Internet im Auto:Und die ganze Welt fährt mit

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Hersteller und Internetanbieter wollen das vernetzte Auto - aber wichtige Fragen sind noch nicht gelöst.

Helmut-Martin Jung

Als es vor rund 15 Jahren noch einiger Fachkenntnis bedurfte, Computer und piepsende Modems über die Telefonleitung ins Internet zu bringen, klang es wie eine Erlösung, wenn endlich das ikonische "Sie haben Post" aus dem PC-Lautsprecher drang. Es dauerte jedoch nur eine Weile, da kam so viel elektronische Post, dass viele ihren E-Mail-Ton schlicht abstellten.

Fern-Gespräch: Um Autos miteinander oder mit der Firma zu vernetzen, gibt es viele Wege. Einer basiert auf den Apps, die die Bedienung erleichtern sollen. (Foto: SZ-Grafik)

Nun aber könnte die akustische Benachrichtigung wieder auferstehen. Denn es gilt den letzten weißen Fleck zu erobern, den der dauerkommunizierende moderne Mensch noch übrig gelassen hat: das Auto. Das Internet, das sagen die Mobilfunkanbieter und auch die Automobilhersteller, werde Einzug in die Fahrzeuge halten.

Die Szenarien lesen sich in der Tat vielversprechend. Tut sich überraschend ein Schlagloch auf, könnte ein Auto, das eben erst hineingeraten ist, die nachfolgenden davor warnen, ebenso vor Blitzeis, Nebelbänken oder einer Ölspur.

Über veraltete Navi-Karten müsste sich niemand mehr ärgern, weil die Informationen übers Netz laufend aktualisiert werden könnten. Ständig würde das Ohr von der eigenen Wunschmusik aus der Online-Sammlung umschmeichelt - und wem dann noch langweilig wäre, der könnte sich auf der Autobahn auch die jüngsten Mails vorlesen lesen.

Derlei Verheißungen geistern freilich schon einige Zeit herum. Doch weder ist es besonders einfach, die rollenden Büros allüberall mit Internet zu versorgen, in Gebirgsschluchten ebenso wie in Tunnels, noch ist sicher, ob nicht mit der medialen Vollversorgung die Verkehrssicherheit mehr in Gefahr geraten würde als einem lieb sein kann.

Studien haben gezeigt, dass beispielsweise das Schreiben einer SMS das Unfallrisikorisiko um das 23-fache erhöht. Wer also das Internet ins Auto holt, muss sicherstellen, dass die verfügbaren Anwendungen nicht schwerer zu bedienen sind als eine Freisprechanlage.

Dabei sehen sich die Ingenieure zunächst einmal mit einem Grundproblem konfrontiert. In den vielen Jahren, in denen ein Auto konzipiert, gebaut und schließlich gefahren wird, bringt die Kommunikationsbranche eine Vielzahl von Produktreihen heraus. Handys, die heute topmodern und todschick sind, will schon in zwei, drei Jahren keiner mehr haben.

"Am einfachsten wäre es", sagt Dirk Stirnberg, Experte für Internet im Auto bei der Deutschen Telekom, "einen standardisierten Anschluss für Smartphones an den Bildschirm im Auto zu entwickeln, aber das wollen die Hersteller nicht." Sie wollten eben gerne ihre Einbau-Lösung verkaufen und diese sollten bitteschön auch dem Design der Marke angepasst sein.

Im eSmart, der jüngst vorgestellt wurde, geht man dagegen einen anderen Weg. Der elektrisch betriebene Kleinwagen hat einen Steckplatz für Apples iPhone. Das aber ist weit mehr als nur ein Telefon. Das Multimedia-Handy dient als Freisprechanlage, als Navi sowie als Medienzentrale.

Und nicht nur das: Über ein App - so heißen die kleinen Programme, die auf dem Gerät laufen - lässt sich auch das Auto im Dschungel der Großstadt wiederfinden und das Handy weiß zudem, ob die Batterie des Kleinen wieder aufgeladen ist oder ob man erst noch in Ruhe einen Cappuccino trinken kann.

Apps, Miniprogramme für Handys, stehen auch im Mittelpunkt einer Lösung, mit der der Automobilausrüster Continental und die Telekom-Tochter T-Systems einen Kompromiss zwischen Festeinbau-Lösung und Smartphone schaffen wollen. Auf dem Gerät, das ins Auto eingebaut wird, läuft Googles Smartphone-Betriebssystem Android. Darin steckt auch eine Mobilfunkkarte-Karte, die allerdings nur für Daten freigeschaltet werden wird.

Verschiedene Apps sollen es ermöglichen, die vielen Stunden, die Berufstätige in ihren Autos verbringen - jeder Deutsche fährt im Durchschnitt 12.500 Kilometer pro Jahr - besser zu nutzen. So kann man sich E-Mails nicht bloß vorlesen lassen, man kann sie auch verbal beantworten - während des Diktats verreist, sozusagen. Die Antwort auf die Mail würde dann als Sounddatei an die E-Mail-Antwort angehängt.

Produktivitätsvorteile verspricht man sich aber auch beim Betrieb von Fahrzeugflotten. Die Disponenten im Büro könnten am Bildschirm sehen, welches Fahrzeug einen überraschend eingetroffenen Transportauftrag noch ausführen könnte und ihm die neue Route direkt auf das Navigationsgerät schicken, zusammen mit einer E-Mail-Nachricht, dass sich die Route geändert hat.

Zum kommunizierenden Fahrzeug gehört ferner die Möglichkeit, das Auto zu orten - zum Beispiel im Notfall oder wenn es gestohlen wurde. Dieses Stolen Vehicle Tracking (SVT) ist heute schon in einigen Ländern Pflicht.

Für den Prototypen seines AutoLinQ genannten Systems hat sich Continental mit T-Systems zusammengetan. Die Telekom-Tochter sorgt für die Internetanbindung, Continental für die Integration ins Auto. Um die Ablenkung für den Fahrer möglichst gering zu halten, setzt der Autozulieferer auf Sprachbefehle. "Das macht es möglich, das Internet auch während des Fahrens zu nutzen", sagt Frank Försterling von Continental.

Aber obwohl die Zahl der Begriffe, die das System erkennen und verstehen soll, begrenzt ist, tut es sich während einer Vorführung dann doch schwer damit, weil durch eine geöffnete Tür Nebengeräusche hereindringen. Auch für diesen Fall ist aber vorgesorgt: Die Symbole für die Apps sind auf dem Berührungs-Bildschirm so groß abgebildet, dass sie sich leicht treffen lassen und der Fahrer nur kurz aufs Display schauen muss.

Trotzdem bleibt es eine wichtige Frage, inwieweit die Anbindung von Autos ans Netz überhaupt sicher zu gewährleisten ist. Das gilt im Übrigen nicht bloß für die Fahrsicherheit, die natürlich gefährdet ist durch jegliche Ablenkung. Sie gilt auch für die Daten, die per Funk versendet und möglicherweise auch auf Datenträgern im Auto gespeichert werden. Nicht mehr der Luxuswagen eines Vorstandsvorsitzenden wäre dann das Wertvolle, sondern die Festplatte, die darin steckt - wegen der Betriebsgeheimnisse, die darauf gespeichert sind.

Mit den Möglichkeiten, die einige Autos oder Zusatzgeräte bieten, lassen sich viele internetbasierte Anwendungen heute schon ausführen. Was fehlt, ist aber eine echte Vernetzung und eine Einbindung in das System Auto, die das Internet - oder vielmehr die Anwendungen, die man daraus im Auto sinnvollerweise nutzen kann - in einer Weise schaffen, dass die Fahrer nicht zu Multitasking-Maschinen mutieren müssen.

Möglicherweise aber wäre es besser, das Thema Vernetzung überhaupt etwas größer zu denken. Sie also nicht einfach ins Auto zu holen, das dann genauso benutzt wird wie immer. Ziel müsste es sein, ein System aufzubauen, das Individualverkehr ermöglicht, aber nicht zwingend den Besitz eines eigenen Fahrzeuges voraussetzt.

© SZ vom 20.09.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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