Dicke Luft in vielen Städten: Obwohl Autos auf dem Papier immer sauberer werden, bleibt die Luftbelastung in vielen Städten kritisch. Grund sind die unsichtbaren, aber schädlichen Stickoxid(NOx)-Emissionen vor allem der Dieselfahrzeuge.
"Stickstoffdioxid, das hauptsächlich aus Kfz-Abgasen stammt, entwickelt sich zum Schadstoff Nummer eins", schlägt das Umweltbundesamt (UBA) Alarm, "erneut lagen 2014 mehr als die Hälfte der 500 Messstationen an stark befahrenen Straßen über dem zulässigen Jahresmittelwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter." Wie die Erfahrung vergangener Jahre zeigt, wird sich dieser Prozentsatz noch deutlich erhöhen, wenn im Mai 2015 weitere Daten von 124 Messstationen in die Statistik einfließen, die aus technischen Gründen noch nicht ausgewertet werden konnten.
Obwohl die Feinstaub-Werte sinken, sieht UBA-Präsidentin Maria Krautzberger daher keinen Grund zur Entwarnung: "Um die Grenzwertüberschreitungen beim Stickstoffdioxid in den Griff zu bekommen, ist es wichtig, dass die neue Abgasnorm Euro 6 auch im realen Verkehr zu weniger Emissionen führt. Bisher können das viele Fahrzeughersteller nur im Labor garantieren."
Diesel so sauber wie Benziner - in der Theorie
Der Verband der Automobilindustrie (VDA) schiebt älteren Fahrzeugen den schwarzen Peter zu und rührt die Werbetrommel für den Neuwagenkauf: "Moderne Euro-6-Fahrzeuge sind die technische Lösung für die verbleibende Luftqualitätsherausforderung. Nun kommt es vor allem auf eine schnelle Marktdurchdringung dieser sauberen Fahrzeuge an", so der VDA im August des vergangenen Jahres.
Seit dem 1. September 2014 erhalten neue Modelle europaweit nur noch die Typgenehmigung, wenn sie lediglich 80 Milligramm Stickoxide pro Kilometer ausstoßen - halb so viel wie nach der bisherigen Euro-5-Regelung. Ab dem 1. September 2015 ist die Euro-6-Norm generell für alle neu zugelassenen Pkw verbindlich. Damit werden alle Diesel theoretisch so sauber wie Benziner. Daimler spricht angesichts der neuen Grenzwerte vom "saubersten Diesel" der Welt und BMW rühmt sich mit dem Diesel "ADAC Eco-Tests" gewonnen zu haben.
Nicht besser als alte Selbstzündermodelle
Was der VDA und die Hersteller nicht sagen: Diverse Tests entlarven viele der angeblich umweltfreundlichen, weil verbrauchsarmen und gut gefilterten Dieselneuwagen als Dreckschleudern, die in der Praxis nicht besser als alte Selbstzündermodelle sind. Bei ihrer Untersuchung im Auftrag des niederländischen Umweltministeriums fanden Experten der Delfter Prüforganisation TNO heraus, dass neue Euro-6-Dieselmodelle im normalen Straßenverkehr nicht 80, sondern zwischen 500 und 800 Milligramm Stickoxide pro Kilometer emittieren. Der zulässige Grenzwert wird also in Wahrheit um das Sieben- bis Zehnfache überschritten.
Zu ähnlichen Ergebnissen kommt eine aktuelle Studie des International Council on Clean Transportation (ICCT). Im Durchschnitt lagen die realen NOx-Emissionen von 15 modernen Diesel-Pkw in etwa siebenmal so hoch wie das gesetzliche Euro-6-Limit. Gesammelt wurden die Daten auf 6400 Kilometer Strecke mit einem mobilen Testgerät, wie es bereits zur Überprüfung der Euro-VI-Norm für Lkw Anwendung findet. Dabei werden neben den Emissionen auch die Geschwindigkeit und die Beschleunigung des Fahrzeugs, die Umgebungstemperatur sowie Informationen zum Straßenverlauf aufgezeichnet.
"Die hohe Auflösung der Messdaten erlaubt eine genaue Untersuchung der Fahrsituationen, unter welchen erhöhte NOx-Emissionen beobachtet wurden", betont der ICCT, "der überwiegende Teil der Überschreitungen konnte weder extremen noch untypischen Fahrsituationen zugeordnet werden." Den Einsatz dieser portablen Messtechnik will auch die Europäische Kommission zum Prüfstandard machen. Noch wird in Brüssel um die Details gerungen. Die für Januar 2015 geplante Entscheidung der EU-Parlamentarier konnte die Europäische Automobilhersteller-Vereinigung ACEA gerade noch verhindern.