Frauen, die in Bayern eine ungewollte Schwangerschaft beenden wollen, finden mitunter nur schwer einen Arzt, der den Eingriff durchführt. Auf diesen Versorgungsengpass weisen die Grünen im Landtag seit längerem hin. Am Mittwoch präsentierten sie nun Vorschläge, wie der Missstand behoben werden könnte. Ihre zentrale Forderung: Universitätskliniken sollten verpflichtet werden, den Eingriff anzubieten.
Für die Frauen ist die derzeitige Lage dramatisch, finden die Grünen. Beispiel Niederbayern: Dort gibt es nach Aussage der Grünen nur noch einen Arzt, der Abtreibungen durchführt - und das nur alle 14 Tage. Unter den Kliniken dort ist Deggendorf die einzige, die Abbrüche anbietet, aber nur in den seltenen Fällen einer medizinischen Indikation, etwa bei Spätabtreibungen schwer behinderter Kinder. Die Uniklinik Regensburg bietet Schwangerschaftsabbrüche nicht an, da die Frauenheilkunde dort im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in Regensburg ausgelagert ist, einem kirchlichen Haus.
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Auch in Schwaben und der Oberpfalz finden sich keine Krankenhäuser mit Bereitschaftsanzeige, Schwangerschaftsabbrüche vorzunehmen. Die Informationen stammen aus Anfragen, die die Grünen der Staatsregierung gestellt haben, zuletzt im Mai 2023. In den vergangenen Jahren habe sich die Situation nicht verbessert. Im Gegenteil. Sie könnte sich zuspitzen, wenn Ärzte in Rente gehen. Der Altersdurchschnitt der niedergelassenen Ärzte und Ärztinnen, die Schwangerschaftsabbrüche und Beratungen vornehmen, liegt bei 57 Jahren.
Ungewollt Schwangere würden im Freistaat auf einen Spießrutenlauf geschickt, kritisierte die Fraktionsvorsitzende der Landtags-Grünen, Katharina Schulze. "Es gibt kaum Praxen oder Kliniken, die Abbrüche vornehmen, die Wege sind zu weit und Wartezeiten oft viel zu lang."
Dass die Wege zum nächsten Arzt gerade in Bayern teilweise weit sind, zeigt auch eine Umfrage des Recherchenetzwerks Correctiv unter 200 Frauen in Bayern. Diese mussten in 30 Prozent der Fälle mehr als 50 Kilometer weit für den Schwangerschaftsabbruch fahren. Die Staatsregierung interpretiert die gleichen Daten allerdings offenbar anders. Insgesamt seien knapp hundert Einrichtungen für die Vornahme von Schwangerschaftsabbrüchen zugelassen, sagte eine Sprecherin des Gesundheitsministeriums. Damit sei ein ausreichendes Angebot an stationären und ambulanten Einrichtungen in Bayern vorhanden.
Den Grünen stellen das in Frage. Es bestehe eine Kluft zwischen den gemeldeten Stellen und denjenigen, die Abbrüche tatsächlich durchführen, heißt es in dem Papier, das die Partei nach eigenen Angaben gemeinsam mit Ärzten und Ärztinnen, Beratungsstellen und Gesundheitsämtern aus verschiedenen bayerischen Regionen entwickelt hat.
Pro Uniklinik solle es zwei Ärzte geben, die eine Abtreibung vornehmen können
Der Bedarf müsse deshalb genauer erfasst werden. Zunächst sollten außerdem die Unikliniken in die Pflicht genommen werden, da diese staatliche Fördergelder erhalten: Pro Universitätsklinik sollten mindestens zwei Ärzte beschäftigt werden, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen, fordern sie.
Die Unikliniken als letzter Pfeiler der medizinischen Versorgung? Beim für die Universitäten zuständigen Wissenschaftsministerium verweist man darauf, dass die medizinische Versorgung der Bevölkerung gerade nicht die erste Aufgabe der Universitätskliniken sei, da diese auch für Lehre und Forschung zuständig sind. Auch könne kein Arzt gezwungen werden, eine Abtreibung vorzunehmen. Ein Schwangerschaftsabbruch durch Ärzte ist in Deutschland verboten. Er bleibt aber straffrei, wenn er innerhalb von zwölf Wochen nach der Empfängnis durchgeführt wird und eine anerkannte Beratungsstelle kontaktiert wurde.
Auch die Grünen wollen deshalb in einem zweiten Schritt prüfen lassen, inwiefern auch kommunale Krankenhäuser öfter Schwangerschaftsabbrüche anbieten könnten. "Es geht bei unserer Initiative nicht darum, wie man ethisch und moralisch zu dem Thema Schwangerschaftsabbrüche steht", sagt Schulze. Die Frauen hätten ein Recht auf freien Zugang zu angemessenen und objektiven Informationen. Das Thema aber bleibe ein Tabu. Es fehle eine Übersicht der notwendigen Informationen über Anlaufstellen für Betroffene. Die Grünen fordern deshalb vor allem auch mehr Informationen: Ein zentrales, gesichertes Portal im Internet, das zeigt wo welche Ärzte und Kliniken Abbrüche durchführen. Aber auch mehr Aufklärung im Kampf gegen Falschinformationen und Stigmatisierung, mehrsprachig und in leichter Sprache.