Aigner zu Besuch am Jochberg:Heimspiel ohne Punkte

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Trotz vieler Mikrofone: Viel zu sagen hatte Bayerns Superministerin Ilse Aigner bei ihrem Besuch am Jochberg nicht. Sie wollte lieber nur zuhören. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Sie wolle Bedenken mitnehmen und Ängste zerstreuen, sagt Ilse Aigner bei ihrem Besuch in ihrer Heimat am Jochberg. Im Konflikt um das umstrittene Pumpspeicherkraftwerk legt sich die Energieministerin jedoch nicht fest.

Von Matthias Köpf und Mike Szymanski

Als Ilse Aigner vor dem entlegenen Gasthaus am Ufer des Walchensees ankommt, da können die paar Aktivisten, die am Freitagvormittag gegen den geplanten Pumpspeicher am Jochberg protestieren, ihre Transparente gleich wieder einrollen. Die Limousinen rollen bald noch einen Kilometer weiter, von wo aus der Jochberg auch wirklich zu sehen ist und sich als Hintergrund für die Fotos anbietet.

Die erste öffentliche Bewährungsprobe von Ministerpräsident Horst Seehofers erklärter Superministerin für Wirtschaft und Energie ist ein Heimspiel im einstigen Bundestagswahlkreis, wo Aigner bei den Funktionären immer noch "unsere Ilse" und auch die beiden Bürgermeister von Kochel am See und der Jachenau ihre Parteifreunde sind. Die Pumpspeicher-Pläne der Energieallianz Bayern stören die Harmonie ein bisschen, aber die Staatsregierung und sie als Wirtschaftsministerin würden da sowieso nichts entscheiden und hätten eigentlich auch fast nichts mitzureden, sagt Aigner.

Dass sich die Ministerin, die sich bei solchen Besuchen sonst gern in karierten Blusen und mit Rucksack fotografieren lässt, den Jochberg nicht vom Gipfel aus anschaut, liegt am Schnee, der während der langen Berliner Koalitionsverhandlungen am Jochberg inzwischen gefallen ist. Die Perspektive von unten passt ihr gerade aber auch als Symbol, denn einen Seehofer-Satz wiederholt Aigner an dem Tag immer wieder: Über die Köpfe der Menschen hinweg werde in der Angelegenheit nichts entschieden.

Das Entscheiden würde Aigner am liebsten den Behörden im Raumordnungsverfahren überlassen und den Zorn der Kochler und Jachenauer ganz der Energieallianz Bayern, einem Zusammenschluss von 33 kommunalen Energieversorgern und dem Unternehmer Max Aicher, der das im Februar bekannt gewordene Pumpspeicher-Projekt am Jochberg vorangetrieben, angesichts der lokalen Widerstände und der unklaren energiepolitischen Zukunft zuletzt aber einen Planungsstopp verkündet hat.

Mit den künftigen Rahmenbedingungen für die Energiewende werde sich im Frühjahr das Kabinett und im Sommer das Parlament befassen, sagt Aigner. Bis dahin könnten auch die umfassende Standort-Untersuchung für Pumpspeicher aus dem Münchner Umweltministerium und die neuen Leitlinien für die Energiewende aus ihrem eigenen Haus fertig sein. An diesem Tag sei sie da, um die Bedenken mitzunehmen und Ängste zu zerstreuen. Das mag ihr eine halbe Stunde später unten im Wirtshaus in der Jachenau nicht recht gelingen, wo die Männer, wie es sich für Trachtler gehört, den Hut immer noch aufbehalten und außer Aigner sowieso nicht viele Frauen dabeisitzen.

Die Aktivisten der beiden lokalen Jochberg-Initiativen haben ihre Transparente zum dritten Mal eingerollt, sitzen hinten im Saal und äußern sich misstrauisch, aber so etwas ist Aigner gewohnt. Doch rund um den Jochberg zählen zu den Gegnern auch die vielen Männer mit den Filzhüten, den Lederhosen und den Trachtenjankern, die in den Gemeinderäten von Kochel und der Jachenau sitzen und Aigner als Landwirtschaftsministerin immer so freundlich empfangen haben. Jetzt sorgen sie sich um ihre Wege auf den Berg, um ihr Wild in den Wäldern und um ihr Dorf, das nach Einwohnern die kleinste Gemeinde Bayerns ist. Einer von ihnen erinnert sich noch, wie Aigner 1998 zum 50-Jahr-Jubiläum der örtlichen Trachtler gekommen ist und gesagt hat, dass man an so einem schönen Fleckchen Erde auf keinen Fall etwas verändern dürfe. Heute ist er Mitglied der Initiative "Kein PSW", die sein Sohn mitgegründet hat.

Für die Moderation im Saal hat Aigner sicherheitshalber ihren Nachbarn Wolfgang Salewski mitgebracht, einen Psychologie-Professor und Spezialisten für Krisenkommunikation, der einst schon mit den Flugzeugentführern in Mogadischu verhandelt hat. Er hat es nicht schwer mit dem Publikum, doch das hat sich von Aigner sowieso keine klare Aussage erwartet und behelligt sie kaum mit Fragen, sondern übt eher Kritik an der Vertretern der Energieallianz.

Wie Aigner die aktuellen und die absehbaren Konflikte rund um die Energiewende stemmen will, ist an dem Tag nicht zu erfahren. Bayern will keine Atomkraft mehr und trotzdem 2022 noch so viel Strom produzieren, dass rechnerisch der eigene Bedarf gedeckt wird. Pumpspeicherkraft-werke wollen die Bürger nicht, und Seehofer mag nicht zu viele Windräder in seinem Freistaat haben. Die große Koalition in Berlin - sofern sie kommt - hat es auf die Biogasanlagen abgesehen. Für Mitte 2014 kündigt Aigner ihr Konzept an. Seehofers Ansage, nicht über die Köpfe der Bürger weg zu entscheiden, mag es ihr an diesem Tag leichter machen, doch in den kommenden Monaten sicher nicht.

In ihrem neuen Ministerium hat sie bisher fast weniger Zeit verbracht als in Berlin. Außerdem verhedderte sie sich in Spielchen um Macht und Posten in ihrer CSU. Den Abgeordneten und Parteifreund Klaus Stöttner wollte sie beispielsweise bei sich im Ministerium unterbringen, machte aber im letzten Augenblick einen Rückzieher. Es geht für die 48-jährige Aigner auch darum, Boden gut zu machen, anzukommen in ihrer neuen Rolle.

© SZ vom 30.11.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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