Verkehrssicherheit:Kleiner Laster - großes Risiko?

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Der Bestand an Kleintransportern wächst stetig. (Foto: Arne Dedert/dpa)

Zu schnell, zu schwer, und eigentlich immer im Weg. Warum Kleintransporter und deren Fahrer ein schlechtes Image haben.

Von Tom Nebe/dpa

Ein Kleintransporter gerät nachts auf einer Bundesstraße auf die Gegenspur und kracht in ein Auto. Dessen Fahrerin stirbt noch an der Unfallstelle. So passiert Anfang November in Nordrhein-Westfalen. Es sind Nachrichten wie diese, die das Image von Kleintransportern bestimmen. Viele halten sie für gefährliche Kisten, am Steuer: gehetzte, übermüdete Fahrer.

Für Autofahrer ist ein Zusammenstoß mit einem Kleintransporter besonders gefährlich. Denn die hochgebauten Kisten schlagen nicht nur in der sogenannten "optimalen Verformungszone" eines Autos auf Höhe der Stoßstange ein, sondern auch höher. In so einem Fall seien die Unfallfolgen größer, sagt Siegfried Brockmann von der Unfallforschung der Versicherer. Auch ihr Gewicht - meist sind sie deutlich schwerer als Pkw - kann fatal sein. Denn bei Crashs werden die leichteren Wagen in der Regel stärker beschädigt.

Doch ist das Risiko, das von Kleintransportern ausgeht, auch besonders hoch? Mit Blick auf Unfall- und Zulassungszahlen lässt sich sagen: Tendenziell sinkt es eher. 2016 waren laut Statistischem Bundesamt 15 435 Kleintransporter-Fahrer im Güterverkehr an Unfällen beteiligt, bei denen Personen zu Schaden kamen. 2010 waren es noch 2263 mehr. Dagegen ist der Bestand von Kleintransportern im Lkw-Segment im selben Zeitraum von 1,85 auf 2,28 Millionen gestiegen. Es gibt also mehr für Gütertransporte genutzte Kleintransporter und weniger Unfälle. Auch im Vergleich zu Pkw ist das Unfallrisiko nicht viel höher.

"Es gibt genauso drängelnde Auto- und Lkw-Fahrer"

Doch woher kommt dann der schlechte Ruf? Für Jürgen Bente vom Deutschen Verkehrssicherheitsrat (DVR) hat das viel mit Wahrnehmung zu tun. Die Fahrer von Paketlieferdiensten, die nicht selten unter Zeitdruck in zweiter Reihe parken, prägten beispielsweise das Bild vieler Menschen. Manche verbänden mit den Kleintransportern den drängelnden Handwerker auf der Autobahn. Bente gibt zu bedenken: "Es gibt genauso drängelnde Auto- und Lkw-Fahrer." Viele der Vorurteile könnten sich aus der Zeit der Jahrtausendwende gehalten haben. Im Segment der Kleintransporter zwischen 2,8 und 3,5 Tonnen stiegen von 1997 bis 2001 die Unfallzahlen stark an, so ein Bericht der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) aus 2010. 1997 wurde das für sie geltende Tempolimit von 80 Stundenkilometern aufgehoben.

Nach 2001 nahm ihr Bestand weiterhin zu, das relative Unfallrisiko sank. Doch auch in den Nullerjahren blieb es noch höher als das von Pkw, Lkw unter 7,5 Tonnen und Transportern von zwei bis 2,8 Tonnen. Siegfried Brockmann erklärt sich ihren Ruf so: Das relative Unfallrisiko, also die Zahl der Unfälle gemessen am Fahrzeugbestand, gehe zurück. Aber die Zahl der Kleintransporter auf den Straßen nehme zu - und je mehr man von ihnen sieht, desto eher könne der Eindruck entstehen, dass sie unter Umständen ein Risiko sind.

Doch objektiv betrachtet sei das Unfallrisiko von Kleintransportern also kein "so gravierendes Problem", hält Brockmann fest. Vielleicht seien die Fahrer aber auch sensibler für das Thema Fahrsicherheit geworden, mutmaßt Brockmann. Zum Fahren von Kleintransportern wie Mercedes-Benz Sprinter, VW Crafter oder Ford Transit reicht ein Autoführerschein. Die Fahrer seien also nicht so gut ausgebildet wie Lkw-Fahrer, so die BG Verkehr, die als gewerbliche Berufsgenossenschaft etwa für die Post-Logistik zuständig ist. Dabei kann das Lenken eines Transporters für Autofahrer eine Herausforderung sein. Die Rundumsicht ist häufig schlecht, die hohen Wagen sind anfällig für Seitenwinde. Trotz Sicherheitssystemen wie ESP, Brems- oder Seitenwindassistenten sind sie, vor allem voll beladen, schwerer zu beherrschen als Autos. Gerade auch Gelegenheitsfahrer, die sich einen Transporter beispielsweise für einen Umzug leihen, überfordert das oft. Ein Manko sei zudem die Ladungssicherung, ergänzt Bente. Ungesichert würden schwere Ladungen bei einer Vollbremsung zum gefährlichen Geschoss. Für berufliche Kleintransporter-Fahrer könnte Bente zufolge eine verpflichtende Fortbildung sinnvoll sein - wie sie Lkw-Fahrer alle fünf Jahre machen müssen.

Ein ungewöhnlicher Unfalltyp kommt derzeit nach Angaben der BG Verkehr häufiger vor als noch vor einigen Jahren: das Wegrollen von Fahrzeugen. Dies könne tödlich enden, wenn der Fahrer versucht, den rollenden Transporter aufzuhalten, heißt es. Mit einer selbständig einrastenden Feststellbremse sei das zu verhindern. Vor allem, weil im Zustellverkehr beispielsweise bei der Post mehr als 100 Stopps am Tag oft ganz normal sind.

© SZ vom 13.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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