Motorshow Detroit 2010:Politik der großen Bleche

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Die gebeutelten US-Autoriesen GM, Chrysler und Ford reden vom umweltschonenden Fahren - und präsentieren schwere Geländewagen.

Thomas Fromm

Zumindest die Rhetorik sitzt schon mal. Die "Zukunft" des Automobils, werben die Macher der Detroiter Motorshow, komme "zurück nach Detroit". Zukunft, Autos, Detroit - dass das noch zusammengeht, halten viele schon für ein Wunder. Denn Detroit vor einem Jahr, das war noch die ganz große Depression.

Groß statt grün: Die US-Autofirmen bauen weiter Pkws mit großem Volumen. (Foto: Foto: AP)

Die US-Autokonzerne am Abgrund, und an vielen Messeständen waren die Lampen einfach ausgeschaltet. Zu sehen gab es eh nichts, und viele fragten sich, ob es nach der Totenmesse von 2009 überhaupt noch mal irgendetwas geben werde. Ein Jahr ist das nun her, und wenn 2009 die kollektive Beerdigung für die US-Autoindustrie war, dann steht nun die Wiederauferstehung auf dem Programm. Die Hersteller wollen nicht nur zeigen, dass sie aus dem Reich der Toten zurückgekehrt sind. Sie wollen vor allem eines: wieder ganz nach vorne.

Amerikas große weite Autowelt, sie ist allerdings eine andere als noch vor einem Jahr. Und vor allem: eine kleinere. Zwölf Monate sind eine lange Zeit gewesen für die Industrie. Ganze Fabriken wurden dichtgemacht, Zigtausende Autoarbeiter verloren ihre Arbeit.

General Motors, einst der weltgrößte Hersteller, war vor einem Jahr am Ende. 40 Tage Insolvenz und 50 Milliarden Dollar Staatshilfen richteten den Koloss aus Detroit wieder halbwegs auf. Aber Marken wie Pontiac oder Saturn sind verschwunden, andere wie Hummer an die Chinesen weitergereicht. Der Rivale Chrysler aus dem benachbarten Auburn Hills kam nach einer Blitzinsolvenz beim italienischen Fiat-Konzern unter.

Chrysler und Fiat: italo-amerikanische Schicksalsgemeinschaft

Eine dieser Kuriositäten, wie sie nur in Krisenzeiten wie diesen geschehen können, denn der Turiner Kleinwagenbauer ist selbst ein Unternehmen, das dem Tod in den vergangenen Jahren nur knapp von der Schippe gesprungen ist. Chrysler könne nun von Fiats neuer Stärke profitieren, heißt es im Konzern. Wahr ist wohl: Driftet der marode Autobauer weiter ab, dürfte er auch die neue italienische Mutter mit in die Tiefe ziehen. Chrysler und Fiat bilden nun eine italo-amerikanische Schicksalsgemeinschaft. Wohin die gemeinsame Reise geht, kann niemand sagen. Einen eigenen Auftritt in Detroit verkneift sich Chrysler jedenfalls - wer den US-Bauer sucht, findet ihn in irgendeinem Winkel beim Fiat-Stand.

Bleibt noch Ford, der dritte große US-Bauer. Zwar kam der Konzern aus Dearborn in 2009 mit einem Minus von 15 Prozent noch einigermaßen glimpflich durch die Krise, musste aber kostspielige Abenteuer wie Volvo, Jaguar und Land Rover beenden. Der Konzern macht nun auf neue Stärke, zeigt einen neuen Mustang, diesmal mit acht Zylindern und 412 PS. Die Käufer, sagen die Produktstrategen, wollen eben die kräftigen Spritschlucker. "Musclecars", Muskelautos, nennt man sie in den USA, die schweren PS-starken Wagen. Auch wenn man die Muskeln wegen der landesweiten Tempolimits nie so richtig anziehen kann - es reicht, sie zu haben. So stellt auch Cadillac sein neues Muskelauto vor; einen Coupé mit 564 PS, der es in vier Sekunden auf Tempo 100 schafft.

Viel Made in Germany für USA

Es sind Autos, die das ganze Dilemma einer Industrie zeigen: Eigentlich ist sie längst tot, die alte Autowelt. Aber eine neue, in der man es sich nun einrichten könnte, gibt es noch nicht. Daher wird in den nächsten Tagen viel über alternative Antriebe, über Elektroautos und über umweltschonendes Fahren gesprochen. Zu sehen aber wird es vor allem großen Geländewagen und bleischwere Limousinen geben.

Dabei ist fraglich, ob es wirklich noch das ist, was die amerikanischen Kunden wollen: Im Krisenjahr 2009 haben die US-Hersteller zu Hause schwer an Marktanteilen eingebüßt; profitiert davon haben vor allem Asiaten und deutsche Hersteller. Autos made in Germany haben ihren Marktanteil in den USA von 6,7 auf 7,3 Prozent ausgebaut, und längst kämpfen VW und Toyota um die Vorherrschaft auf dem internationalen Automarkt. Der einstige Weltmarktführer GM - längst abgehängt. Auch deshalb hatte sich der Konzern aus Detroit am Ende dazu durchgerungen, seine angeschlagene Tochter Opel zu behalten. In Rüsselsheim gibt es moderne Technologien, die GM nicht hat. Dass der US-Automarkt im Dezember 2009 nach zwei Jahren wieder leicht anzog, dürfte die Stimmung in Detroit aufheitern. Wenn auch nicht bei allen. Denn vor allem die deutschen Produzenten VW, Daimler und BMW waren es, die zulegen konnten.

Verfehlte Modellpolitik

Dabei ist es noch gar nicht so lange her, da strotzte der US-Markt vor Kraft, und die Verkaufszahlen schienen der Politik der großen Bleche und starker PS-Motoren recht zu geben. Mehr als 16 Millionen Neuanmeldungen gab es Ende 2007 - so viel wie sonst nirgends. Schon damals aber warnten Branchenexperten vor dem großen Einbruch, vor einer verfehlten Modellpolitik, und davor, dass man vor lauter Größe die richtige Richtung verpasse.

Dann kam der Einbruch. Erst schleichend, die globale Wirtschaftskrise verpasste ihm dann die richtige Wucht. Im vergangenen Jahr wurden gerade noch 10,3 Millionen Autos in den USA verkauft, zum ersten Mal weniger als in China. Vor zwei Jahren kaum denkbar: Die Volksrepublik ist mit 13,5 Millionen verkauften Autos der größte Markt der Welt. Dabei steht den Herstellern das Schlimmste erst noch bevor: das Jahr 2010. Ein Jahr, in dem es anders als in 2009, keine Abwrackprämien mehr gibt. Wer seine Autos in den Markt drücken will, muss dies nun über Rabatte tun, und das drückt auf die Gewinne. Der Wettbewerb wird härter: Weltweit sind die Hersteller so aufgestellt, dass sie in diesem Jahr bis zu 100 Millionen Autos bauen könnten. Tatsächlich aber wird 2010 wohl nur die Hälfte verkauft.

Die Zukunft des Autos, sie hat längst begonnen. Ob aber von Detroit aus, ist eine ganz andere Frage. Fest steht nur so viel: Ganz so rosig, wie man sie in Detroit malen wird, dürfte sie nicht werden.

© SZ vom 09.01.2010/cmue - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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