Superbike-Weltmeister:"Ich bin ein Wettkampftyp, kein Speedfreak"

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Weltmeister Jonathan Rea startet am Sonntag beim deutschen Superbike-Rennen auf dem Lausitzring. (Foto: Getty Images)

Jonathan Rea ist Motorrad-Weltmeister in der Superbike-Serie. Dabei kommt er eigentlich aus der Motocross-Szene - und hat nicht einmal einen Motorradführerschein.

Von Thilo Kozik

Zurückhaltend, fast schüchtern wirkt Jonathan Rea bei seinem Auftritt auf den Kawasaki Days, dem deutschen Markentreffen der Grünen in Schotten am Vogelsberg. Bereitwillig verteilt der amtierende Superbike-Champion Autogramme, posiert für zahllose Selfies und unterhält sich mit den Fans, er wirkt ausgeglichen und durch und durch bodenständig. Das hat viel mit seiner Herkunft zu tun: Am 2. Februar 1987 kam er als Jonathan Andrew Rea in Ballymena nahe Belfast in Nordirland zur Welt, wo man angesichts schwieriger wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Verhältnisse gelernt hat, dem Schicksal mit Demut zu begegnen.

Dort wird den Menschen noch etwas anderes in die Wiege gelegt: die Begeisterung für den Motorradsport. Nordirland gilt als Hort des Road Racing, das dort genau so populär wie Fußball ist. Reas Vater Johnny war ein bekannter Straßenrennfahrer, der 1989 sogar ein Rennen der legendären Tourist Trophy auf der Isle of Man gewinnen konnte.

Ursprünge im Motocross

Allerdings trat der "kleine Johnny", wie er in seiner Heimat genannt wird, nicht ganz in die Fußstapfen seines Vaters - bei Straßenrennen war er nie am Start. Sein motorsportlicher Weg begann im Dreck auf dem Motocrossgelände, und Rea junior war so talentiert, dass er schon mit zehn Jahren die Britische Motocross-Meisterschaft in der 60-Kubikzentimeter-Klasse gewann. Es folgte der Aufstieg durch die diversen Motocross-Klassen, doch ein Wechsel zu den Rundstreckenrennen kam ihm nie in den Sinn. "Damals hielt ich Rundstreckenrennen für eine langweilige Sache," erinnert er sich.

Erst seine nordirischen Freunde Michael und Eugene Laverty, später selbst erfolgreiche Motorradrennfahrer, überredeten ihn, es 2003 in der britischen 125-Kubikzentimeter-Klasse zu versuchen. Dabei hat Rea Blut geleckt, und mit gerade mal 18 Jahren stieg er 2005 in die hart umkämpfte britische Superbike-Meisterschaft auf. Dort machte er auf einer Werks-Honda Fireblade mit einigen Highlights auf sich aufmerksam, wurde 2007 Vizemeister und trat im Jahr darauf in der Supersport-Weltmeisterschaft an. Dort wurde er auf Anhieb Vize-Weltmeister, was ihm einen Startplatz in der Superbike-WM, der stärksten Klasse bei den seriennahen Sportmotorräder, bescherte. Seitdem zählt er zu den Top Ten, wurde 2014 Dritter und im vergangenen Jahr Superbike-Weltmeister, auch aktuell liegt er vorn.

Auf der Isle of Man fährt er nicht - zu gefährlich

Trotz der unbestreitbaren fahrerischen Qualitäten - einen Motorradführerschein besitzt der schnelle Nordire nicht. "Vor zwei Jahren wollte ich die Prüfung machen, aber ich bin gleich in der Theorie durchgefallen - hab mich einfach zu wenig darauf vorbereiten können", gibt er zu.

Das ist aber kaum zu glauben, wenn man seine akribische Vorbereitung auf die Rennaktivitäten kennt: Rea achtet auf seine Ernährung und trinkt nur noch stilles Wasser, um trotz seiner für Rennfahrer unüblich großen Statur von 1,76 Meter auf 70 Kilo zu gelangen. Pommes sind tabu, aber allzu eng sieht er das nicht: "Manchmal muss es eben ein Schnitzel sein." Er fährt begeistert Rad und Motocross und stärkt sich im Fitnessstudio, ein starres Trainingsprogramm lehnt er ab: "Ich habe gelernt, mehr auf meinen Körper zu hören als auf einen Trainer - auch wenn Letzteres einfacher ist. Doch der Körper ist cleverer und braucht seine Auszeiten, sonst wirst du krank."

Ein besonderes Mentaltraining braucht Rea nicht, "Motocross ist das beste Training - hier musst du in jedem Sekundenbruchteil hundertprozentig konzentriert sein, weil sich die Bedingungen kontinuierlich ändern - die Anforderung ist viel höher als bei Straßenrennen, für mich das beste Mentaltraining."

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Porträt von Thilo Kozik

Auf die hohen Geschwindigkeiten im Rennen und die geforderte schnelle Reaktionsfähigkeit bereitet er sich zwischen den Wettkämpfen bei Trainingseinheiten auf Rennstrecken vor. Sein normaler Alltag ist dazu nicht angetan: "Mit meinem Auto fahre ich höchstens 100 km/h, ich bin ein Wettkampftyp, kein Speedfreak. Auf der Straße sehe ich keine Notwendigkeit, schnell zum Supermarkt oder in den Kindergarten zu fahren. Ich hole mir meine Sportbike-Kicks beim Fahren am Limit auf der Rennstrecke, mit den besten Motorrädern, der besten Technik auf der Jagd nach Hundertstelsekunden."

In der Garage steht eine Honda CB 550 von 1975

Dabei wohnt der Rea zusammen mit seiner Frau Tatia und den beiden Kindern Jake (ein Jahr) und Tyler (drei Jahre) in Castletown auf der Isle of Man. Diese beschauliche Insel in der Irischen See wird in jedem Jahr zum brodelnden Mekka der Motorradstraßenrennen-Szene, wenn für zwei Wochen die Tourist Trophy abgehalten wird. Doch er hat nicht die Absicht, irgendwann einmal an den spektakulären Rennen über abgesperrte Straßen und durch die Dörfer teilzunehmen: "Das ist mir einfach zu gefährlich." Wer da mitmache, müsse entweder sehr erfahren sein "oder schlichtweg verrückt".

Ungeachtet seiner Hochgeschwindigkeitsorgien auf abgesperrten Rennstrecken mag er das einfache Motorradfahren auf der Straße, draußen sein, den Helm aufziehen und den Alltag ausblenden. "Ich sehe mich in zehn Jahren mit meiner Frau an einem schönen Tag auf dem Motorrad mit Jethelm zum Essen fahren." Das dazu passende Vehikel steht bereits in der Garage neben den ganzen Motocrossern und Rennrädern: Eine alte Honda CB 550 von 1975 mit 50 PS Maximalleistung, die er für lediglich 800 Pfund bei Ebay ersteigert hat. Fehlt nur noch der nötige Führerschein.

© SZ vom 17.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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