Neun Monate früher als geplant durchbrachen die Tunnelmaschinen den letzten Meter. Die Piora-Mulde, eine Störzone, deren Festigkeit mitten im Gebirge der eines Sandhaufens entsprach, konnte schneller durchquert werden als gedacht. Und Widersprüche, die das Vergabeverfahren für die Bahntechnik blockierten, konnten dank ausführlicher Verhandlungen ausgeräumt werden.
Gotthard-Basistunnel:So gewaltig wie die Cheops-Pyramide
2000 Menschen, 13 Millionen Kubikmeter Schutt und Gestein, 1500 km Drahtwerk: der Gotthard-Basistunnel. Bis zu seiner Fertigstellung 2016 werden fast 25 Jahre vergangen sein. Bilder einer Jahrhundertbaustelle.
Ob U-Bahn, Straßenbau oder Elbphilharmonie: Bei Großbauten sind eher Verspätungen, als vorzeitige Inbetriebnahmen üblich. Die Schweizer brechen am neuen, 57 Kilometer langen Eisenbahntunnel unter dem Gotthard die Regel.
Derzeitigen Berechnungen zufolge könnte es sein, dass die Hauptröhre der Neuen Alpentransversale (NEAT), die das Gros desjenigen Verkehrs aufnehmen soll, der das Alpenland auf dem Weg zwischen Nord- und Südeuropa durchquert, ein Jahr früher fertig wird, als geplant - nämlich bereits im Jahr 2016.
Dabei hielt der Berg, wie es Heinz Ehrbar, Chefingenieur des durchführenden Baukonsortiums schon mal formulierte, "den ganzen Katalog an Schwierigkeiten bereit, den sie sich nur vorstellen können".
Zwei rekordverdächtige Tunnelbauwerke wurden in den zurückliegenden Jahren in die Bergwelt der Eidgenossen gebohrt. Der eine ist der Lötschbergtunnel, der zurzeit drittgrößte Tunnel der Welt, der mit seinen 34,6 Kilometern Länge zwischen Kandersteg im Kanton Bern und Raron im Wallis 2007 in Betrieb ging. Durch ihn dürfen Reisezüge mit 250 km/h eilen. Auf der anderen Seite des Rhônetals, bei Brig, führt die Strecke durch den Simplon nach Italien.
Der andere ist der neue Eisenbahntunnel am Gotthard, der rund sieben Milliarden Euro kosten wird und mit seinen 57 Kilometern Länge jetzt im Rohbau fertig wurde. Er durchquert das Gebirgsmassiv auf einer Höhe von 550 Metern über dem Meer, also etwa auf der Höhe von München, und wird deshalb auch Basistunnel genannt.
Durchstich im Gotthard-Basistunnel:Jubel in der Rekordröhre
Nach 57 Kilometern und fast elf Jahren Bauzeit ist er geschafft: der Durchstich im Gotthard-Basistunnel. Bis 2017 soll der längste Tunnel der Welt fertig ausgebaut sein.
Er löst den japanischen Seikan-Tunnel (53,9 Kilometer) als längste Röhre der Welt ab, und erlaubt es aufgrund seiner nur geringfügigen Steigung schweren Güterzügen das Alpenmassiv zu durchqueren, ohne zusätzliche Loks einspannen zu müssen.
Gotthard-Bahn:Die Pionierstrecke
Ein genialer Baumeister und ein umstrittener Bankier schufen das Jahrhundertbauwerk Gotthardbahn. Beide erlebten die Fertigstellung nicht.
Lötschberg- und Gotthardtunnel sollen gemeinsam dafür sorgen, dass etwa 50 Millionen Tonnen Fracht nicht in endlosen Lastwagenkolonnen über im Winter verschneite Passstraßen, sondern auf der Schiene tief unten im Berg rollen können. Im Endausbau, irgendwann nach 2030, sollen von der 200 Kilometer langen Fahrt zwischen Zürich und Mailand sogar nur noch 40 Kilometer unter freiem Himmel stattfinden.
Finanziert werden die Röhren durch eine Schwerverkehrsabgabe, die sich für einen Vierzigtonner, der quer durch die Schweiz rund 300 Kilometer zurücklegt, auf gegenwärtig rund 220 Euro beläuft. Von Spediteuren und Transportunternehmern wird sie heftig bekämpft.
Schon der Bau des Lötschbergtunnels wurde in Rekordzeit innerhalb von nur acht Jahren bewältigt. Nicht nur deshalb, weil 2500 Arbeiter unter Tage schufteten, um Termine einzuhalten, sondern auch, weil die Eidgenossen an fünf Baustellen zugleich bohrten und sprengten. Die Schweizer treiben auch nicht einfach nur Löcher in den Berg. Sie greifen ihn mit militärischem Drill an.
Am Gotthard wurden Etappen als Baulos in Amsteg, Sedrun und Faido unternommen. 19 Kilometer hinter dem Nordportal bei Erstfeld, bereits unter einer ordentlichen Gebirgsabdeckung gelegen, trieben die Ingenieure zwei jeweils 800 Meter tiefe Schächte in den Fels, um zur gleichen Zeit von dort aus den Berg auszuhöhlen.
Nach Mikrobeben, die immerhin die Stärke 2,4 auf der Richterskala erreichten, und eiligen Lasermessungen traten auch keine Schwierigkeiten mehr an den Mauern von drei Stauseen auf, die in Talkesseln oberhalb der Tunnelbaustelle liegen. Zu den Akten gelegt wurde der Plan eines unterirdischen Bahnhofs unterhalb von Sedrun.
Gotthard-Basistunnel:Weiterer Durchbruch geschafft
In Rekordzeit wurde das vorletzte und 7,2 Kilometer lange Teilstück durchfräst. 133 von 153 Kilometern sind damit durchbrochen.
Jetzt werden die Schienenstränge, Signaltechnik und Kabel verlegt. Inklusive Ausweich- und Spurwechseltrasse sind es 290 Kilometer an Gleisen, noch einmal 131.000 Kubikmeter Beton für den Unterbau, mehrere Tausend Kilometer Glasfaserkabel und elektrische Leitungen. 2500 Schaltschränke und 19 Rechenanlagen müssen wegen der bis zu 50 Grad warmen Temperaturen im Innern des Berges klimatisiert werden.
928 Funksensoren des europäischen Zugsicherungssystems ETCS (European Train Control System), das Tempo und Mindestabstände zwischen den Zügen überwacht, 280 Tunnelfunkverstärker und 417 Notrufsäulen sollen auch dann genug Sicherheitsreserven bereitstellen, falls ein einzelnes Anlagenteil ausfallen sollte. Schotter, der im Tunnel herumfliegen und Züge beschädigen könnte, wird es in der Röhre nicht geben, der Gleisunterbau besteht aus Beton.
Er wird mit einem 450 Meter langen Betonzug eingebracht, der aus 24 Waggons zum Transport von Zement, Wasser, Stromaggregaten, Mischer und Pumpen besteht. "Die Herausforderungen an die Logistik sind enorm", sagt Renzo Simoni, Chef des AlpTransit-Gotthard-Konsortiums. Denn als Zufahrten stehen bislang nur jeweils das Süd- und das Nordportal zur Verfügung.
Neue Umspannwerke sichern die Stromversorgung über drei Hochspannungsnetze. Weil nach der Fertigstellung 2016 nicht nur Daten sondern auch Sprechfunk übertragen werden sollen, werden zudem 120 Kilometer "strahlendes Kabel" verlegt. Es soll Zugpassagieren auch innerhalb der Röhren das Telefonieren per Handy erlauben.
Der Tunnel selbst wird von einem Kontrollzentrum in Pollegio aus kontrolliert, das den kompletten Betrieb von Arth-Goldau (nahe Luzern) bis zur italienischen Grenze steuern soll. Schon jetzt hält sich eine Task Force bereit, um den Ernstfall zu üben. Falls doch mal ein Zug im Berg steckenbleibt.