Ferrari und die Zukunft:Rot und Spiele

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Präsident Luca di Montezemolo bei der Präsentation des Mega-Sportwagens LaFerrari auf dem Genfer Salon 2013. (Foto: Giorgio Benvenuti/Ferrari Media)

Sogar Ferrari muss seine Autos sparsamer und sauberer machen. Das soll mit einer erneuerten Modellpalette, kleineren Turbomotoren und Hybridantrieben gelingen. Doch die Faszination der glamourösen Marke steht auf dem Spiel.

Von Georg Kacher

Die Faszination Ferrari hat viele Facetten. Ganz neu, 1,19 Millionen Euro teuer und trotzdem längst ausverkauft ist der neue Supersportwagen aus Maranello. Der Nachfolger des Enzo heißt schlicht LaFerrari und ist nach dem 599-Kers-Versuchsträger der zweite Renner mit elektrischem Hilfsmotor. Ferrari bevorzugt die Bezeichnung Hybrid-Sportwagen, doch das auf 499 Stück limitierte Coupé kann weder rein elektrisch fahren noch an der Steckdose aufgeladen werden. Die Batterien werden stattdessen vom V12-Verbrenner mit Energie versorgt, der nur dann auf die Schützenhilfe des 163 PS starken E-Motors zurückgreift, wenn er mit seinem 800-PS-Latein am Ende ist.

Neuvorstellung Ferrari California T
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Selbst Ferrari folgt nun dem Trend, Saug- durch Turbomotoren zu ersetzen. Den Anfang macht der California T mit einem völlig neu entwickelten aufgeladenen Triebwerk. Der Faszination des Cabrios tut das freilich keinen Abbruch.

Von Thomas Harloff

Das passiert fast ausschließlich auf der Rennstrecke, wo LaFerrari vor allem jenseits von 250 km/h anschiebt wie ein Komet auf Rädern. Die Eckdaten: von null auf hundert in unter drei Sekunden, mehr als 350 km/h Spitze, Verbrauch 13,9 Liter. Wir haben den Flachmann bei strömendem Regen bewegt, sind früh an unsere Grenzen gestoßen. Wahr ist: Das Karbon-Coupé mit dem rekordverdächtig niedrigen Schwerpunkt ist eng, laut und eine ausgesprochen unstete Kraft im Spannungsfeld aus Können, Mut und Disziplin.

Der neue FXX und LaFerrari Spider werden nur an 80 handverlesene Kunden verteilt

Ferrari baut und verkauft konstant rund 7000 Autos im Jahr, aber trotzdem ist die Welt des springenden Pferdes nur bedingt in Ordnung. In der Formel 1 hat die Marke seit Mai 2013 keinen GP mehr gewonnen, Le Mans bleibt bis auf Weiteres in der Topklasse eine unbespielte Bühne, und auch bei den Serienmodellen gibt es Nachholbedarf - Stichwort Infotainment, alternative Antriebe, Downsizing.

30 Jahre Ferrari Testarossa
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Als der Ferrari Testarossa 1984 vorgestellt wird, bricht er radikal mit den bisherigen Designgrundsätzen der Marke: schamlos und spektakulär, neon und pastell, ein authentisches Abbild der Achtziger. Kein Wunder, dass viele eingefleischte Ferraristi noch heute die Nase rümpfen.

Ausgestattet mit einem relativ frischen Dreijahresvertrag setzt das Führungsduo unter dem CEO Luca di Montezemolo und dem Entwicklungschef Amedeo Felisa auf eine risikoarme Produktstrategie mit hohen Renditen. Leuchtturmprojekte wie LaFerrari können sich die Italiener trotzdem nur alle zehn Jahre leisten. Deshalb wird 2015 in der gleichen Nische nachgelegt. Der vermutlich 1050 PS starke FXX ohne Straßenzulassung soll an 30 handverlesene Kunden verteilt werden. Weitere 50 Sammler dürfen sich um den deutlich mehr als zwei Millionen Euro teuren LaFerrari Spider bewerben. Damit ist dann bis auf Weiteres Schluss mit dem aufwendigen Kohlefaserchassis. Von 2016 an ist es wieder den roten Monoposti vorbehalten.

Aero- und fahrdynamisch konkurrenzlos

Zu den wesentlichen Abstrahleffekten des umwerfend schönen Technologieträgers gehört die adaptive Aerodynamik, die über individuell ansteuerbare Luftleitelemente in Sekundenbruchteilen zwischen maximalem Abtrieb und optimaler Windschlüpfigkeit hin- und herschalten kann. In Kurven entsteht so ein Saugeffekt zwischen Fahrzeug und Fahrbahn, auf schnellen Geraden sinkt der Luftwiderstand. Wo sich anderswo Klappen öffnen und Spoiler aufstellen, moduliert der Ferrari die An- und Durchströmung im Verborgenen.

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Dass dem Entwicklungsdirektor Roberto Fedeli die Fahrdynamik besonders am Herzen liegt, zeigen auch andere Detaillösungen, die im Konkurrenzumfeld Maßstäbe setzen. So ist der intuitiv bedienbare Manettino der erste Fahrprogramm-Wählschalter mit Direktzugriff, die auf Knopfdruck entkoppelbaren Dämpfer sorgen auf schlechten Straßen für ein klares Plus an Geschmeidigkeit und das Zusammenspiel aus superdirekter Lenkung und elektronischer Antriebsregelung garantiert jedem Ferrari-Fahrer höchsten Fahrgenuss.

Die Marke hat das CO₂-Thema relativ früh erkannt, aber erst in diesem Jahr Zeichen gesetzt - mit der Ankündigung, bis 2021 den Kohlendioxid-Ausstoß um 20 Prozent verringern zu wollen. Funktionieren soll das durch die Umstellung der V8-Aggregate vom Sauger zur künstlichen Beatmung, durch die Hybridisierung der V12-Motoren und durch eine Reihe von flankierenden Maßnahmen. Das T im Schriftzug des aktuellen California V8 steht für Turbo light mit 560 PS trotz reduziertem Ladedruck und 0,4 Liter weniger Hubvolumen, gebremstem Schaum in den lang untersetzten kleinen Gängen, 755 Nm Drehmoment schon bei 2750/min, 15 Prozent weniger Verbrauch und einer um zwei Zehntel flotteren Beschleunigung von null auf 100 km/h. Das liest sich fein, er klingt aber nicht mehr ganz so unwiderstehlich und zeigt bei Vollgas einen etwas verhaltenen Beißreflex.

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Warum setzt Ferrari nicht auch beim Zwölfzylinder auf den Lader? Zum einen, weil man davon wohl vier Stück bräuchte, denen es im engen Motorraum ziemlich heiß um die Schaufeln würde. Zum anderen, weil es wenig sinnvoll ist, einen 800 PS starken V12-Sauger leistungsmäßig noch zu toppen. Stattdessen will man lieber den CO₂-Flottendurchschnitt von 270 g/km möglichst schnell unter 200 g drücken.

Auch der 458 bekommt einen Turbo

Die angekündigte Hybridisierung kann freilich nur dann Wirkung zeigen, wenn die damit verbundene Gewichtsspirale nicht in den Himmel wächst. Insider berichten von einem sehr sportlich ausgelegten Plug-in-Hybrid mit einer rein elektrischen Reichweite von über 30 km, einem rund 150 PS starken E-Motor, hoher Rekuperationsleistung und entsprechend kräftigem Boosteffekt. Da sich über die Vorderachse besonders viel Bremsenergie abgreifen lässt, könnte ein teilelektrischer Allradantrieb mittelfristig mehr Sinn haben als eine rein mechanische Lösung wie im FF. Irgendwann wird sich Ferrari vermutlich sogar mit dem reinen Elektroantrieb beschäftigen müssen - und sei es nur, um in Märkten wie China Autos verkaufen zu dürfen.

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Ganz ohne Ladekabel und ERS-Knopf rollt spätestens im Sommer 2015 der modifizierte M458-T zu den Händlern. Trotzdem ist dieser Italia auf Anhieb als neues Modell zu erkennen, denn die Turbos und die Intercooler brauchen viel Luft zum Atmen, was zusätzliche Ansaugöffnungen am Bug und in den hinteren Seitenteilen erforderlich macht. Klar, dass bei dieser Gelegenheit auch die Stoßfänger, die Leuchten und das Interieur aufgewertet werden.

Die wahre Revolution im Segment der Mittelmotor-Sportwagen dauert freilich noch mindestens bis 2019. Dann startet der Nachfolger des Italia - wieder als aluminiumintensive Konstruktion, aber dem Vernehmen nach in zwei verschiedenen Ausprägungen. Zum einen bleibt es beim 458-Zweisitzer mit dem dann wohl 700 PS starken V8, zum anderen denkt man an der Via Abetone aber auch über eine etwas kürzere und leichtere Variante mit V6-Motor nach. Nein, hier handelt es sich nicht um ein neues Einstiegsmodell nach Art des wiederholt herbeigeschriebenen Dino, sondern um eine noch etwas agilere Alternative mit einer deutlich sparsameren Antriebsoption.

So wie der F12 kleiner ist als der 599, so wäre der 456, wie er denn heißen könnte, kompakter als der 458. Und wohl auch deutlich leichter, denn der Motor und die Karosserie wiegen weniger, was darauf schließen lässt, dass sich bei Kühlung und Bremse ebenfalls ein paar Kilo einsparen lassen. Vielleicht feiert in diesem kalorienbewussten Umfeld sogar das Schaltgetriebe ein Comeback. Hinter vorgehaltener Hand ist von einem 2,9-Liter- V6 Biturbo die Rede, dem zum Start rund 500 PS und 600 Nm nachgesagt werden. Obwohl der Neue mit geschätzt 185 000 Euro günstiger wäre als der dann mindestens 205 000 Euro teure 458, hat Ferrari keinerlei Ambitionen, die Kapazität auf mehr als 10 000 Autos pro Jahr zu erweitern.

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Von René de Boer

Die neue Generation steht vor allem für Leichtbau und modular aufgebaute Architekuren

2016 muss der viersitzige FF unters Messer. Doch die geplante Verschönerungsaktion dürfte sich auf den Hinterwagen konzentrieren, wo ein sportlich-elegantes Fastback mehr Eindruck machen soll als die fast senkrechte Heckklappe. Um die Nachfrage zu stabilisieren, fordert der Handel neben dem modifizierten V12 ein günstigeres FF-Einstiegsmodell mit V8. Im gleichen Jahr sieht der Spielplan den nur im Detail überarbeiteten F12 vor, den es auch wieder als GTO und als bildschönes Aperta Cabrio geben könnte. Der erste Ferrari der neuen Generation ist der für 2017 avisierte Nachfolger des California, der sein praktisches Klapptop behalten soll. Frühestens 2018 folgt die zweite Auflage des FF.

Der Begriff "Neue Generation" steht primär für modernen Leichtbau, mutigeren Materialmix, modular aufgebaute Architekturen und mehr Steifigkeit durch innovative Fertigungsprozesse. Allein über die Werkstoffauswahl will man zwischen 20 und 50 Kilo abspecken. Leichtere Motoren und Getriebe, neuartige Fügetechniken und einzelne Kohlefaser-Komponenten müssen das Ihre dazu beitragen, damit die Fahrzeuge in Summe mindestens 100 Kilo leichter werden.

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Von Wolfgang Gomoll

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Ferrari lackiert ab Werk fünf verschiedene Rottöne, und so unverwechselbar wie die Farbpalette ist der Klang der Motoren: heisere Achtzylinder, dumpf grollende Zwölfzylinder, als aktuelle Zugabe das hybridische Doppelherz-Duett des LaFerrari. Das Fahrerlebnis fesselt nicht nur in der Summe, sondern auch durch bemerkenswerte Einzelleistungen. Erwähnenswert sind die Kugelblitzlenkung, die Sofortbremse, die Alleskönner-Dämpfer, die Stakkato-Schaltung und die skalierbaren Regelsysteme. Das Ambiente schaffen Versatzstücke wie die Daytona-Sitze, die LED-Hochschaltanzeige im Lenkradkranz oder der farbig unterlegte Drehzahlmesser.

Klar, die Sportwagen aus der Emilia Romagna sind zu schade für Stadtverkehr-Frust, Tempolimit-Zuckelei, Minusgrade und gesalzene Straßen. Aber wenn der Weg das Ziel ist, dann sollte man doch noch schnell einen Vergleich ziehen zwischen Alt und Neu, zwischen Sauger und Turbo, zwischen Emotion und Vernunft. Am Ende weiß man, wie treu sich Ferrari geblieben ist - Verbrauch hin, Emission her.

© SZ vom 19.07.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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