Hauptversammlung in Saarbrücken:Mehr Kontrolle, weniger Lobbyismus

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Der ADAC versucht in Saarbrücken, sein beschädigtes Image zu reparieren. (Foto: Oliver Dietze/dpa)

Politische Zurückhaltung, weniger Kommerz und ein Whistleblower-System: Der ADAC verkündet auf der ersten Hauptversammlung seit den Manipulations-Skandalen Reformen. Noch mehr Probleme kann sich der größte deutsche Verein auch nicht leisten.

Von Bastian Obermayer und Uwe Ritzer, Saarbrücken

Fachwerkgiebel, sattgrüne Wiesen, freundliche Gesichter und dankbare Autofahrer. Immer mittendrin: das leuchtende Gelb des ADAC. Der Videoclip zu Beginn der Hauptversammlung des Vereins im Kongresszentrum von Saarbrücken zielt auf das Gemüt der etwa 190 Delegierten im Saal. Unterlegt sind die Bilder von Zahlen über Pannenhilfeeinsätze und Luftrettungen im vergangenen Jahr. "Wenn 18 Millionen Mitglieder auf diese Leistungen vertrauen", sagte eine Stimme aus dem Off, dann mache der ADAC "doch auch vieles richtig". Trotzdem wissen alle im Saal, dass der ADAC so nicht weitermachen kann. Deshalb lautet das Motto der Jahresversammlung auch: "Reform für Vertrauen." Es geht im Gegensatz zu den Vorjahren diesmal nicht um schöne Bilder, sondern um harte Schnitte.

Die Verantwortlichen der 18 Regionalclubs des ADAC sind zur Hauptversammlung des größten deutschen Vereins an die Saar gekommen. Um den Willen zur Transparenz zu demonstrieren, bietet der ADAC Medienvertretern deutlich besseren Zugang zu dem Treffen als in der Vergangenheit. Im Mittelpunkt steht die Frage, wie die Autofahrer-Organisation nach den Skandalen um den Autopreis gelber Engel verlorenes Vertrauen der Mitglieder wiedergewinnen kann. Nicht nur beim Preis wurde manipuliert, auch die Pannenstatistik und andere Praktiken haben Fragen aufgeworfen. Zuletzt wurde öffentlich, dass der ADAC Kosten für Leistungen, die er selbst anbot, wohl auf andere Versicherer abwälzte.

Die Stimmung im Saal ist verhalten-angespannt. Viele Delegierte und Beobachter sind gespannt, ob im Verlauf des Tages über die Reformen kontrovers diskutiert werden wird. Oder ob sich der ADAC in sein Reformschicksal fügt.

Vor der Hauptversammlung
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Der ADAC befindet sich mitten im Reformprozess, doch die externen Krisenmanager sehen noch immer zahlreiche Probleme. Allerdings gibt es auch Hoffnung für den Autoclub - wenn er die kommenden Monate intensiv nutzt.

Von Thomas Harloff und Bastian Obermayer

Es gibt viel zu tun: Bis November sollen Arbeitsgruppen in mehreren Themenfeldern nach Wegen suchen, die Organisation transparenter, demokratischer und vor allem wieder glaubwürdig zu machen. Dazu gehört auch eine neue Struktur für die wirtschaftlichen Aktivitäten des Clubs. Vor allem eine bessere Aufsicht über die vielen Tochterunternehmen und eine schärfere Trennung vom Verein ADAC und dem Unternehmen ADAC.

Eine Schritte werden schon in Saarbrücken verkündet:

  • Weniger Kommerz: Interimspräsident August Markl gelobt in Saarbrücken Besserung: "Wirtschaftliche Ziele" werde man künftig "auf ein sinnvolles Maß zurückführen". Das Münchner Registergericht prüft, ob die unternehmerischen Tätigkeiten dem ideellen Hauptzweck des Vereins eindeutig untergeordnet sind.
  • Mehr Kontrolle: Der ADAC startet ein internes Hinweis-System. Darüber sollen Whistleblower, also kritische Tippgeber, mögliche Verstöße gegen Richtlinien oder gar Gesetze melden. Über ein Internet-Portal können Betroffene auch anonym auf Unregelmäßigkeiten hinweisen. Die Meldungen werden nicht vom Autofahrerclub selbst verarbeitet, sondern gehen an eine externe Anwaltskanzlei, um die Unabhängigkeit der Überwachung zu gewährleisten. Das System solle helfen, dass "Fehlverhalten und Missstände in der gesamten ADAC-Organisation identifiziert und im Bedarfsfall auch entsprechend geahndet und abgestellt werden", verkündet Markl. Vergleichbare Programme gibt es auch in großen Unternehmen.
  • Mehr interne Demokratie: Der Verein befragt seine Mitglieder, um herauszufinden, was sie wollen.
  • Weniger Lobbyismus: Politisch will sich der ADAC, der bei vielen als Lobbyorganisation verschrien ist, zurücknehmen. Markl sagt, der Verein werde "bei kontroversen Themenstellungen nur eine moderierende und aufklärende Rolle einnehmen".

Der personelle Neuanfang an der Spitze lässt dagegen auf sich warten: Markl, schon lange in Führungspositionen beim ADAC, soll den Reformprozess zu Ende führen, entscheiden die Delegierten. Ein neuer Präsident soll frühestens auf einer außerordentlichen Hauptversammlung gewählt werden, spätestens im Mai 2015 auf der planmäßigen Tagung des Gremiums in Bochum.

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Demut, Einsicht, Umkehr: Das ist das Credo des ADAC-Interimspräsidenten August Markl. Interne Bilanzpapiere des ADAC Südbayern, bei dem Markl zuvor Chef war, weisen aber Posten auf, die für einen Verein reichlich ungewöhnlich erscheinen.

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Schelte aus der Politik

Neben der ADAC-kritischen Edda Müller, Chefin von Transparency International Deutschland, stehen auf der Hauptversammlung auch Politiker am Rednerpult. Sie halten sich zurück mit allzu harscher Kritik. Kanzleramtsminister Peter Altmaier zückt zu Beginn seiner Festrede sogar seine ADAC-Mitgliedskarte und beruhigt die Delegierten dahingehend, dass Deutschland auch "in Zukunft eine starke Interessenvertretung der Mobilität" brauche. Der ADAC werde aus der Krise kommen, wenn er seine Fehler einräume und daraus die richtigen Lehren ziehe. Etwas deutlicher formuliert es die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer: "Das Vertrauen in den ADAC ist erschüttert worden durch das Fehlverhalten Einzelner, aber auch strukturelle Defizite."

Die Delegierten quittieren solche Aussagen durchaus mit Applaus, wobei das Klatschen bei manchen im Saal auch etwas zögernd einsetzt. Für Interims-Präsident Markl gibt es jedoch keine Alternative zum Reformkurs. "Der ADAC, so Markl weiter, leiste "hervorragende und wichtige Arbeit" müsse sich aber auch neu ausrichten. Markl: "Die Krise hat den ADAC wachgerüttelt."

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