Diesel-Skandal:Renault, Fiat und Ford unter Schummelverdacht

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Neuwagen verschiedener Marken am Autoterminal im Hamburger Hafen: Der Abschlussbericht der französischen Experten-Kommission könnte dafür sorgen, dass sich der Diesel-Skandal auf weitere Hersteller ausweitet. (Foto: Getty Images)
  • Eine französische Kommission hat 86 Dieselfahrzeuge auf ihre Abgaswerte untersucht. Die Ergebnisse sind teils verheerend.
  • Demnach können die Experten "nicht mit Sicherheit ausschließen, dass illegale Abschalteinrichtungen eingesetzt werden".
  • Sie stellten fest, dass nicht nur VW, sondern die Autos vieler Marken anscheinend diese Abschaltvorrichtungen eingebaut haben.

Von Joachim Becker, Michael Kläsgen und Katja Riedel, München

Dieser Bericht ist eine Ohrfeige für Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) und für die Hersteller von Dieselautos. Zehn Monate lang hat eine unabhängige Expertenkommission in Frankreich nach dem VW-Abgas-Skandal 86 Fahrzeuge geprüft. In dem nun vorgelegten Abschlussbericht heißt es in einem Schlüsselsatz: "Zum jetzigen Zeitpunkt kann die Kommission nicht mit Sicherheit ausschließen, dass illegale Abschalteinrichtungen eingesetzt werden." Trotz der langen und politisch umstrittenen Untersuchungen kann sich das Expertengremium zu keiner schärferen und damit justiziablen Aussage durchringen. Die Prüfungen legen aber die Existenz genau solcher Betrugssoftware nahe.

Dobrindt hatte hingegen nach eingehender Untersuchung "illegale Abschaltvorrichtungen" nur bei VW feststellen können, sie aber bei allen anderen Herstellern kategorisch ausgeschlossen. Dobrindt hatte argumentiert, es gebe "illegale" und "zulässige" Abschaltvorrichtungen. Zulässig seien solche zum Motorschutz.

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86 Fahrzeuge im Straßentest

Frankreich habe dem Bundesverkehrsministerium (BMVI) den Untersuchungsbericht in der Nacht zu Dienstag zugänglich gemacht. "Der Bericht wird vom BMVI inhaltlich ausgewertet und technisch bewertet. Mit dem französischen Umweltministerium sind Gespräche vereinbart, um über die Ergebnisse der jeweiligen Untersuchungskommissionen und mögliche Maßnahmen zu beraten" sagte ein Sprecher des Ministeriums der SZ.

Der Bericht im Auftrag des französischen Umweltministeriums zielt nicht nur auf VW. Die Experten stellen im Gegenteil fest, dass viele der geprüften Fahrzeuge von Marken aus Frankreich, Deutschland, Italien, Japan, Korea und den USA anscheinend diese Abschaltvorrichtungen eingebaut haben. Sie bewirken, dass die Abgastests unter Laborbedingungen besser ausfallen als auf der Straße.

Kleine Änderungen, große Auswirkungen auf die Abgasreinigung

Die Franzosen prüften dabei wesentlich umfangreicher als die "Untersuchungskommission Volkswagen" in Deutschland. Sie testeten statt 53 insgesamt 86 Fahrzeuge, und zwar auch auf der Straße. Ein großer Teil der untersuchten Fahrzeuge wies dabei schon unter Laborbedingungen viel höhere Emissionen von gesundheitsgefährdenden Stickoxiden (NOx) auf, als den geltenden Normen nach erlaubt wäre und von den Herstellern angegeben wird.

Ausreißer bei ihren Tests waren der Fiat 500 X, der brandneue Renault Talisman, der Verkaufsschlager Renault Captur, Nissan Qashqai und Ford Kuga. Sobald nur minimale Änderungen am regulären Prüfstandslauf vorgenommen wurden, funktionierte die Abgasentgiftung nicht mehr richtig. Dabei änderten die Tester nicht einmal das vorgeschriebene Fahrprofil, sondern lediglich die Stellung der Motorhaube, oder sie bewegten die nicht angetriebenen Räder auf einem Vierrollen-Prüfstand und ließen die Batterie nicht extern laden.

Um die Prüfstandserkennung auszutricksen, genügte es auch, einfach kurz den Rückwärtsgang nach einer langsamen Testphase einzulegen. Aus alldem schließt der Bordcomputer, dass der Wagen im realen Straßenverkehr betrieben wird - und fährt die Abgasreinigung zurück.

Ins Rollen gebracht wurde die französische Untersuchung nicht nur durch die Enthüllung der VW-Betrugssoftware, sondern auch durch eine Abgasprüfung im Auftrag der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Die Berner Fachhochschule hatte im vergangenen November einen Renault Espace 1.6 dCi untersucht. Dabei wiesen insbesondere die im Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) gefahrenen Tests mit warmem Motor sehr hohe NOx-Emissionen auf. Die Werte überschritten den geltenden Grenzwert für Euro-6-Fahrzeuge um das 13- bis 25-Fache.

Dass Royal sich nun nicht scheut, auch die französischen Autobauer öffentlich anzuprangern, ist bemerkenswert.

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Überschreitungen um mehr als das 20-Fache

In Deutschland hatte es zuletzt immer wieder starke Kritik an der Veröffentlichungspraxis von Dobrindt gegeben, dem vor allem die Opposition vorwarf, er betreibe Geheimnistuerei. Das Ministerium hatte dies stets von sich gewiesen. In Deutschland war das Umweltministerium nicht in der Untersuchungskommission vertreten, obwohl das Haus von Barbara Hendricks (SPD) dies ursprünglich gewünscht hatte.

"Dabei hat auch die Nachprüfung durch das Bundesverkehrsministerium gezeigt, dass die Hersteller illegale Abschalteinrichtungen verwenden", sagt Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH. Laut Resch sei jetzt dringend eine Entscheidung des europäischen Gerichtshofs nötig: "Die Fahrzeuge müssen ihre Abgase unter allen Alltagsbedingungen und nicht nur in einem kleinen Temperaturfenster von wenigen Grad reinigen." Zu diesem Schluss kommt auch die französische Experten-Kommission, die eine unabhängige Zulassungsbehörde in Europa fordert.

Bei den Nachuntersuchungen in Frankreich wurde der Standard-Abgastest (NEFZ) auch auf der Straße nachgefahren. Dabei überschritt der Fiat 500 X den zulässigen Euro-6-Wert für Stickoxide um mehr als das 20-Fache, der Renault Captur 90 und der Renault Talisman 110 lagen um mehr als das 10-Fache über den zulässigen Limits. Frankreichs Umweltministerin Royal kündigte an: "Ich habe um diese Expertise gebeten und ich werde den Bericht konsequent bis zum Ende umsetzen."

© SZ vom 03.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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