Motorrad im Test: Harley-Davidson Sportster S:Eine Harley für Solisten

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Die Harley-Davidson Sportster S ist für etwas mehr als 15 000 Euro zu haben. (Foto: Alessio Barbanti/Harley-Davidson)

Kraftstrotzende Optik, raubeiniger Antrieb: Harley-Davidson belebt seine Sportster-Baureihe neu. In einigen Punkten unterscheidet sich das Modell von den Vorgängern.

Von Thilo Kozik

Traditionalisten sind von Harley-Davidson immer gut bedient worden. Beispielsweise insofern, als der US-amerikanische Hersteller lange an eingeführten Modellfamilien unter Namen wie Softail, Road King oder Electra Glide festhielt, ebenso an extrem langen Modellzyklen. Wenn sich die Amerikaner mal zu einer Überarbeitung durchgerungen hatten, dann blieben die Modifikationen sehr überschaubar, das neue Modell war nur von Insidern zu identifizieren - und der Kern blieb unverändert. Mit diesem Geschäftsmodell ist Harley-Davidson Jahrzehnte lang sehr gut gefahren, doch seit einiger Zeit bröckelt die Basis gewaltig - weltweit gehen die Verkaufszahlen zurück, auch die Geschäftsergebnisse fielen zuletzt mau aus. In der Firmenzentrale in Milwaukee mussten sie sich etwas einfallen lassen.

Erste Konsequenz war Anfang 2020 ein Wechsel an der Spitze: Seither führt der deutsche Manager Jochen Zeitz die Firma. Eine weitere Konsequenz war der Bruch mit lang gehegten Sitten: Zum ersten Mal in der über 100-jährigen Geschichte stieg das Unternehmen im Frühjahr ins lukrative Segment der Reiseenduros ein. Die sehr eigenständige Pan America soll der etablierten Konkurrenz, darunter die BMW GS, einheizen. Auf dieser Basis kreierte Harley-Davidson eine komplett neue Plattform, auf der verschiedene Motorradtypen fußen - so auch die neue Sportster S. Diese trägt zwar getreu der alten Markenphilosophie einen der langlebigsten Namen des Harley-Kosmos: Die erste Sportster kam schon 1957 auf den Markt. Gleichzeitig aber kehrt sie der bekannten Tradition den Rücken.

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Das beginnt schon beim Aussehen, das mit kraftstrotzender Attitüde tatsächlich dem sportiven Namen gerecht wird. Zwei oberarmdicke Endschalldämpfer, die auf der rechten Seite nach oben ranken, extrem dicke Reifen und eine kompakte, gedrungene Silhouette erinnern mehr an die "Porsche-Harley" mit Namen V-Rod, mit der die Amerikaner Anfang dieses Jahrtausends der Fahrdynamik nachspürten. Ebenso einzig- wie eigenartig schaut die Sportster S aus dem aggressiven LED-Querscheinwerfer; ein ultrakurzes Rahmenheck mit Einzelsitzbank macht zudem klar, dass diese Harley nur etwas für Solisten ist.

Mehr Kraft im niedrigen Drehzahlbereich

Im Zentrum steht wie eh und je ein Zweizylindermotor, dessen Hubraum von 1252 Kubikzentimetern sich auf zwei im Winkel von 60 Grad gespreizte Zylinder verteilt. Dieser hochmoderne Motor, genannt: Revolution Max 1250T, stammt in seinen Grundzügen aus der Pan America, eine Vielzahl konstruktiver Maßnahmen verändert den Charakter jedoch nachhaltig: Mit 122 PS hat der Motor zwar 30 Pferdestärken weniger zu bieten, dafür bringt das Aggregat nicht zuletzt dank der gelungenen variablen Ventilsteuerung ungleich mehr Kraft im niedrigen Drehzahlbereich ans Hinterrad. Schon ab 2000 Touren zieht der Motor kernig am markentypischen Zahnriemen und legt bis fast an die 8000er-Marke drehfreudig nach. Dies aber nur im "Sport"-Modus, die anderen beiden Fahrmodi "Road" und "Rain" legen dem Triebwerk spürbar die Zügel an und zwingen zu einer zurückhaltenden Fahrweise.

In den Fahrprogrammen sind neben dem Ansprechverhalten des Motors und der Maximalleistung zudem passende Einstellungen hinterlegt, beispielsweise für das Kurven-ABS und die schräglagenfähige Traktionskontrolle. Dazu gibt es zwei individuell belegbare Modi, mit denen jeder sein eigenes Fahrdynamik-Menü zusammenstellen kann. In all diesen Varianten packen die Bremsen effektiv, aber nicht giftig zu.

Geschmeidig in der Kurve

Dabei bewegt sich die Sportster S durchaus geschmeidig durch mitteleuropäische Kurvenreviere. Mit überschaubarem Kraftaufwand lenkt die geradeaus sehr laufstabile Amerikanerin in die Kurve, zieht recht stabil und angenehm neutral ihre Bahn. Im knapp gepolsterten Sattel fühlen sich die Piloten und Pilotinnen außerdem bequem aufgehoben; Kurzbeinige müssen ihre Glieder allerdings ordentlich strecken, um an Schalthebel und Fußbremspedal zu gelangen.

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Gegenüber den alten Sportstern stellt die moderne Sportster S einen Quantensprung bei Leistung, Technologie und Design dar - aber auch einen Bruch mit der Tradition. Das erscheint jedoch nicht so schlimm, denn Harley sieht dieses Modell als Türöffner für neue Kundenkreise - sofern diese bereit sind, 15 495 Euro für das dynamisierte Harley-Vergnügen auszugeben.

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