Zug gegen Zug: Kollisionswarner:Wenn zwei sich treffen

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Ähnlich den Kollisionswarngeräten für den Flug- und Schiffsverkehr sollen jetzt auch Züge mit solchen Sicherheitssystemen ausgestattet werden.

Klaus C. Koch

Für Flugzeuge gibt es ein Kollisionswarnsystem namens TCAS (Traffic Alert and Collision Avoidance System). In der Schifffahrt leistet ein Automatisches Identifikationssystem (AIS) vor allem in dicht befahrenen Meerengen und an Hafeneinfahrten wichtige Dienste. Es funkt in kurzen Abständen die eigene Position in den Äther, um angesichts kilometerlanger Bremswege rechtzeitig vor Verkehr zu warnen, der die Strecke kreuzt.

Zug gegen Zug: Das neue Warnsystem wurde vorgestellt - in einem Triebwagen der Bayerischen Oberlandbahn. (Foto: Foto: oh)

Ein ähnlich funktionierendes Warnsystem für die Bahn soll jetzt Unfälle wie den zwischen zwei Regionalzügen vermeiden, die Mitte Februar bei Brüssel aufeinanderprallten und 18 Menschen in den Tod rissen. Als Demonstrationsobjekt diente in der vergangenen Woche auf einem Eisenbahntestgelände bei Wegberg-Wildenrath (Nordrhein-Westfalen) ein Triebwagen der Bayerischen Oberlandbahn (BOB).

Im Nieselregen steuert Fritz Berg, 58, von der BOB entsandt, um die "Nordlichter" mit der waschechten Version eines "königlich-bayerischen" Lokführers samt Zwirbelbart zu konfrontieren, seinen Dieselzug mit ruhiger Hand auf eine Weiche zu.

Sein Cockpit wird von zahlreichen Monitoren und Anzeigeinstrumenten beherrscht. Auf einem kleinen Zusatzbildschirm, nicht viel größer als ein handelsübliches Navigationsgerät im Pkw, blinkt seit etwa einer halben Minute ein gelbes Warnsignal. Von rechts schiebt sich ein Servicefahrzeug, ein Gleis-Unimog, ins Bild.

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Ängstliche Naturen fühlen sich an den Unfall zwischen der Magnetschwebebahn Transrapid und einem Wartungszug im Jahr 2006 erinnert. Ein Blick auf den Monitor zeigt Entfernungsdaten und den mutmaßlichen Kreuzungspunkt: Weiche 13. Ein Warnsignal ertönt, der Fahrer bremst.

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In diesem Fall hätte er auch noch auf Sicht anhalten können, erläutert Thomas Strang, Projektleiter des Instituts für Kommunikation und Navigation des Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrums (DLR), unter dessen Regie das neue Railway Collision Avoidance System (RCAS) entstand.

Anders in einem Szenario, das auf den Erstversuch folgt. Diesmal fährt der Zug in anderer Richtung - durch ein Waldstück, das die Sicht behindert, und durch eine langgezogene Kurve. Als das "Störfahrzeug" bis auf 100 Meter heran ist, ertönt ein Warngeräusch, das an das elektronische Alarmsignal in einem Flugzeug erinnert, das beim Landen die Pistenbefeuerung abräumt. Bei Tempo 40 im Zug reicht auch hier der Bremsweg noch aus.

Vor allem Regionalzüge auf eingleisigen Strecken sowie Rangierbahnhöfe, auf deren Gleisgewimmel oft Dutzende Lokomotiven, Güterzüge und Waggons gleichzeitig verschoben werden, könnten von dem Zugkollisionswarnsystem profitieren.

Wie das TCAS für den Flugverkehr und das AIS für die Schiffe ist das RCAS eine Art Funkfeuer, das permanent die wichtigsten Kenndaten über Geschwindigkeit, Bewegungsrichtung und den momentanen Aufenthaltsort sendet. Andere Schienenfahrzeuge, die mit demselben System ausgestattet sind, können die Signale im Umkreis von fünf Kilometer empfangen.

Würden hier nur reguläre GPS-Satellitendaten zur Positionsbestimmung genutzt, so DLR-Ingenieur Thoralf Noack, hätten Überlagerungen und Zeitverzögerungen Abweichungen von bis zu zwölf Meter zur Folge. Das sogenannte Kollisionsobjekt könnte sich dann genauso gut auch auf einem nahen Abstellgleis, vielleicht sogar in eine ganz andere Richtung bewegen.

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Durch die Nutzung vorhandener Gleiskarten und eines optischen Systems preiswerter Bauart, das ohne größeren Aufwand bei der Bildverarbeitung erkennt, ob ein Zug abgebogen ist oder weiterhin geradeaus fährt, werden deshalb weitere Ungenauigkeiten eingegrenzt. Beim Rangieren und im Bahnhofsbereich soll das RCAS dann auf den Meter genau funktionieren.

Es ist weniger ein revolutionär neues System, das hier zur Anwendung kommt, räumt Strang ein, als vielmehr die sinnvolle Kombination bereits vorhandener Technik. Für den Datenaustausch über Funk reichen 150 bit pro Sekunde; was nur dem Bruchteil für GSM- und Handy-Zwecke benötigter Datenraten entspricht. Weil das RCAS keine ins Gleisbett eingebauten Funksignalgeber (Balisen) benötigt, die sowohl in der Anschaffung als auch beim Einbau teuer sein können, hat es den Vorteil, nicht auf eine aufwendige Infrastruktur angewiesen zu sein. Dass es dadurch nicht zuletzt ideal für den Export ins Ausland und zum Teil auch für unterentwickelte Länder geeignet ist, habe die DLR-Forscher bei ihrer Arbeit "beflügelt", heißt es.

Das Problem, dass an Bahnübergängen des Öfteren Stoppzeichen missachtet werden oder nicht ausreichend gesicherte Schranken dazu führen, dass Fußgänger und Straßenfahrzeuge von einem Zug erfasst werden, ist damit nicht gelöst. Denn dann müssten die betreffenden Fahrzeuge ihrerseits mit Funksignalgebern ausgerüstet sein. In einem zweiten Schritt soll das RCAS später allerdings auch auf sensorgestützte Warnsignale an Bahnübergängen reagieren.

© SZ vom 26.12.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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