-Saal in der Residenz. Der Anlass: die Verabschiedung von Heinz Fischer-Heidlberger als Präsident des Bayerischen Obersten Rechnungshofs (ORH) - jene Institution, die den Politikern auf die Finger schaut und auch haut, wenn sie zu viel Geld ausgeben. Zumindest eines hat Seehofer geschafft: Er hat das Spannungsfeld hervorragend beschrieben, in dem sich Fischer-Heidlberger, 64, in den vergangenen zwölf Jahren bewegt hat. Wobei: So leicht konnte diesen Mann nichts mehr schrecken.

Als junger, parteiloser Beamter wurde der promovierte Jurist 1983 zum persönlichen Referenten von Franz Josef Strauß bestellt. Warum, weiß er bis heute nicht. Diese Zeit jedenfalls hat ihn geprägt. Strauß habe immer alles gefragt, erzählt Fischer-Heidlberger. Damals habe er gelernt, sich auf alle Eventualitäten vorzubereiten und Dinge auf den Punkt zu bringen. Als Referent war er an Strauß näher dran als viele CSU-Größen. Er musste ihn bei einer Auslandsreise ausfindig machen und vom Tod seiner Frau Marianne unterrichten. Und als es mit Strauß selbst zu Ende ging, informierte er die Staatskanzlei.

In Fischer-Heidlbergers Erinnerungen schlummern sicherlich einige Anekdoten über Strauß, dort werden sie aber auch bleiben. Sie preiszugeben, dafür ist er viel zu diskret. Unter Max Streibl und Edmund Stoiber setzte er zur Karriere als Spitzenbeamter an, brachte es bis zum Amtschef im Umwelt- und Verbraucherschutzministerium. "Höher geht es eigentlich nimmer", sagte Seehofer, "aber unabhängiger."

Diese Unabhängigkeit, mit der in Bayern sonst nur Richter ausgestattet sind, bringt jedoch nicht nur Freiheiten, noch mehr erfordert sie gute Nerven. Zu den ureigenen Aufgaben des ORH gehört es, sich bei Politikern unbeliebt zu machen. Bei Fischer-Heidlberger klingt das so: "Es geht uns um die nachhaltige Zukunftsfähigkeit der Staatsfinanzen." Dafür legt der ORH Jahr für Jahr den Finger in die Wunde. Beispielhaft genannt seien das Landesbank-Desaster, die Verwandten-Affäre im Landtag, von der Staatskanzlei in Auftrag gegebene Meinungsumfragen und wieder und wieder Ermahnungen zum Haushalt, die Staatsregierung solle sich nicht vom süßen Gift wachsender Steuereinnahmen zu höheren Ausgaben verleiten lassen. Als Fischer-Heidlberger mehr Eifer beim Schuldenabbau verlangte, wurde es sogar persönlich. Es handle sich nur um die Meinung eines bayerischen Bürgers, kanzelte Finanzminister Markus Söder ihn ab. Aus der CSU kamen wütende Drohungen, man solle den Rechnungshof nach Wunsiedel strafverlegen. Heute sagt Söder versöhnlich: "Ende gut, alles gut." Wer austeile wie er, müsse auch einstecken können.

Auch Seehofer ärgerte sich manchmal über die vermeintlich kleinkarierten Nörgler. Am Donnerstag bescheinigte er dem ORH und seinem scheidenden Chef "fabelhafte Arbeit", "unbequem und leistungsfähig" sei der Rechnungshof, so müsse das sein: "Sie haben nicht immer sofort Recht bekommen von uns, aber nach kurzer Denkpause dann doch." Tatsächlich muss man sich Politiker dann wie Schulkinder vorstellen. "Das ist wie bei Hausaufgaben", sagt Fischer-Heidlberger. "Man hat sie gut gemacht - und dann kommt einer daher und sagt: Es sind noch drei Fehler drin." Und manchmal spornt der Trotz diese Kinder erst an. So hat die Staatsregierung die Forderungen des ORH nach kurzer Schmollphase sogar noch übertroffen, als sie ankündigte, die Schulden bis 2030 komplett tilgen zu wollen. Darüber zu wachen, wird nun die Aufgabe von Christoph Hillenbrand sein, dem neuen ORH-Präsidenten. Die Opposition im Landtag hofft, er möge die Arbeit seines Vorgängers fortsetzen, wie Markus Rinderspacher (SPD) und Margarete Bause (Grüne) sagen: überparteilich, neutral, hartnäckig, unbequem.

Er habe gelernt, "Auseinandersetzungen nicht weiter zu befeuern, sondern stehen zu bleiben und abzuwarten", bilanziert Fischer-Heidlberger. Sein Prinzip lautete: "Wir suchen den Konflikt nicht, aber wir gehen auch keinem aus dem Weg." Und auch wenn Politiker eines im ersten Ärger oft nicht wahrhaben wollen: Letztlich stärkt der Rechnungshof nur das Vertrauen in die Politik und damit auch die Demokratie.

Ein Amt wird Fischer-Heidlberger noch behalten: Er bleibt Vorsitzender der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF), verabschiedet wurde er nur als ORH-Präsident. Der Saal sei dafür übrigens geradezu ideal, fand Seehofer. Es war König Max I. Joseph, der den Rechnungshof vor gut 200 Jahren gegründet hatte.

© SZ vom 01.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: