Nach Polizeiaktion:Gibt es ein Alkoholproblem unter Lastwagenfahrern?

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Polizisten führen am späten Abend an der Autobahnraststätte Kraichgau-Süd eine präventive Alkoholkontrolle bei Fahrern von Lastwagen durch. (Foto: dpa)

Jeder sechste Lkw-Fahrer, den Polizisten in Hessen am Sonntag kontrollierten, hatte Alkohol im Blut. Warum das Risiko für Alkoholfahrten am Sonntag besonders groß ist und wer oft als Promillesünder auffällt.

Von Christina Müller

Mit einer Kontrollaktion an Hessens Autobahnen ist die Polizei am Sonntag gegen betrunkene Lastwagenfahrer vorgegangen. Die Zahlen klingen alarmierend: 79 Fahrern wurde direkt die Weiterfahrt untersagt, einige hatten Werte von deutlich über zwei Promille. Sind das nur Ausnahmen oder wird das Problem von Alkohol im Straßenverkehr grundsätzlich unterschätzt? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Mehr als jeder sechste Lkw-Fahrer war bei den Kontrollen am Sonntag nicht nüchtern. Ist diese hohe Zahl überraschend?

Nein. Bereits bei anderen Schwerpunktkontrollen hatte es ähnlich hohe Quoten gegeben. Bei einer Stichprobe im Rhein-Neckar-Kreis wurden im Dezember 485 Lastwagenfahrer auf sechs Rastanlagen überprüft. 33 Fahrer waren so betrunken, dass sie nicht weiterfahren durften. Im Oktober hatte das Kommissariat Walldorf bei 70 Überprüfungen auf einem Parkplatz sieben Alkoholverstöße registriert.

Gibt es unter Lkw-Fahrern ein Alkoholproblem?

Die Schwerpunktkontrollen der Polizei in Hessen kommen nicht von ungefähr. "Die Erfahrungen bei Stichproben oder auch bei Unfällen in jüngster Vergangenheit haben uns dazu veranlasst, Lkw-Fahrer noch einmal stärker in den Fokus zu nehmen", erklärt Sabine Richter, Pressesprecherin der Polizei Mittelhessen. Was sich dabei immer wieder zeigt: Besonders oft sind es Fahrer aus Osteuropa, die bei Alkoholkontrollen auffallen. Das bestätigen sowohl Richter als auch Martin Bulheller, Sprecher des Bundesverbands für Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung. Er glaubt, den Grund dafür zu kennen: "Diese Menschen sind oft wochen- oder monatelang von zu Hause weg und verbringen Tage auf Raststätten. Dass dadurch psychische Probleme entstehen, wundert mich nicht." Die Polizeisprecherin vermutet zudem, dass "in anderen Ländern ein anderer Umgang mit Alkohol herrscht".

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Darunter ist auch der Fahrer eines mit Salpetersäure beladenen Gefahrguttransporters. Bei ihm wird ein Atemalkoholwert von mehr als 1,5 Promille gemessen.

Sind Lastwagenfahrer öfter betrunken am Steuer als Autofahrer?

Die Unfallstatistik zeigt, dass die Zahl der Unfälle, bei denen Alkohol eine Rolle spielte, zuletzt wieder anstieg. Und wenn es unter Alkoholeinfluss kracht, ist es oft besonders verheerend. 2017 starben bei 13 463 Alkoholunfällen 231 Menschen auf Deutschlands Straßen. Allerdings waren in nur 2,8 Prozent der Fälle Lkw-Fahrer beteiligt. Ob sich tatsächlich mehr Auto- als Lastwagenfahrer mit Promille im Blut ans Steuer setzen, dazu gibt es keine Zahlen. Auch Sabine Richter von der Polizei Mittelhessen wollte keine Aussage treffen, ob die Quote der Alkoholsünder bei Lkw- und Autofahrerüberprüfungen unterschiedlich ausfällt.

Warum wird gerade am Sonntagabend kontrolliert?

Zwischen 0 und 22 Uhr gilt an Sonntagen Fahrverbot für die meisten Lkws. Daher verbringen die Fahrer meist den ganzen Tag auf Rastplätzen. "Um sich dort die Zeit zu vertreiben, trinken manche Fahrer Alkohol", so Martin Bulheller. Für die Polizei sind die Kontrollen an Sonntagen eine Präventivmaßnahme. Wer unter 0,5 Promille im Blut hat, wird zwar darauf hingewiesen, besser nicht direkt weiterzufahren, allerdings ist es bei Werten unter dieser Grenze grundsätzlich nicht verboten, sich ans Steuer zu setzen. So konnten von den 190 alkoholisierten Fahrern, die die Polizei am Sonntag in Hessen erwischte, dann auch 111 ihre Fahrt antreten.

Welche Promillegrenzen gelten für bestimmte Berufsgruppen?

In Deutschland gelten für Lastwagenfahrer die gleichen Promillegrenzen wie für Autofahrer. Ab 0,5 Promille ist es nicht mehr erlaubt, einen Lkw zu steuern. Eine Ausnahme bilden nur Fahrer von Gefahrguttransportern. Für sie gilt ein absolutes Alkoholverbot. Null Promille gilt auch für alle Berufsgruppen, die Personen befördern - also zum Beispiel für Taxifahrer oder Busfahrer. Im europäischen Ausland gibt es verschiedene Promillegrenzen. In Tschechien oder Ungarn gilt absolutes Alkoholverbot am Steuer, in Polen sind es 0,2 Promille. Viele weitere Länder haben genau wie Deutschland 0,5 Promille als Grenzwert.

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