"Das sparsamste Modell im Segment", "verbraucht 20 Prozent weniger Kraftstoff als sein Vorgänger" und Ähnliches: Die offiziellen Verbrauchsangaben der Hersteller begegnen uns immer wieder. In der Werbung, beim Durchblättern eines Modellprospektes oder im Verkaufsgespräch beim Autohändler. Doch nur ein verschwindend geringer Teil der Autofahrer schafft es tatsächlich, so sparsam zu fahren wie vom Hersteller in Aussicht gestellt.
Der "Neue Europäische Fahrzyklus" NEFZ, nach dem der Normverbrauch eines Autos ermittelt wird, ist vielen ein Dorn im Auge. Verbraucherschützer und Umweltverbände bemängeln, dass die seit den Neunzigerjahren gültige, auf eine Richtlinie von 1970 zurückgehende und seitdem nur minimal angepasste Messmethode zu weit von der Realität entfernt sei. Laut Deutscher Umwelthilfe sind nicht einmal die Autohersteller selbst glücklich mit dem derzeitigen Verfahren. Es biete zu viele Schlupflöcher und Ausweichmöglichkeiten und verzerre damit den Wettbewerb.
25 Prozent Differenz zwischen offiziellem und tatsächlichem Verbrauch
Dabei ziehen alle Automarken die gleichen Register, wenn es darum geht, ihre Produkte mit dem Prädikat "besonders sparsam" zu versehen - die einen mehr, die anderen weniger. Laut einer von der Deutschen Umwelthilfe veröffentlichten Studie des "International Council on Clean Transportation" ICCT von 2013 weicht selbst beim Hersteller mit der größten Realitätsnähe, Toyota, der tatsächliche vom offiziell angegebenen Spritverbrauch um 15 Prozent ab. Die durchschnittliche Differenz zwischen Herstellerangabe und wahrem Kraftstoffverbrauch liegt bei 25 Prozent. Die deutschen Premiumhersteller liegen im Ranking über diesem Schnitt: Fahrzeuge des Daimler-Konzerns verbrauchen in Wahrheit 26 Prozent mehr als angegeben, Audi-Modelle liegen 28 Prozent über der Werksangabe und Schlusslicht BMW baut Autos, die im realen Leben 30 Prozent durstiger sind als auf dem Papier.
Zu ähnlichen Ergebnissen kommt der ADAC Ecotest. Dieser wurde im März 2012 deutlich verschärft und berücksichtigt neben dem NEFZ auch andere Messmethoden. Zudem wird er mit eingeschaltetem Abblend- oder Tagfahrlicht sowie aktivierter Klimaanlage gefahren. Ein Vergleich der Deutschen Umwelthilfe ergab, dass seit Verschärfung der Testmethodik satte 84 von 144 getesteten Autos mehr als zehn Prozent mehr Kraftstoff verbraucht haben als vom Hersteller angegeben. Nur acht Fahrzeuge (5,6 Prozent) verbrauchten genauso viel oder weniger Sprit, der Rest lag zwischen einem und neun Prozent über der Werksangabe.
Der Autofahrer zahlt drauf
Die Liste der festgestellten Diskrepanzen zwischen Normverbrauch und tatsächlichem Spritkonsum lässt sich beliebig fortführen. Ob eine Auswertung des Autoclub Europa von 2012, bei der die 250 getesteten Autos im Schnitt 19,6 Prozent mehr Kraftstoff verbrauchten als vom Hersteller angegeben, oder immer wiederkehrend in den Tests der Fachpresse: So gut wie nie hält ein getestetes Auto das, was es auf dem Datenblatt verspricht. Laut ICCT muss der Autofahrer wegen diesen Unterschieden bis zu 300 Euro Mehrausgaben im Jahr in Kauf nehmen.
Der Hauptgrund für die für Autokäufer so ärgerlichen Verbrauchsunterschiede liegt in den Grauzonen des NEFZ, weshalb der Zyklus leicht ausgehebelt werden kann. Laut des europäischen Dachverbandes verkehrspolitisch aktiver Umweltorganisationen "Transport and Environment" T&E nimmt das Ausnutzen von Schlupflöchern bereits bei der Fahrwiderstandsmessung, die der eigentlichen Verbrauchsermittlung vorgeschaltet ist, manipulative Züge an. Die Verwendung besonders gut eingefahrener Prüffahrzeuge, rollwiderstandarmer Reifen oder von Hochleistungs-Schmierstoffen sind die naheliegende Maßnahmen. Doch es geht noch weiter. Laut ICCT-Mitglied Axel Friedrich werden teilweise sogar Elemente der Basisausstattung ausgebaut, um das Fahrzeuggewicht zu senken, oder die Reifen über den maximalen Luftdruck aufgepumpt. "Zudem werden für eine bessere Aerodynamik teilweise Türschlitze und Kühlergrill verklebt", sagt der Verkehrsexperte.