Motorroller Čezeta mit E-Antrieb:Torpedo aus Tschechien

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Dynamisch sollte die Werbung für den Čezeta in den Fünfzigerjahren wirken. Illustration: Čezeta (Foto: N/A)

In den Fünfziger- und Sechzigerjahren machten Motorroller die Menschen mobil. Im Ostblock übernahm das ein Fahrzeug mit einer ganz eigenen Formensprache. Nun lässt ein Brite den alten Čezeta-Roller neu aufleben.

Von Marco Völklein

Das Fahrzeug sieht mehr als eigenwillig aus: Eine weit nach vorn gestreckte Schnauze, auf deren Spitze der Scheinwerfer sitzt. Was so mit muss auf eine Reise, das kann direkt darüber, auf dem kleinen Gepäckträger, verstaut werden. Fahrer und Beifahrer werden geschützt durch ein kleines Blechschild auf Beinhöhe, auf der Sitzbank ist ausreichend Platz für beide. Voilà, das ist die Čezeta, ein Elektroroller aus Tschechien. Aber nicht irgendein Elektroroller. Ein Roller mit Tradition.

Entwickelt wurde der Motorroller in den Fünfzigerjahren von dem tschechoslowakischen Waffen- und Maschinenbauunternehmen Česká zbrojovka (ČZ) mit Sitz in Strakonice, gelegen zwischen Pilsen und Budweis; erstmals verkauft wurde der Roller 1957. Der Ingenieur Jaroslav František Koch wollte einen "Rolls-Royce auf zwei Rädern" bauen, so heißt es. Es entstand so etwas wie die tschechische Antwort auf die italienische Vespa, aber auch viele andere Hersteller setzten damals auf Motorroller. Was viele im heute vom Auto geprägten Deutschland nicht (mehr) wissen: In den Fünfziger- und Sechzigerjahren waren es vor allem Motorräder und -roller, die die Menschen mobil machten. Marken wie DKW, Kreidler, Zündapp oder Victoria prägten lange Zeit die deutsche Motorrad- und Motorrollerindustrie, Nürnberg wuchs über mehrere Jahrzehnte zum Zentrum der Branche - bis zu ihrem Niedergang in den Sechzigerjahren.

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Ähnlich verlief die Entwicklung auf der anderen Seite des Eisernen Vorhangs: Die Motorräder von MZ aus dem sächsischen Zschopau und diverse Motorroller aus der sogenannten Vogelserie (mit Modellen wie Schwalbe, Habicht oder Sperber) aus dem Simson-Werk in Suhl in Südthüringen ermöglichten vielen DDR-Bürgern ihre individuelle Mobilität. Dort kam erst mit der politischen Wende 1989 das Aus für die traditionsreichen Zweiradstandorte.

Mehr als 120 000 Exemplare wurden produziert und in mehr als 40 Länder exportiert

In Tschechien wiederum waren es die Čezeta-Roller, die zahlreiche Anhänger fanden. Die Roller, die in ihrer Formgebung auch ein wenig an einen Torpedo erinnern, hatten anfangs eine Leistung von acht PS, später waren es neuneinhalb. Der Zweitakt-Einzylinder beschleunigte den Roller auf bis zu 90 Kilometer pro Stunde. Mitte der Sechzigerjahre allerdings wurde die Produktion eingestellt; auch in den sozialistischen Ländern interessierten sich mehr und mehr Menschen für Automobile und schenkten Motorrädern und -rollern weniger Beachtung. Dennoch: Mehr als 120 000 Stück sollen produziert worden sein, in mehr als 40 Länder wurde die Čezeta exportiert. In Automobil- und Technikmuseen unter anderem in Neuseeland und Riga finden sich heute noch Čezeta-Exemplare.

Nun lässt ein Brite den alten Čezeta-Roller neu aufleben - mit einer entscheidenden Ausnahme: Statt mit einem Benzin- soll der neue Tschechen-Torpedo mit einem Elektroantrieb losrollern. Neil Eamonn Smith war in den Neunzigerjahren von Großbritannien nach Tschechien ausgewandert und hatte dort die Fahrzeuge aus den Fünfzigerjahren entdeckt. "Ich liebe Motorroller", sagte der Brite dem Handelsblatt. In einer Fabrikhalle im tschechischen Prostějov lässt er die Stromer nun in Handarbeit fertigen.

Das neue Modell mit Elektroantrieb orientiert sich stark am Original-Roller. (Foto: Čezeta)

Die neue Čezeta 506 gibt es in zwei Versionen: eine mit elf PS Spitzenleistung und 80 Stundenkilometer Höchstgeschwindigkeit sowie ein 15-PS-Modell, das bis zu 115 Kilometer in der Stunde schaffen soll. Die maximale Reichweite gibt Smith mit 200 Kilometer an. Preiswert allerdings sind die Roller nicht gerade: Knapp 12 000 Euro kostet die Basisversion, wer den stärkeren Motor und eine leistungsfähigere Batterie will, landet rasch bei 16 000 Euro und mehr. In Prag hat Smith kürzlich einen Shop eröffnet, in dem er nicht nur seine E-Roller präsentiert, sondern auch die lange Čezeta-Historie. Einen Importeur für Deutschland gibt es noch nicht, Smith setzt auf den Direktvertrieb im Internet.

Zudem versucht er, mit Mietfahrzeugen den Nostalgie-Scooter zumindest in Prag bekannter zu machen. Touristen und Einheimische sollen so die neue Čezeta kennenlernen. Immerhin das ist vergleichsweise günstig: Die Miete übers Wochenende liegt bei 150 Euro.

© SZ vom 24.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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