Kein Hund bellt. Kein Nachbar lästert. Kein Hauch von verbranntem Sprit mischt sich in den morgendlichen Dunst. Keine Tür knallt, denn alle drei Testwagen sind mit Zuziehhilfen ausgestattet: Wenn schon leise und elektrisch, dann richtig. Bitte einsteigen, anschnallen und die Denkmütze aufsetzen, denn vor dem Start sollte man sich mit den komplexen Cockpits vertraut machen. Mit dem Touch-Zoom-Wisch-Drück-Vexierfeld im Hauptmonitor der Jaguar-Kommandozentrale etwa. Erster Eindruck: höchste Zeit für vereinheitlichte Funktionalitäten, durchgängige Symbolik und ein aufgeräumtes Bedienkonzept mit dem Fokus auf wirklich wesentliche Zugriffe.
Teslas Model S setzt seit sieben Jahren Maßstäbe, die deutschen Hersteller entschieden sich nach langem Zögern erst einmal für Kompromisse. Der Audi E-tron 55 ist im Prinzip ein stark modifizierter Q5, der Mercedes EQC hängt an der Nabelschnur des GLC. Nur Jaguar wagte eine weitgehende Neuentwicklung. Der I-Pace verwendet zwar die Radaufhängung und die Klimaautomatik des F-Pace, doch bei Chassis, Batterie und Antrieb beschritten die Briten neue Wege. Das zeigen auch die coupéhaften Proportionen des Breitbau-Stromers. Mit 4,68 Meter ist der Jaguar nicht nur kürzer, sondern wirkt auch sportlicher als seine Wettbewerber made in Germany. Zudem ist er etwa 300 Kilo leichter.
Es sind weder Leistungsdaten noch Preise, die diesen Vergleich entscheiden. Die beiden E-Maschinen im Jaguar bringen es auf 400PS, Audi und Mercedes legen die Latte mit jeweils 408PS nur marginal höher. Auch die Akkus liefern sich mit 80 Kilowattstunden (kWh) im EQC und jeweils 90 kWh im E-tron und I-Pace ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Nahezu Gleichstand herrscht selbst beim Drehmoment-Gebirge von rund 700 Nm und den realistischen Reichweiten. Bei einstelligen Minusgraden sind nach dem Testverfahren WLTP zwischen 305 und 325 Kilometer möglich, im Sommer darf man auf 400 Kilometer hoffen. Voraussetzung ist eine moderate Fahrweise, wobei auf der Autobahn die Formel Richtgeschwindigkeit = Höchsttempo gilt. Wer im Verkehrsfluss mitschwimmt, kommt in allen drei E-Mobilen mit rund 25 kWh pro 100 Kilometer aus. Wer den Fuß stehen lässt, muss nach spätestens 150 Kilometer an die (Gleichstrom-)Steckdose. Dort wird der Audi mit bis zu 150 kW Ladeleistung in nur 25 Minuten abgefertigt. Die Mercedes-Akkus lassen sich mit 110 kW beaufschlagen und brauchen knapp zehn Minuten länger. Einen Kaffee samt Croissant mehr kann sich der Jaguar-Fahrer gönnen. Weil sich die Raubkatze mit 104 kW nährt, verlängert sich der Boxenstopp auf 44 Minuten. An der heimischen Wallbox werden für die volle Dröhnung zwischen acht (E-tron) und 13,5 Stunden (I-Pace) veranschlagt.
Auch der Preisvergleich schiebt keinem der drei Musketiere die Favoritenrolle zu. Den Jaguar gibt es ab 79 450 Euro, Audi ruft mindestens 80 900 Euro auf, der Mercedes steht mit 71 281 Euro in der Liste. Mit viel Ausstattung belasten sechsstellige Endsummen das Konto. Dafür gibt es beim EQC zwar nur 180 km/h Höchsttempo, aber reihum einen Beschleunigungs-Kick, der aus dem Stand heraus die ersten zehn, 20 Meter im Zeitraffer einkassiert. Der Jaguar verzieht beide Mundwinkel mit einem 4,8-Sekunden-Sprint zu einem breiten Grinsen. Der Stern braucht drei Zehntel länger für den Spurt von 0 auf 100 km/h, und die vier Ringe passieren die Lichtschranke erst nach 6,6 Sekunden.
Der E-tron ist im Innenraum fast eine Kopie des besagten Q5.
Auch der EQC ist nicht geräumiger als die Verbrenner auf derselben Plattform. Der Elektro-Mercedes bietet auf den Rücksitzen sogar deutlich weniger Kopf- und Beinfreiheit als der GLC. Messbar mehr Platz ist im Jaguar, der in diesem Trio den längsten Radstand durch die Gegend fährt. Weil sich Motoren und Leistungselektronik im I-Pace besonders klein machen, glänzt Sir Jaguar mit der größten Netto-Grundfläche und mit einem 656 Liter-Gepäckabteil auf E-tron-Niveau. Im Benz beschränkt der Batterie-Klotz dagegen das Ladevolumen auf 500 Liter. Normalerweise müsste ein neu konzipiertes E-Auto einen deutlich engeren Wendekreis beschreiben als ein Verbrenner-Derivat, doch die aus Kostengründen vom F-Pace übernommene Vorderachse kann mit ihrem kleinen Einschlagwinkel diesen Vorteil nicht ausspielen.
Das hohe Gewicht, der große Achsabstand und die serienmäßige Luftfederung (beim EQC nur hinten) schaffen beste Voraussetzungen für hohen Fahrkomfort. In der Praxis wird der vielversprechende Ansatz freilich durch überdimensionierte Räder konterkariert. Der Audi-Testwagen lebte auf 20-Zoll großem Fuß (Serie sind 19-Zöller), und auch der Mercedes war mit 20-Zoll-Gummis eine Nummer breiter mischbereift als das Basismodell. Der Jaguar rollt normalerweise auf 18-Zöllern vom Band, doch es geht auch deutlich ruppiger - zum Beispiel im Form der in diesem Fall montierten Contis der Dimension 255/40 R22. In Verbindung mit der strafferen Grundabstimmung bedingt dieses Extra ein spröderes Abrollverhalten, ein härteres Anfedern und eine ausgeprägtere Spurrinnen-Empfindlichkeit. Die deutsche Konkurrenz kann das besser, aber wenn's pressiert, sind E-tron und EQC eben weniger engagiert und behende unterwegs als der Dynamiker von der Insel.
Sobald die Post abgeht, machen Masse und Gewicht dem Audi zu schaffen. Normalerweise kümmert sich allein der 165 kW starke Heckmotor um den Vortrieb, doch bei Bedarf leistet das 135 kW-Zweitaggregat in Sekundenbruchteilen erste Hilfe. Der E-tron ist neutral abgestimmt und selbst im Dynamikmodus jederzeit gut beherrschbar. Grip und Traktion lassen keine Wünsche offen, und auch die Bremse beherrscht ihr Handwerk, wenngleich ein noch feinerer Übergang von der elektrischen zur mechanischen Verzögerung kein Fehler wäre. Leider enttäuscht die leblose und stumpfe Lenkung, weil Servounterstützung, Lenkwinkel und Übersetzung miteinander im Clinch liegen. Die mehrstufige Rekuperation unterstützt zwar das viel beschworene One-Pedal-Feeling (Gas Wegnehmen ersetzt Bremsen), stört aber gleichzeitig den an sich souveränen Bewegungsablauf durch abrupten und in Verbindung mit den Assistenzsystemen oft vorschnellen Tempoabbau.
Auch der EQC wird nicht müde, seine Talente unter Beweis zu stellen. Ob der Herr vielleicht eine von fünf Rekuperationsstufen einloggen möchte? Oder dabei zusehen, wie der Reichweiten-Radius auf dem Monitor von einer Melone zur Zwetschge schrumpft? Oder ein anderes Fahrprogramm wählen, einen Slot an der nächsten Ladestation vorbuchen, das Auto für den nächsten Trip vorkonditionieren? Dafür muss der Fahrer keinen Finger rühren, denn die MBUX-Sprachsteuerung hat inzwischen die Qualität eines Live-Dialogs. Der E-Mercedes ist ein gelassener Gleiter, nicht sonderlich spritzig, aber ausreichend wendig, von Natur aus ein Fronttriebler der nur in Ausnahmefällen kurzfristig die Hinterachse hinzuzieht. Die leichtgängige, dennoch zielgenaue Lenkung vermittelt das gewünschte Maß an Fahrbahnkontakt, das komfortbetonte Fahrwerk hält nach Möglichkeit einen Respektabstand zu den Verführungen des Grenzbereichs.
Der Jaguar ist unter dem Strich eher Jäger als Beute. Sein Lademanagement bedarf zwar der baldigen Nachbesserung, sein Bordcomputer erinnert an das Orakel von Delphi und seine Verarbeitung hat noch Luft nach oben. Dafür ist der deutlich leichtere I-Pace flinker und engagierter als die anderen beiden unterwegs. Gieren, Wanken und Rollen kennt er nur aus dem Fremdwörterlexikon; nach kurzem Druck auf die DSC-Taste verdoppelt die heckbetonte Drehmomentverteilung kurzerhand den Spaßfaktor; die fixe Lenkung empfiehlt sich als intuitives Präzisionsinstrument ohne Filter und Weichzeichner. Auf Landstraßen zieht der erstaunlich handliche Jaguar seinen Herausforderern Kurve um Kurve auf und davon, bei Nässe legt er ein unterhaltsam eindeutiges Eigenlenkverhalten an den Tag, die in seiner DNA als prägender Wesenszug festgeschriebene Dynamik macht am Ende des Tages den kleinen, feinen Unterschied. Wenn man in einem E-SUV zumindest ansatzweise die hurtigen Fahreigenschaften eines Verbrenners wiederfinden möchte, dann am ehesten in diesem.