Plug-in-Hybrid von Volvo:Unter Strom gesetzt

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Volvo will 2012 den ersten Plug-in-Hybrid im Premiumsegment anbieten - mit enorm gesteigerter Reichweite.

Joachim Becker

Viel Staub hat die größte Automobilmesse der Welt aufgewirbelt, jetzt wird zusammengekehrt. Was von der 63. IAA bleibt, sind Worthülsen wie "Leitmarkt für Elektromobilität" oder "Nullemissionsfahrzeuge". Außerhalb der Messe ist von den sagenhaften Antrieben kaum etwas zu sehen. Doch alle Autohersteller sind irgendwie Sieger, weil jeder seine eigene todsichere Wette auf die Zukunft haben will: "Jeder kann von mir aus machen, was er für richtig hält. Ich jedenfalls setze vier Milliarden Euro auf Elektromobilität", sagte Carlos Ghosn in Frankfurt. Auf der IAA hatte der Chef von Renault-Nissan vier Elektrofahrzeuge präsentiert, die bis 2012 in Serie gehen sollen; bis 2020 rechnet er mit einer Elektro-Quote von zehn Prozent. VW-Entwicklungsvorstand Ulrich Hackenberg hält mit nur 1,5 Prozent Marktanteil bei dieser Antriebsalternative dagegen. Hat Ghosn im milliardenschweren Zukunfts-Poker einen Joker in der Hinterhand?

Zwei in einem: Das neue Plug-in-Hybrid System, das Volvo auf der Basis des V70 entwickelt, sieht vor, dass das vorne liegende ... (Foto: Foto: oh)

Der Faktor X, also die große Unbekannte aller Elektro-Prognosen, ist die Politik. Während hierzulande noch für Anreizprogramme getrommelt wird, stehen andere Regierungen bereits richtig unter Strom. Der französische Staat will demnächst Aufträge für den Kauf von insgesamt 50.000 Elektroautos ausschreiben; allein die Post solle bis 2013 rund 10.000 solcher Fahrzeuge einsetzen. Zudem wolle sich Paris an einem Projekt zum Bau einer Renault-Batteriefabrik für Elektrofahrzeuge beteiligen; in Flins bei Paris sollen ab 2012 jährlich 60.000 Elektrofahrzeuge vom Band rollen. Und der Mobilitätsanbieter Better Place hat bei Renault 100.000 E-Mobile für Israel geordert; dort zahlt man 92 Prozent Steuer für einen Benziner, bei einem Nullemissionsauto nur zehn Prozent.

"Selbstverständlich gehen wir auch davon aus, dass die zuständigen Behörden Fördermittel bereitstellen, um die Entwicklungsarbeit zu unterstützen und den Markt für diesen Fahrzeugtyp zu beleben", erklärt Stephen Odell. Im Gegenzug verspricht der Chef der Volvo Car Corporation, dass die CO2- und Verbrauchswerte auf die Hälfte der heute üblichen Werte sinken werden. Der V70-Plug-in-Hybrid kann 50 Kilometer rein elektrisch fahren und seine Batterien in sechs Stunden an jeder Steckdose wieder aufladen. Fahrzeuge mit einem CO2-Ausstoß von weniger als 50 g/km werden zusätzlich zur Steuerbefreiung in Ländern wie Frankreich, Holland und Dänemark auch mit Subventionen in Höhe von rund 5000 Euro gefördert. Die Volvo-Führungsriege geht davon aus, dass diese Regelung künftig auch im Rest Europas Anwendung findet und will deshalb von 2012 an das erste Plug-in-Hybridmodell im Premiumsegment produzieren.

Im Gegensatz zu den reinen Elektrofahrzeugen von Renault, Nissan und Mitsubishi, die nur 160 Kilometer weit kommen, will Volvo seinen Kunden eine Reichweite von insgesamt 1200 Kilometer bieten. Dafür wird der V70-Plug-in-Hybrid zum Batterieauto mit knapp zwei Tonnen Gesamtgewicht aufgerüstet. Zum bewährten Fünfzylinder-Diesel mit 150 kW (205 PS) Leistung kommt ein 50 kW starker Elektromotor auf der Hinterachse, der als Generator die Lithium-Ionen-Batterien laden kann.

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Die Initiative "Better Place" hat nichts Geringeres vor, als ganz Israel zu elektrifizieren - das heißt: den Einsatz von Elektroautos auf breiter Front zu ermöglichen.

Im Prototypen wiegt der 12-kWh-Akku noch 150 Kilo und nimmt einen Teil des Kofferraums in Anspruch. Auch aus Crashgründen soll der Energiespeicher künftig in den Mitteltunnel und zwischen die Hinterräder wandern. Bis 2020 wollen die Schweden die gesamte Modellpalette für die Aufnahme von Plug-in-Hybriden vorbereiten und damit die durchschnittlichen CO2-Emissionen auf 90 bis 100 g/km senken.

... Dieselaggregat die Vorderachse antreibt und der Elektromotor die Hinterachse. (Foto: Foto: oh)

Dafür müssen sie tief in die Tasche greifen: Rund 14.000 Euro Extrakosten veranschlagen die Volvo-Experten für den derzeit aufwendigsten Großserienantrieb. Allein bis 2014 soll die Entwicklung rund 1,5 Milliarden Euro kosten. Dabei muss die bisherige Fahrzeugarchitektur kaum verändert werden, um im New European Driving Cycle (NEDC) auf einen Kraftstoffverbrauch von lediglich 1,9 Liter je 100 Kilometer zu kommen. Mit dem Stecker im Tank werden Luxusfahrzeuge zu Verbrauchszwergen - das wissen alle Hersteller: Mercedes wird einen Nachfolger der heutigen S-Klasse mit 50 Kilometer elektrischer Reichweite ausstatten. BMW-Chef Norbert Reithofer will erst "die gesamte Palette bis hinunter zum Dreier hybridisieren" und später auch Plug-in-Varianten anbieten.

Eine Sportwagenstudie mit 262 kW (356 PS) hat auf der IAA gezeigt, wie ein solcher Plug-in-Antrieb aussehen könnte: Im Stil eines Mittelmotorfahrzeugs teilt sich ein Dreizylinder-Turbodiesel mit 120 kW (163 PS) den Platz vor der Hinterachse mit einem Full-Hybrid-System. An den Vorderrädern sitzt ein zweiter E-Motor samt Elektronik - auch hier wird der Allradantrieb mit Hilfe der Elektrotraktion dargestellt.

Jetzt aber sind wohl die Politiker am Zug, um die Supersparer mit Fördergelder erschwinglich zu machen. "Die Kunden werden künftig nicht bereit sein, mehr für Mobilität zu zahlen", ist sich Paul Gustavsson sicher, "schon die Mehrkosten für Euro-6-Diesel werden ein Problem sein. Deshalb brauchen wir neue Geschäftsmodelle für Elektrofahrzeuge." Der Plan von Renault, die teuren Hochenergiebatterien der E-Mobile zu verleasen, könnte schon bald Nachahmer finden.

© SZ vom 5.10.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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