Zeitmaschinen (7): Austin Mini:Der Zwerg geht an den Start

Die Genialität des Mini brauchte ein paar Jahre, um in Schwung zu kommen, dann blieb sie quasi für immer: Nach 1959 war die Welt der Kleinwagen eine andere, und quergedacht war nicht nur die Lage des Motors.

Martin Stubreiter

Was bei uns als quer eingebauter Frontmotor technokratisch korrekt ins Weltbild gerückt wird, darf in England auch als east-to-west-engine die Poesie fröhlicher Weltgewandtheit verströmen.

Damit sind wir viel zu plötzlich mitten in der Geschichte, wie sie sich heute darstellt: Der BMW-Mini als erfrischender Modeartikel (wir haben dem Urahn versprochen, hier niemals von Lifestyle zu sprechen), als bunte Ergänzung zu von Vernunft gezeichneten Klein- und Kompaktwagen.

Mit dem Urmini, wie er 1959 in die Welt gerollt wurde, hat das alles quasi garnix zu tun. Er wurde von Genies und einer Krise entworfen, er hat in einzigartiger Genialität die Unterkante der Motorisierung in die Moderne geführt, er hat ein Segment umgestaltet, auch wenn Konstrukteur Alec Issigonis den Quermotor nicht erfunden hat - aber niemand vor ihm hat das Konzept verstanden und ausgereizt.

Aber von Anfang an: Die Suezkrise ließ ab 1956 Benzin deutlich teurer werden, spritsparende Autos waren also angesagt, und es gab sie kaum in England. Folglich verkauften sich deutsche Kabinenroller (Bubble Cars) sogar in Großbritannien erfolgreich, und Leonhard Lord, Chef und ein wenig auch Diktator der British Motor Corporation BMC, knurrte: "God damn these awful ugly bubble cars. We must drive them off the road by designing a proper miniature car."

Also wurde Alec Issigonis 1956 zu BMC zurückgeholt. Dort hatte er sich schon durch die Konstruktion des wunderbaren Morris Minor in die Firmengeschichte eingeschrieben, war zwischenzeitlich bei Alvis tätig, warf dann für BMC eine Skizze auf eine Serviette, wie sie nur auf Servietten entstehen kann.

So begann die Neuzeit, sie reifte unter der Konstruktionsnummer ADO 15 (Austin Development Organsation, Entwurf 15) und stand am 26. August 1959 auf der London Motor Show.

Dank des East-to-west-Motors entfielen auf die Technik nur rund 60 der 305 cm, vier Passagiere passten ohne Federlesens in den Mini. Der Motor selbst war (fast) bekannt, ein 848-ccm-Reihenvierzylinder mit 34 PS (die ursprünglich geplante 998-ccm-Version kam dann doch erst 1967), das Getriebe lag darunter und teilte sich das Öl mit dem Motor.

Die Genialität der Urmini ist unerreicht

Neuartig war auch die Federung: Dr. Alex Moulton ließ Gummielemente federn und wollte sie über ein Flüssigkeitssystem verbinden - was als Hydrolastic-Federung reifte, wurde als Whisky-Soda-Federung missverstanden und erst nach Einführung des Mini serienreif: Erstes Hydrolastic-Auto wurde der Austin 1100, der Mini bekam die Federung 1964, 1971 wurde sie aus Kostengründen schon wieder gestrichen.

Die meiste Zeit seines Lebens federte er also über Gummielemente alleine, was dieses Gokart-Feeling beim Fahren noch verfestigte, die winzigen 10-Zoll-Reifen passten wunderbar ins Bild. Sie waren von Dunlop eigens für den Mini entwickelt worden. (Beim Versuch, 8-Zoll-Reifen zu bestellen, wurde Issigonis von Dunlop nicht mehr ernst genommen.)

Überhaupt, das Fahren. Beim Einsteigen wird der frühe Mini vom Kleinstwagen zum Kompakten: Aufgrund der Schiebefenster darf man auch die Türen mit Körperteilen ausfüllen, was ein Armaturenbrett sein könnte, ist einfach nicht da, die Höhe ist luftig, und dass vor den Zehenspitzen nimmer viel kommt, fällt eher den Umstehenden auf: Von außen wirkt man immer wie ein Passagier ohne Unterleib.

Der Schalthebel des frühen Getriebes verschwindet auch nie unter dem Knie, die Gänge wollen ein bisserl reingeklopft werden, aber mit Gefühl, und der erste ist unsynchronisiert, die Übersetzung kurz, damit ist man in der Stadt flink und nach langen Überlandstrecken schwerhörig.

Sonst scheint ein früher Mini von innen langstreckentauglich, sogar die Rücksitze sind erwachsen, und was der Kofferraum nicht packt, verschwindet in den vielen Ablagen, die zusammen das Ladevolumen glatt verdoppeln.

Überhaupt ist die Genialität des Mini in der Urversion perfekt fühlbar, spätere Versionen sind innen sukzessive zugewachsen (dicke Türen durch Kurbelfenster, Armaturenbretter, ungünstigere Position des Schalthebels mit Einführung des Vollsynchrongetriebes), dafür schneller unterwegs: Bis zum Cooper S und 1275 GT reichte die Palette, wie sich die Persönlichkeit des Mini überhaupt fein verästelte.

Beim Produktionsende im Jahr 2000 war noch der Cooper übrig, mit Einspritzung und 63 PS, als fröhlicher Wink aus einer Zeit, die einmal seine war. Da war die Spielzeug-Schiene für den BMW-Mini schon gelegt.

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