Simson-Mopeds:Erfolgreich auf Schrott gebaut

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Das lange Leben der Simson-Mopeds: Eine Firma in Suhl produziert Ersatzteile für ein Zweirad, das seit zwanzig Jahren Geschichte ist. Und der Umsatz wächst.

Thomas Trappe

Das Firmengedächtnis kann der Chef nur in Kubikmetern fassen, bestenfalls in Regalfläche. Acht Kubikmeter Dokumente seien es, schätzt Falko Meyer. Konstruktions-Zeichnungen von Lenkstangen, Zahnrädern und Getrieben, die alle eins gemein haben: Sie stammen zum Großteil aus den 1950ern. Und sie stellen Teile von Zweirädern dar, die seit der Wende nicht mehr produziert werden.

Schneller als alle anderen: Dank einer Ausnahmegenehmigung dürfen Mopeds von Simson mit 60 statt 45 Stundenkilometern fahren. (Foto: picture alliance / dpa)

Trotzdem leitet Falko Meyer mit dem Simson-Ersatzteilwerk MZA in Suhl einen wachsenden Produktionsstandort und kann auf zweistellige Umsatzzuwächse in den vergangenen Jahren verweisen. Zwölf Millionen Euro Umsatz machte er 2010 mit Simson-Teilen.

Im Simson-Werk in Suhl wurden seit Mitte der 50er-Jahre knapp fünf Millionen Zweiräder hergestellt, zu den bekanntesten zählten die "Schwalbe" und die "S51". Das Aus für die Maschinen kam 1990, sämtliche Wiederbelebungsversuche scheiterten, 2003 ging das Werk insolvent. Falko Meyer kaufte sich die Rechte, ist seither der einzige lizenzierte Hersteller von Simson-Ersatzteilen.

Dass das Unternehmen Bestand haben könnte, glaubte er damals selbst nicht so recht. Heute weiß er, dass es den "klassischen Schwund", also das Verschrotten, "bei Simson-Fahrzeugen faktisch nicht gibt". Der 47-Jährige legt Zahlen vor: 65.000 Pakete zu je zehn bis 15 Kilo verlassen jährlich das Suhler Werk. Das entspricht etwa 10.000 Simson-Mopeds.

Seinen Hauptsitz hat die Meyer-Zweiradtechnik-Ahnatal GmbH, kurz: MZA, nicht in Suhl, sondern bei Kassel, wo die Logistik und das Management beheimatet ist. 1989 kam der gebürtige Sachse Meyer nach Hessen, gründete 1993 MZA und spezialisierte sich schon zu Beginn auf Teile für sogenannte Youngtimer aus der DDR. Als 2003 die Thüringer Traditionsmarke Simson geschlossen und ihre einzelnen Bestandteile verkauft wurden, sah er seine Chance. Er übernahm fünf Mitarbeiter, die jahrelange Werkserfahrung mitbrachten.

Inzwischen sind 14 Leute am Suhler Standort beschäftigt: Gelernte Zweiradmechaniker stellen etwa Simson-Räder her - und alles, was sonst so angefordert wird. 4000 Paletten sind im dreigeschossigen Werksgelände befüllt, beliefert werden ausnahmslos Werkstätten in Ost- wie Westdeutschland.

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Auch in den alten Bundesländern gebe es, so Meyer, "inzwischen keine Versorgungsengpässe mehr" - anders als zu Beginn der 1990er, als die DDR-Zweitakter sich zwar auch dort ausbreiteten, Ersatzteile aber vor allem im Osten verkauft wurden. 70 Prozent des Simson-Teilemarkts wird von MZA beherrscht, schätzt Meyer. Den Rest besorgten kleinere Lieferanten aus osteuropäischen Ländern, in denen es ebenfalls eine Simson-Tradition gebe.

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Die Beliebtheit der Zweitakter und damit der Erfolg der MZA beruhen zu einem großen Teil auf Nostalgie, aber eben auch auf handfesten Alleinstellungsmerkmalen.

Simson-Mopeds dürfen wegen einer Ausnahmegenehmigung im Einigungsvertrag - Bestandsschutz einer DDR-Regelung - schneller fahren als alle anderen Mopeds, 60 statt 45 Stundenkilometer. Zudem darf die Schwalbe mit einem Auto-Führerschein gelenkt werden, für alle anderen Mopeds wird eine Extra-Fahrprüfung benötigt.

Falko Meyer glaubt, dass sich zudem die "Reparaturfreundlichkeit" der Simsons herumgesprochen habe - in einem Art Baukasten-System sind auch Teile aus verschiedenen Serien miteinander kompatibel.

Wie viele Fahrzeuge es in ganz Deutschland gibt, ist indes unklar, da die als Leichtkraftfahrräder laufenden Zweiräder nicht zugelassen werden müssen. Falko Meyer geht von 300.000 Fahrzeugen aus. Insgesamt sind laut Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft 1,8 Millionen Mopeds und Mofas in Deutschland versichert.

Meyer glaubt, dass die Simson-Mopeds ihm noch mindestens zehn Jahre ein gutes Geschäft bescheren werden. Eine naheliegende Idee habe er inzwischen verworfen: Selbst als Fahrzeughersteller die Simsons wieder herzustellen. Zwar würden sie sich wahrscheinlich gar nicht schlecht verkaufen, meint er. Aber moderne Umweltauflagen würden die Herstellung schlicht unmöglich machen. Als modernes Fahrzeugkonzept tauge der Zweitaktmotor dann eben doch nicht.

© SZ vom 07.09.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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