Vor dem Pariser Autosalon:Autohersteller wenden sich vom Diesel ab

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Das E-Auto Zoé wird stark nachgefragt. Es gibt sogar Lieferprobleme. (Foto: Future/Getty Images)
  • In Europa sinkt der Marktanteil der Dieselfahrzeuge, besonders in Deutschland und Frankreich.
  • Doch gerade die Autohersteller aus diesen Nationen sind bislang sehr abhängig von der Motorentechnologie.
  • Doch die Zweifel am Diesel werden größer - und beim Pariser Autosalon fahren Elektroautos in die erste Reihe.

Von Thomas Fromm und Leo Klimm, Paris

So ganz tot scheint der Dieselmotor nicht zu sein, trotz VW-Affäre. Warum sonst hätte die Opel-Mutter General Motors ausgerechnet jetzt angekündigt, von nächstem Jahr an für den Heimatmarkt USA einen Geländesportwagen mit Dieselmotor auszurüsten? Ist es die Lust an der Provokation? Sollte das heißen: Jetzt, wo ihr mit euren manipulierten Dieselmotoren vom US-Markt gefegt wurdet, legen wir erst richtig mit Diesel los und zeigen euch, wie's geht?

Möglich, dass es ein sehr gezielter Seitenhieb sein sollte auf den Wolfsburger Konzern, der zwar in Europa Marktführer ist und sich weltweit ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit General Motors und Toyota liefert - in den USA aber nur ein Nischendasein fristet. Ein großes strategisches Kalkül braucht man dem Autokonzern aus Detroit wegen der kleinen Diesel-Offensive aber nicht zu unterstellen. Der Dieselmotor ist zwar noch nicht tot. Richtig lebendig ist er aber auch nicht mehr.

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Der Marktanteil von Dieselfahrzeugen sinkt kontinuierlich

Wer den schleichenden Tod des Diesel beobachten möchte, hat in diesen Tagen beim Pariser Autosalon Gelegenheit dazu. Jahrelang hatten die Hersteller, allen voran die deutschen und französischen, den Diesel als schadstoffärmere und auf Dauer günstigere Alternative angepriesen. Elektroautos, die kamen irgendwann dazu, waren aber nicht mehr als nette Öko-Spielzeuge. Ja, irgendwann mal vielleicht.

Jetzt hat man es plötzlich eilig, denn der Anteil von Dieselfahrzeugen geht zurück - langsam, aber sicher. Im August wurden nur noch 45,3 Prozent aller Neuwagen in Deutschland mit einem Selbstzündermotor zugelassen; es war der niedrigste Diesel-anteil seit März 2012.

Die Kunden sind verunsichert

Die Motoren haben seit der Dieselaffäre ein Imageproblem, die Kunden sind verunsichert. Dazu kommt die Diskussion um ausgeweitete Fahrverbote für Dieselfahrzeuge und die Ausgabe blauer Plaketten - es gibt für Kunden einige Gründe, die heute gegen die Anschaffung eines Dieselfahrzeugs sprechen. Das Problem ist: Die Hersteller haben lange auf Diesel gesetzt. Nun einfach den Schalter umzulegen, ist nicht einfach.

Neben den deutschen Herstellern haben vor allem die französischen Nachbarn ein Problem. Paris förderte den vermeintlich sauberen Antrieb jahrzehntelang besonders stark. Die Folge: Nach Berechnungen der Organisation Transport & Environment fahren in Frankreich 5,5 Millionen Dieselautos, deren Stickstoffausstoß die Grenzwerte um mindestens das Dreifache reißt. In Deutschland, wo es insgesamt viel mehr Autos gibt, liegt diese Zahl bei "nur" 5,3 Millionen. Die VW-Affäre hat in Frankreich aber schon zu erheblichen Umwälzungen am Markt und zu unbequemen Erkenntnissen geführt - nicht zuletzt über den heimischen Hersteller Renault.

Gleich nach Bekanntwerden des Skandals bei VW beauftragte Umweltministerin Ségolène Royal eine Fachkommission, die Abgaswerte der meistverkauften Modelle im Straßenbetrieb zu testen. Royal wollte ausschließen, dass weitere Hersteller Betrugssoftware einsetzen. Schnell zeigte sich, dass ausgerechnet Renault-Diesel die Grenzwerte teils um mehr als das Zehnfache überstiegen. So war beim Mini-SUV Captur der Stickstofffilter so eingestellt, dass er nur alle 20 Minuten ansprang anstatt alle fünf. Nur VW? Von wegen.

Beim beliebten Kleinwagen Clio erwies sich, dass die Abgasentgiftung im Normalbetrieb so gut wie gar nicht funktioniert. "Es stimmt, wir gehören nicht zu den Musterschülern", gibt man sich bei Renault zerknirscht. Allerdings setze man "keine Betrugssoftware ein". Umweltschutzorganisationen zweifeln an dieser Aussage. Sie werfen Renault vor, mit voller Absicht eine Schmutzstrategie gefahren zu haben.

Renault bereitet sich auf das mögliche Ende des Diesels vor

Auch in Frankreich muss man nun umsteuern. Das von VW verursachte Diesel-Debakel veranlasst Renault zu einer diskreten Kehrtwende: Hatte Vorstand Thierry Bolloré den Diesel zu Jahresanfang öffentlich noch als "hyper-konkurrenzfähig" bezeichnet, soll er intern die Führungskräfte des Unternehmens im Sommer auf das mögliche Ende der Technologie eingestimmt haben. Steigende Kosten infolge des Abgas-Skandals könnten dazu führen, dass der Diesel aus einem Großteil der Modellpalette verschwindet.

Ein Konzernsprecher mag das nicht bestätigen. Er verweist lieber darauf, dass Renault zusammen mit dem japanischen Schwesterunternehmen Nissan Marktführer sei bei sauberen E-Autos. Was aber nicht darüber hinwegtäuschen kann, dass die Absatzzahlen hier noch weit hinter den Zielen zurückliegen.

Elektroautos stehen in der ersten Reihe

Frankreichs Diesel-Kommission schließt "illegale Einrichtungen" auch bei anderen Dieselmotoren als jenen von VW ausdrücklich nicht aus. Für alle Hersteller entscheidend ist jetzt, zu welchen Erkenntnissen die französische Betrugsbekämpfungsbehörde DGCCRF gelangt. Sie hatte im Winter aufsehenerregende Razzien bei Renault durchgeführt. Sollten dabei weitere Betrüger auffliegen, will sich die Regierung illegal erschlichene Steuerboni für vermeintlich saubere Autos zurückholen. Vor einem Jahr hatte Paris schon die Steuer auf Dieselkraftstoff angehoben.

Deshalb müssen nun die großen Dieselvertreter umdenken und ihre Elektroautos in die erste Reihe stellen. Immerhin: Ohne die Affäre um manipulierte Abgasmessungen bei Volkswagen, sagen Experten, hätte es mit dem Umbau der Mobilität wahrscheinlich einige Jahre länger gedauert. Nun müssen die Konzerne ran, ob sie wollen oder nicht. Auch die deutschen.

VW will in den nächsten vier Jahren den Markt mit 20 neuen Elektroautos fluten. Neu daran: Die Fahrzeuge sollen, anders als die meisten E-Fahrzeuge heute, große Reichweiten haben und 400 bis 600 Kilometer fahren können, ohne aufgeladen zu werden. Auf dem Pariser Autosalon will der Konzern eine erste Studie zeigen, die den Kunden die Angst nehmen soll, mit einem Elektroauto schon nach wenigen Kilometern liegen zu bleiben. Auch Daimler fährt in Paris mit E- statt mit Dieselautos vor und zeigt Fahrzeuge, die es auf 500 Kilometer Reichweite bringen. Geplant sind sechs neue Strom-Modelle in den kommenden Jahren.

Es sind die Autos, die die Hersteller nun brauchen. Denn: Trotz einer im Sommer beschlossenen staatlichen Kaufprämie von bis zu 4000 Euro greifen Kunden nach wie vor meist zu traditionellen Modellen mit Verbrennungsmotoren. Doch das könnte sich nun ändern.

Renault und Peugeot sind noch abhängig vom Diesel

Auch Frankreich könnte einen Boom bei E-Autos gut gebrauchen. Fuhren 2008 noch 77 Prozent aller Neuwagen mit Diesel, sind es heute nur noch 53 Prozent. Dieser Umbruch, der sich seit dem VW-Skandal beschleunigt hat, trifft die beiden französischen Hersteller ungünstig: Sie sind abhängig vom Diesel, nicht nur bei Renault, sondern auch beim selbsterklärten Diesel-Marktführer Peugeot macht der Antriebstyp rund 60 Prozent der Verkäufe aus. "Der Rückgang des Diesel ist in Frankreich stärker als in Resteuropa", räumt eine Peugeot-Sprecherin ein.

Der Trend zwingt die Hersteller etwa, die Motorenproduktion in den Fabriken auf Benzin- oder Hybridantrieb umzustellen. Und er greift die Gewinnmargen an, denn ein Diesel ließ sich bisher teurer verkaufen. In Europa, so die nüchterne Prognose bei Peugeot, werde der Diesel wohl schon 2020 nur noch 40 Prozent des Markts ausmachen.

Die Hersteller verlieren die Lust am Diesel

Da können am Ende auch Sonderrabatt-Aktionen nicht mehr viel helfen. Und da trifft es sich wahrscheinlich ganz gut, dass die Hersteller selbst kaum noch Lust haben auf ihren lange Zeit so hoch gepriesenen Diesel. Elektroautos könnten irgendwann billiger werden, die Technologie für die Dieselautos wird wegen der immer strengeren Abgasregulierung immer aufwendiger und teurer.

"Es wird sich die Frage stellen, ob wir ab einem gewissen Zeitpunkt noch viel Geld für die Weiterentwicklung des Diesels in die Hand nehmen sollen", sagte VW-Chef Matthias Müller jüngst in einem Interview. Wenn der VW-Chef höchstpersönlich an der Zukunft seiner Motoren zweifelt, dann ist das ein ziemlich schweres Indiz.

© SZ vom 29.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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